[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.Von der possenhaftigen Schreibart. WEnn die verblümte Schreibart keinen Ge- für
Von der poſſenhaftigen Schreibart. WEnn die verbluͤmte Schreibart keinen Ge- fuͤr
<TEI> <text> <body> <pb facs="#f0031" n="29"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Von der poſſenhaftigen Schreibart.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#in">W</hi>Enn die verbluͤmte Schreibart keinen Ge-<lb/> ſetzen noch Regeln folget, ſondern uͤber<lb/> die geſetzten Schrancken ausſchweiffet,<lb/> wenn die Aehnlichkeiten, die ſie in den Dingen<lb/> entdecket, allzu entfernt ſind; wenn entweder groſ-<lb/> ſe Dinge mit kleinen, oder kleine mit groſſen in<lb/> Vergleichung geſtellt werden; ſo verartet ſie in<lb/> die poſſenhaſte <hi rendition="#fr">Schreibart.</hi> Von dieſer Art ſind<lb/> insgemeine die Ausdruͤcke des <hi rendition="#fr">Patrioten,</hi> ſo oft<lb/> er etwas Geiſtreiches vorbringen will. Jch darf<lb/> nur hier und dort einige Blaͤter aufſchlagen, ſo<lb/> werden ſich Exempel vollauf hervorthun, dieſe<lb/> elende Schreibart nach ihrer Haͤßlichkeit vor Au-<lb/> gen zu legen. <hi rendition="#aq">N.</hi> 1. faͤllt mir gleich der Titel in<lb/> die Augen: <hi rendition="#fr">An alle meine Mitbuͤrger in und<lb/> auſſer Hamburg/ in Staͤdten/ Doͤrffern und<lb/> Flecken.</hi> Jch kan nicht wiſſen/ ob er ſeine Blaͤter nur<lb/> den Hamburgern, ſie wohnen jetzt in oder auſſer<lb/> der Stadt, wiedmen will; doch ich lerne aus<lb/> dem Verfolge, daß ſeine Anrede an alle Men-<lb/> ſchen, die er fuͤr ſeine Mitbuͤrger haͤlt, gerichtet<lb/> iſt: Nur ſchade, daß dieſelbigen nicht in einer<lb/> allgemeinen Schrift gedruckt ſind; oder daß die<lb/> wenigſten ſeiner Mitbuͤrger deutſch verſtehen!<lb/> Aber was dieſe Zuſchrift recht poſſierlich machet,<lb/> iſt die Proportion, welche er in der Eintheilung<lb/> des menſchlichen Geſchlechtes beobachtet hat: An<lb/> die Hamburger und uͤbrige Menſchen. Er kan<lb/> auf dem <hi rendition="#aq">Globo</hi> ſehen, was ſeine <hi rendition="#fr">Reſidentz-Stadt</hi><lb/> mit dem uͤbrigen Raum der Erdkugel verglichen,<lb/> <fw place="bottom" type="catch">fuͤr</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [29/0031]
Von der poſſenhaftigen Schreibart.
WEnn die verbluͤmte Schreibart keinen Ge-
ſetzen noch Regeln folget, ſondern uͤber
die geſetzten Schrancken ausſchweiffet,
wenn die Aehnlichkeiten, die ſie in den Dingen
entdecket, allzu entfernt ſind; wenn entweder groſ-
ſe Dinge mit kleinen, oder kleine mit groſſen in
Vergleichung geſtellt werden; ſo verartet ſie in
die poſſenhaſte Schreibart. Von dieſer Art ſind
insgemeine die Ausdruͤcke des Patrioten, ſo oft
er etwas Geiſtreiches vorbringen will. Jch darf
nur hier und dort einige Blaͤter aufſchlagen, ſo
werden ſich Exempel vollauf hervorthun, dieſe
elende Schreibart nach ihrer Haͤßlichkeit vor Au-
gen zu legen. N. 1. faͤllt mir gleich der Titel in
die Augen: An alle meine Mitbuͤrger in und
auſſer Hamburg/ in Staͤdten/ Doͤrffern und
Flecken. Jch kan nicht wiſſen/ ob er ſeine Blaͤter nur
den Hamburgern, ſie wohnen jetzt in oder auſſer
der Stadt, wiedmen will; doch ich lerne aus
dem Verfolge, daß ſeine Anrede an alle Men-
ſchen, die er fuͤr ſeine Mitbuͤrger haͤlt, gerichtet
iſt: Nur ſchade, daß dieſelbigen nicht in einer
allgemeinen Schrift gedruckt ſind; oder daß die
wenigſten ſeiner Mitbuͤrger deutſch verſtehen!
Aber was dieſe Zuſchrift recht poſſierlich machet,
iſt die Proportion, welche er in der Eintheilung
des menſchlichen Geſchlechtes beobachtet hat: An
die Hamburger und uͤbrige Menſchen. Er kan
auf dem Globo ſehen, was ſeine Reſidentz-Stadt
mit dem uͤbrigen Raum der Erdkugel verglichen,
fuͤr
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