[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742.von den Dichtungen. unglücklich verrathen, daß er zu so hohen Dingennicht abgerichtet sey. Wir wollen zum Beweise dessen das allegorische Raritäten,-Cabinet dessel- ben, wovon er im CLIII. St. unter diesem Nah- men Meldung thut, mit aufmercksamen Augen betrachten. Jn demselben befinden sich verschie- dene allegorische Jnstrumente u. Maschinen, die nach des Patrioten Vorgeben gröstentheils eine Erfindung der Sinesen und Jndianer sind, von denen sie ihm geschenckt worden. Nach dem Jn- ventario, welches im LXXXVII. St. befindlich ist, sind die merckwürdigsten darunter folgende: Ein Wetterglas, den guten und schlechten Ge- schmack aller Scribenten und anderer vorkom- menden Personen zu erkennen; eine philosophi- sche Uhr, welche von der Länge oder Kürtze des menschlichen Lebens die eigentlichste Rechnung giebt; ein Pe-kad-en-nosch, die Aufrichtigkeit des Hertzens zu prüffen; und ein blaues Wasser, das den Unterschied der menschlichen Leidenschaf- ten auf eine verwundernswürdige Art anzeiget. Dazu kömmt dann ferners das im CLIII. St. angezogene Traumküssen, und der im LXXXVII. St. gerühmte Universal-Schnupftoback für das Gedächtniß, etc. etc. Man beliebe erstlich über- haupt anzumercken, daß alle diese Erfindungen selbst nach der Absicht des Erfinders keinen andern Nutzen haben können, als die Entdeckungen des Patrioten über den moralischen Zustand des Men- schen wahrscheinlich zu machen; nun sind aber seine Entdeckungen so beschaffen, daß niemandem in den Sinn kommen wird, die Möglichkeit der- selben F 2
von den Dichtungen. ungluͤcklich verrathen, daß er zu ſo hohen Dingennicht abgerichtet ſey. Wir wollen zum Beweiſe deſſen das allegoriſche Raritaͤten,-Cabinet deſſel- ben, wovon er im CLIII. St. unter dieſem Nah- men Meldung thut, mit aufmerckſamen Augen betrachten. Jn demſelben befinden ſich verſchie- dene allegoriſche Jnſtrumente u. Maſchinen, die nach des Patrioten Vorgeben groͤſtentheils eine Erfindung der Sineſen und Jndianer ſind, von denen ſie ihm geſchenckt worden. Nach dem Jn- ventario, welches im LXXXVII. St. befindlich iſt, ſind die merckwuͤrdigſten darunter folgende: Ein Wetterglas, den guten und ſchlechten Ge- ſchmack aller Scribenten und anderer vorkom- menden Perſonen zu erkennen; eine philoſophi- ſche Uhr, welche von der Laͤnge oder Kuͤrtze des menſchlichen Lebens die eigentlichſte Rechnung giebt; ein Pe-kad-en-noſch, die Aufrichtigkeit des Hertzens zu pruͤffen; und ein blaues Waſſer, das den Unterſchied der menſchlichen Leidenſchaf- ten auf eine verwundernswuͤrdige Art anzeiget. Dazu koͤmmt dann ferners das im CLIII. St. angezogene Traumkuͤſſen, und der im LXXXVII. St. geruͤhmte Univerſal-Schnupftoback fuͤr das Gedaͤchtniß, ꝛc. ꝛc. Man beliebe erſtlich uͤber- haupt anzumercken, daß alle dieſe Erfindungen ſelbſt nach der Abſicht des Erfinders keinen andern Nutzen haben koͤnnen, als die Entdeckungen des Patrioten uͤber den moraliſchen Zuſtand des Men- ſchen wahrſcheinlich zu machen; nun ſind aber ſeine Entdeckungen ſo beſchaffen, daß niemandem in den Sinn kommen wird, die Moͤglichkeit der- ſelben F 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0083" n="83"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von den Dichtungen.</hi></fw><lb/> ungluͤcklich verrathen, daß er zu ſo hohen Dingen<lb/> nicht abgerichtet ſey. Wir wollen zum Beweiſe<lb/> deſſen das allegoriſche <hi rendition="#fr">Raritaͤten,-Cabinet</hi> deſſel-<lb/> ben, wovon er im <hi rendition="#aq">CLIII.