[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.Von der possenhaften Schreibart. tung meines Amts, als Aufseher über die Klei-der-Tracht/ werde ichs machen, wie ein ge- schickter Gärtner/ und alle überflüssige Zwei- ge wegschneiden/ die nur den vornehmsten Stücken des Baums ihre Nahrung entziehen. So weit ist das Gleichniß erträglich. Aber es wird lächerlich, wenn er es weiter treibet: Zuerst wird mein Garten-Messer sich an die Reif- und Unterröcke machen/ welche etc. Hiernächst gedencke ich die grossen geknüpften Perücken/ die Haar-Beutel etc. unter mein Messer zu neh- men. Warum verwandelt er seine Feder in ein Garten-Messer, und nicht lieber in eine Scheer, oder ein Beil, oder einen Hirschfänger, welche ihm den Dienst, darzu er das Garten-Messer brauchte, eben sowohl oder besser thun könnten? N. 25. Er stellet mit seinen Gliedmassen eine Schlaf-Mütze vor. N. 40. Noch andere mußten es für die beste Augenweide halten/ wenn man gar nichts sehen kan. N. 39. Er hat einen Lehrer/ ich weiß nicht von wie viel Rechten und Lincken/ mit sich gebracht. N. 64. Sie meinten sie wären Flachs und befan- den sich in den Zähnen einer Hechel. Dahin gehören alle pöbelhafte Sprüchwörter und Re- densarten, deraleichen folgende sind. Pithago- ras ist kein Narr gewesen; sich zu Boden zanken; die sehr practische Kunst den Leu- ten die Köpfe einzuschlagen; dem Lands- Frieden nicht trauen; Sätze abwürtzen; eine hagenbüchene Politick etc. An dergleichen sind die Blätter des Patrioten sehr reich. Aber auch die Tadlerinnen verfallen zuweilen auf solche niedri- ge
Von der poſſenhaften Schreibart. tung meines Amts, als Aufſeher uͤber die Klei-der-Tracht/ werde ichs machen, wie ein ge- ſchickter Gaͤrtner/ und alle uͤberfluͤſſige Zwei- ge wegſchneiden/ die nur den vornehmſten Stuͤcken des Baums ihre Nahrung entziehen. So weit iſt das Gleichniß ertraͤglich. Aber es wird laͤcherlich, wenn er es weiter treibet: Zuerſt wird mein Garten-Meſſer ſich an die Reif- und Unterroͤcke machen/ welche ꝛc. Hiernaͤchſt gedencke ich die groſſen geknuͤpften Peruͤcken/ die Haar-Beutel ꝛc. unter mein Meſſer zu neh- men. Warum verwandelt er ſeine Feder in ein Garten-Meſſer, und nicht lieber in eine Scheer, oder ein Beil, oder einen Hirſchfaͤnger, welche ihm den Dienſt, darzu er das Garten-Meſſer brauchte, eben ſowohl oder beſſer thun koͤnnten? N. 25. Er ſtellet mit ſeinen Gliedmaſſen eine Schlaf-Muͤtze vor. N. 40. Noch andere mußten es fuͤr die beſte Augenweide halten/ wenn man gar nichts ſehen kan. N. 39. Er hat einen Lehrer/ ich weiß nicht von wie viel Rechten und Lincken/ mit ſich gebracht. N. 64. Sie meinten ſie waͤren Flachs und befan- den ſich in den Zaͤhnen einer Hechel. Dahin gehoͤren alle poͤbelhafte Spruͤchwoͤrter und Re- densarten, deraleichen folgende ſind. Pithago- ras iſt kein Narr geweſen; ſich zu Boden zanken; die ſehr practiſche Kunſt den Leu- ten die Koͤpfe einzuſchlagen; dem Lands- Frieden nicht trauen; Saͤtze abwuͤrtzen; eine hagenbuͤchene Politick ꝛc. An dergleichen ſind die Blaͤtter des Patrioten ſehr reich. Aber auch die Tadlerinnen verfallen zuweilen auf ſolche niedri- ge
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Von der poſſenhaften Schreibart.
tung meines Amts, als Aufſeher uͤber die Klei-
der-Tracht/ werde ichs machen, wie ein ge-
ſchickter Gaͤrtner/ und alle uͤberfluͤſſige Zwei-
ge wegſchneiden/ die nur den vornehmſten
Stuͤcken des Baums ihre Nahrung entziehen.
So weit iſt das Gleichniß ertraͤglich. Aber es
wird laͤcherlich, wenn er es weiter treibet: Zuerſt
wird mein Garten-Meſſer ſich an die Reif-
und Unterroͤcke machen/ welche ꝛc. Hiernaͤchſt
gedencke ich die groſſen geknuͤpften Peruͤcken/
die Haar-Beutel ꝛc. unter mein Meſſer zu neh-
men. Warum verwandelt er ſeine Feder in ein
Garten-Meſſer, und nicht lieber in eine Scheer,
oder ein Beil, oder einen Hirſchfaͤnger, welche
ihm den Dienſt, darzu er das Garten-Meſſer
brauchte, eben ſowohl oder beſſer thun koͤnnten?
N. 25. Er ſtellet mit ſeinen Gliedmaſſen eine
Schlaf-Muͤtze vor. N. 40. Noch andere
mußten es fuͤr die beſte Augenweide halten/
wenn man gar nichts ſehen kan. N. 39. Er
hat einen Lehrer/ ich weiß nicht von wie viel
Rechten und Lincken/ mit ſich gebracht. N.
64. Sie meinten ſie waͤren Flachs und befan-
den ſich in den Zaͤhnen einer Hechel. Dahin
gehoͤren alle poͤbelhafte Spruͤchwoͤrter und Re-
densarten, deraleichen folgende ſind. Pithago-
ras iſt kein Narr geweſen; ſich zu Boden
zanken; die ſehr practiſche Kunſt den Leu-
ten die Koͤpfe einzuſchlagen; dem Lands-
Frieden nicht trauen; Saͤtze abwuͤrtzen; eine
hagenbuͤchene Politick ꝛc. An dergleichen ſind
die Blaͤtter des Patrioten ſehr reich. Aber auch
die Tadlerinnen verfallen zuweilen auf ſolche niedri-
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Zitationshilfe: | [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/33>, abgerufen am 16.07.2024. |