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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742.

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von den deutschen Poeten.
Und wie man sagt und glaubt hat er also gesprochen.

Ha, wie zierlich ist dieses! Es hat etwas so pos-
sierliches in sich, das mich aus mich selber setzt.
Es gehört ein glückliches Naturell dazu, wenn
man das Possierliche mit dem Erhabenen geschickt
vermischen soll; und eben in diesem Stücke sind
die deutschen Poeten vortrefflich. Wenn ich die-
se Worte Neukirchs lese, so dünckt es mich, ich
lese ein Mährgen im La Fontaine, in welchem
nicht viel übrige Wahrscheinlichkeit ist; und
wo dieser scharfsinnige Verfasser mir sagt, daß
er vor die Geschichte nicht gut stehen wolle, wel-
ches er in seiner marotischen Schreibart so vor-
trägt, er gebe sie, wie er sie eingenommen
habe.
Das Mißtrauen, welches La Fontaine
dadurch bey dem Leser erwecket, belustiget ihn
eben so sehr, als die Geschichte selbst. Aber
was in einem Mährgen artig ist, das ist in ei-
nem heroischen und ernstlichen Gedichte, wie
Neukirchs seines ist, etwas recht scheußliches.

Jch würde niemahls fertig werden, werthe-
ster Freund, wenn ich alle die platten Stellen
aussetzen sollte, die ich in euren berühmtesten
Poeten gelesen habe. Jch weis deren noch eine
Menge im Neukirchen, im Opitzen (S), im
Gottscheden, im Kahnitzen; Brocks selbst ist

davon
(S) Jch muß diese Anmerckung wiedmen, den Vater
der deutschen Poesie, den grossen Opitz, und seinen getreuen
Schüler den Canitz, aus dem Haufen der matten Poeten
Deutschlandes zu sondern, und zum Theil gegen den Hr.
Mauvillon zu vertheidigen. Opitz hat das Zeugniß des
gros-
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von den deutſchen Poeten.
Und wie man ſagt und glaubt hat er alſo geſprochen.

Ha, wie zierlich iſt dieſes! Es hat etwas ſo poſ-
ſierliches in ſich, das mich aus mich ſelber ſetzt.
Es gehoͤrt ein gluͤckliches Naturell dazu, wenn
man das Poſſierliche mit dem Erhabenen geſchickt
vermiſchen ſoll; und eben in dieſem Stuͤcke ſind
die deutſchen Poeten vortrefflich. Wenn ich die-
ſe Worte Neukirchs leſe, ſo duͤnckt es mich, ich
leſe ein Maͤhrgen im La Fontaine, in welchem
nicht viel uͤbrige Wahrſcheinlichkeit iſt; und
wo dieſer ſcharfſinnige Verfaſſer mir ſagt, daß
er vor die Geſchichte nicht gut ſtehen wolle, wel-
ches er in ſeiner marotiſchen Schreibart ſo vor-
traͤgt, er gebe ſie, wie er ſie eingenommen
habe.
Das Mißtrauen, welches La Fontaine
dadurch bey dem Leſer erwecket, beluſtiget ihn
eben ſo ſehr, als die Geſchichte ſelbſt. Aber
was in einem Maͤhrgen artig iſt, das iſt in ei-
nem heroiſchen und ernſtlichen Gedichte, wie
Neukirchs ſeines iſt, etwas recht ſcheußliches.

Jch wuͤrde niemahls fertig werden, werthe-
ſter Freund, wenn ich alle die platten Stellen
ausſetzen ſollte, die ich in euren beruͤhmteſten
Poeten geleſen habe. Jch weis deren noch eine
Menge im Neukirchen, im Opitzen (S), im
Gottſcheden, im Kahnitzen; Brocks ſelbſt iſt

davon
(S) Jch muß dieſe Anmerckung wiedmen, den Vater
der deutſchen Poeſie, den groſſen Opitz, und ſeinen getreuen
Schuͤler den Canitz, aus dem Haufen der matten Poeten
Deutſchlandes zu ſondern, und zum Theil gegen den Hr.
Mauvillon zu vertheidigen. Opitz hat das Zeugniß des
groſ-
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[69/0069] von den deutſchen Poeten. Und wie man ſagt und glaubt hat er alſo geſprochen. Ha, wie zierlich iſt dieſes! Es hat etwas ſo poſ- ſierliches in ſich, das mich aus mich ſelber ſetzt. Es gehoͤrt ein gluͤckliches Naturell dazu, wenn man das Poſſierliche mit dem Erhabenen geſchickt vermiſchen ſoll; und eben in dieſem Stuͤcke ſind die deutſchen Poeten vortrefflich. Wenn ich die- ſe Worte Neukirchs leſe, ſo duͤnckt es mich, ich leſe ein Maͤhrgen im La Fontaine, in welchem nicht viel uͤbrige Wahrſcheinlichkeit iſt; und wo dieſer ſcharfſinnige Verfaſſer mir ſagt, daß er vor die Geſchichte nicht gut ſtehen wolle, wel- ches er in ſeiner marotiſchen Schreibart ſo vor- traͤgt, er gebe ſie, wie er ſie eingenommen habe. Das Mißtrauen, welches La Fontaine dadurch bey dem Leſer erwecket, beluſtiget ihn eben ſo ſehr, als die Geſchichte ſelbſt. Aber was in einem Maͤhrgen artig iſt, das iſt in ei- nem heroiſchen und ernſtlichen Gedichte, wie Neukirchs ſeines iſt, etwas recht ſcheußliches. Jch wuͤrde niemahls fertig werden, werthe- ſter Freund, wenn ich alle die platten Stellen ausſetzen ſollte, die ich in euren beruͤhmteſten Poeten geleſen habe. Jch weis deren noch eine Menge im Neukirchen, im Opitzen (S), im Gottſcheden, im Kahnitzen; Brocks ſelbſt iſt davon (S) Jch muß dieſe Anmerckung wiedmen, den Vater der deutſchen Poeſie, den groſſen Opitz, und ſeinen getreuen Schuͤler den Canitz, aus dem Haufen der matten Poeten Deutſchlandes zu ſondern, und zum Theil gegen den Hr. Mauvillon zu vertheidigen. Opitz hat das Zeugniß des groſ- E 3

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung05_1742/69>, abgerufen am 23.11.2024.