</hi> St. unter dieſem Nah-<lb/> men Meldung thut, mit aufmerckſamen Augen<lb/> betrachten. Jn demſelben befinden ſich verſchie-<lb/> dene allegoriſche Jnſtrumente u. Maſchinen, die<lb/> nach des Patrioten Vorgeben groͤſtentheils eine<lb/> Erfindung der Sineſen und Jndianer ſind, von<lb/> denen ſie ihm geſchenckt worden. Nach dem Jn-<lb/> ventario, welches im <hi rendition="#aq">LXXXVII.</hi> St. befindlich<lb/> iſt, ſind die merckwuͤrdigſten darunter folgende:<lb/> Ein <hi rendition="#fr">Wetterglas,</hi> den guten und ſchlechten Ge-<lb/> ſchmack aller Scribenten und anderer vorkom-<lb/> menden Perſonen zu erkennen; eine <hi rendition="#fr">philoſophi-<lb/> ſche Uhr,</hi> welche von der Laͤnge oder Kuͤrtze des<lb/> menſchlichen Lebens die eigentlichſte Rechnung<lb/> giebt; ein <hi rendition="#fr">Pe-kad-en-noſch,</hi> die Aufrichtigkeit<lb/> des Hertzens zu pruͤffen; und ein <hi rendition="#fr">blaues Waſſer,</hi><lb/> das den Unterſchied der menſchlichen Leidenſchaf-<lb/> ten auf eine verwundernswuͤrdige Art anzeiget.<lb/> Dazu koͤmmt dann ferners das im <hi rendition="#aq">CLIII.</hi> St.<lb/> angezogene <hi rendition="#fr">Traumkuͤſſen,</hi> und der im <hi rendition="#aq">LXXXVII.</hi><lb/> St. geruͤhmte <hi rendition="#fr">Univerſal-Schnupftoback fuͤr das<lb/> Gedaͤchtniß,</hi> ꝛc. ꝛc. Man beliebe erſtlich uͤber-<lb/> haupt anzumercken, daß alle dieſe Erfindungen<lb/> ſelbſt nach der Abſicht des Erfinders keinen andern<lb/> Nutzen haben koͤnnen, als die Entdeckungen des<lb/> Patrioten uͤber den moraliſchen Zuſtand des Men-<lb/> ſchen wahrſcheinlich zu machen; nun ſind aber<lb/> ſeine Entdeckungen ſo beſchaffen, daß niemandem<lb/> in den Sinn kommen wird, die Moͤglichkeit der-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">F 2</fw><fw place="bottom" type="catch">ſelben</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [83/0083]
von den Dichtungen.
ungluͤcklich verrathen, daß er zu ſo hohen Dingen
nicht abgerichtet ſey. Wir wollen zum Beweiſe
deſſen das allegoriſche Raritaͤten,-Cabinet deſſel-
ben, wovon er im CLIII. St. unter dieſem Nah-
men Meldung thut, mit aufmerckſamen Augen
betrachten. Jn demſelben befinden ſich verſchie-
dene allegoriſche Jnſtrumente u. Maſchinen, die
nach des Patrioten Vorgeben groͤſtentheils eine
Erfindung der Sineſen und Jndianer ſind, von
denen ſie ihm geſchenckt worden. Nach dem Jn-
ventario, welches im LXXXVII. St. befindlich
iſt, ſind die merckwuͤrdigſten darunter folgende:
Ein Wetterglas, den guten und ſchlechten Ge-
ſchmack aller Scribenten und anderer vorkom-
menden Perſonen zu erkennen; eine philoſophi-
ſche Uhr, welche von der Laͤnge oder Kuͤrtze des
menſchlichen Lebens die eigentlichſte Rechnung
giebt; ein Pe-kad-en-noſch, die Aufrichtigkeit
des Hertzens zu pruͤffen; und ein blaues Waſſer,
das den Unterſchied der menſchlichen Leidenſchaf-
ten auf eine verwundernswuͤrdige Art anzeiget.
Dazu koͤmmt dann ferners das im CLIII. St.
angezogene Traumkuͤſſen, und der im LXXXVII.
St. geruͤhmte Univerſal-Schnupftoback fuͤr das
Gedaͤchtniß, ꝛc. ꝛc. Man beliebe erſtlich uͤber-
haupt anzumercken, daß alle dieſe Erfindungen
ſelbſt nach der Abſicht des Erfinders keinen andern
Nutzen haben koͤnnen, als die Entdeckungen des
Patrioten uͤber den moraliſchen Zuſtand des Men-
ſchen wahrſcheinlich zu machen; nun ſind aber
ſeine Entdeckungen ſo beſchaffen, daß niemandem
in den Sinn kommen wird, die Moͤglichkeit der-
ſelben
F 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |