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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.

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Von der Schreibart
brechen, solche jüngst erfundene Dinge und Be-
griffe, die noch keine Nahmen bey uns haben,
mit denjenigen zu benennen, mit welchen sie von
einer andern Nation schon bezeichnet worden, zu-
mahl wenn wir die Erkenntniß derselben eben von
Fremden bekommen haben. Einige mahl, in-
sonderheit in Begriffen und Sachen, die von
deutscher Erfindung sind, wird man freylich
sich noch ziemlich wohl aus seinem eigenen helffen
können, wovon ich unten bey Gelegenheit der
neugeprägten Wörter etwas mehrers sagen werde.

Diejenigen, die eine Sache zuerst erfunden
haben, sind ohne Zweifel am meisten berechtiget,
ihr einen Nahmen zu geben; sie können es auch
mit der meisten Geschicklichkeit thun, weil sie die
Natur derselben am besten kennen. Was Oer-
ter, Länder, Städte, Gegenden, Berge, beson-
dere Menschen und Thiere anlangt, wird dieses
Recht denjenigen, so den ersten Besitz und die er-
ste Bekanntschaft davon gehabt haben, insgemei-
ne eingeräumet. Wir heissen darum Pantheon
und Rotonda den Tempel, den seine Stifter und
Besucher also genannt, wir heissen mit den my-
thologischen Poeten Elysium die anmuthreichen
Auen, die sie so genannt haben, Styr den Fluß, Cer-
berus
den Höllenhund, Pluto den Gott der Höl-
le; Gratien die Göttinnen der Holdseligkeit.
Eben so halten wir es mit Zeug und Geräthe.
Cothurn sagen wir, wenn wir den griechischen
Stifel der Personen im Trauerspiele, Jamben,
wenn wir einen gewissen Fuß des Griechischen und
Lateinischen Verses, Romanzen, wenn wir die

Erzeh-

Von der Schreibart
brechen, ſolche juͤngſt erfundene Dinge und Be-
griffe, die noch keine Nahmen bey uns haben,
mit denjenigen zu benennen, mit welchen ſie von
einer andern Nation ſchon bezeichnet worden, zu-
mahl wenn wir die Erkenntniß derſelben eben von
Fremden bekommen haben. Einige mahl, in-
ſonderheit in Begriffen und Sachen, die von
deutſcher Erfindung ſind, wird man freylich
ſich noch ziemlich wohl aus ſeinem eigenen helffen
koͤnnen, wovon ich unten bey Gelegenheit der
neugepraͤgten Woͤrter etwas mehrers ſagen werde.

Diejenigen, die eine Sache zuerſt erfunden
haben, ſind ohne Zweifel am meiſten berechtiget,
ihr einen Nahmen zu geben; ſie koͤnnen es auch
mit der meiſten Geſchicklichkeit thun, weil ſie die
Natur derſelben am beſten kennen. Was Oer-
ter, Laͤnder, Staͤdte, Gegenden, Berge, beſon-
dere Menſchen und Thiere anlangt, wird dieſes
Recht denjenigen, ſo den erſten Beſitz und die er-
ſte Bekanntſchaft davon gehabt haben, insgemei-
ne eingeraͤumet. Wir heiſſen darum Pantheon
und Rotonda den Tempel, den ſeine Stifter und
Beſucher alſo genannt, wir heiſſen mit den my-
thologiſchen Poeten Elyſium die anmuthreichen
Auen, die ſie ſo genannt haben, Styr den Fluß, Cer-
berus
den Hoͤllenhund, Pluto den Gott der Hoͤl-
le; Gratien die Goͤttinnen der Holdſeligkeit.
Eben ſo halten wir es mit Zeug und Geraͤthe.
Cothurn ſagen wir, wenn wir den griechiſchen
Stifel der Perſonen im Trauerſpiele, Jamben,
wenn wir einen gewiſſen Fuß des Griechiſchen und
Lateiniſchen Verſes, Romanzen, wenn wir die

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[90/0092] Von der Schreibart brechen, ſolche juͤngſt erfundene Dinge und Be- griffe, die noch keine Nahmen bey uns haben, mit denjenigen zu benennen, mit welchen ſie von einer andern Nation ſchon bezeichnet worden, zu- mahl wenn wir die Erkenntniß derſelben eben von Fremden bekommen haben. Einige mahl, in- ſonderheit in Begriffen und Sachen, die von deutſcher Erfindung ſind, wird man freylich ſich noch ziemlich wohl aus ſeinem eigenen helffen koͤnnen, wovon ich unten bey Gelegenheit der neugepraͤgten Woͤrter etwas mehrers ſagen werde. Diejenigen, die eine Sache zuerſt erfunden haben, ſind ohne Zweifel am meiſten berechtiget, ihr einen Nahmen zu geben; ſie koͤnnen es auch mit der meiſten Geſchicklichkeit thun, weil ſie die Natur derſelben am beſten kennen. Was Oer- ter, Laͤnder, Staͤdte, Gegenden, Berge, beſon- dere Menſchen und Thiere anlangt, wird dieſes Recht denjenigen, ſo den erſten Beſitz und die er- ſte Bekanntſchaft davon gehabt haben, insgemei- ne eingeraͤumet. Wir heiſſen darum Pantheon und Rotonda den Tempel, den ſeine Stifter und Beſucher alſo genannt, wir heiſſen mit den my- thologiſchen Poeten Elyſium die anmuthreichen Auen, die ſie ſo genannt haben, Styr den Fluß, Cer- berus den Hoͤllenhund, Pluto den Gott der Hoͤl- le; Gratien die Goͤttinnen der Holdſeligkeit. Eben ſo halten wir es mit Zeug und Geraͤthe. Cothurn ſagen wir, wenn wir den griechiſchen Stifel der Perſonen im Trauerſpiele, Jamben, wenn wir einen gewiſſen Fuß des Griechiſchen und Lateiniſchen Verſes, Romanzen, wenn wir die Erzeh-

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/92>, abgerufen am 23.11.2024.