[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.Von der verblümten Schreibart. nen finde, oder daß solcher jemand verborgen bleibenkönne, wenn er gleich, wie in den Metaphoren geschieht, nicht angezeiget wird. Er sieht auch nicht, daß sein Grundsatz ihn so weit führet, daß er nach demselben uns alle neuen und unerhörten Gleichnisse verbieten müßte: Weil die Metaphoren nichts anders sind, als abgekürtzte Vergleichungen. Er sollte sich erklären ob er die Ueber- einstimmung, die sich zum Ex. zwischen dem Haupt, der Stirn, und dem Halse einer Blume und eines Men- schen befindet, nicht erkenne, und ob ihm diese so uner- hört sey, oder wenn er sie erkennet, ob er darum uns nicht erlaubet, eine Metapher daraus zu formieren, weil dieses noch von niemanden geschehen ist? Wenn das ist, so wird er uns sagen müssen, was ihm erhört oder un- erhört sey, und es scheinet, daß seine Sprache und Re- dekunst gar trucken und leblos herauskommen werden. Haben die Blumen Haupt, Stirne, und Hals, sagt er, warum nicht auch eine Nase, Ohren und Schul- tern? Will er denn haben, daß niemahls zwey Dinge mit einander verglichen werden, welche nicht in allen Theilen und Stücken mit einander übereinstimmen, das ist, wel- che nicht einerley sind? Allein ich verweise ihn auf den siebenten Abschnitt der Fortsetzung der critischen Dichtkunst Bl. 331. Jch sage nichts von der Anmerckung, womit er seine Critick zu verstärcken sucht, daß in der ungebun- denen Schreibart nicht alles erlaubt sey, was in der Poe- sie vergönnet wird, denn die Schrift, darinnen Rubens sich der angetasteten Redensart bedienet hat, ist eben pro- saisch-poetisch, Poesie in Prosa. Endlich, wenn es ihm lächerlich vorkömmt, daß Rubens sich durch Hr. Brockes schützer, den er, wie er sagt, sonst so oft eines übeln Geschmacks beschuldiget hat, so sollte er gedacht haben, daß die aus demselben angeführten Exempel ihre Kraft nicht von dieses berühmten Mannes Ansehen, son- dern von ihrer Uebereinstimmung zwischen den Bildern, bekommen sollen. Und scheint es ihm lächerlich, daß ein Kunstrichter in einem Buche von ve mischtem Witze einige Sachen tadelt, andere verwirfft; hält er vor weiser und billiger, daß in einem Wercke alles entweder verurtheilt, oder erhoben werde? Von der verbluͤmten Schreibart. nen finde, oder daß ſolcher jemand verborgen bleibenkoͤnne, wenn er gleich, wie in den Metaphoren geſchieht, nicht angezeiget wird. Er ſieht auch nicht, daß ſein Grundſatz ihn ſo weit fuͤhret, daß er nach demſelben uns alle neuen und unerhoͤrten Gleichniſſe verbieten muͤßte: Weil die Metaphoren nichts anders ſind, als abgekuͤrtzte Vergleichungen. Er ſollte ſich erklaͤren ob er die Ueber- einſtimmung, die ſich zum Ex. zwiſchen dem Haupt, der Stirn, und dem Halſe einer Blume und eines Men- ſchen befindet, nicht erkenne, und ob ihm dieſe ſo uner- hoͤrt ſey, oder wenn er ſie erkennet, ob er darum uns nicht erlaubet, eine Metapher daraus zu formieren, weil dieſes noch von niemanden geſchehen iſt? Wenn das iſt, ſo wird er uns ſagen muͤſſen, was ihm erhoͤrt oder un- erhoͤrt ſey, und es ſcheinet, daß ſeine Sprache und Re- dekunſt gar trucken und leblos herauskommen werden. Haben die Blumen Haupt, Stirne, und Hals, ſagt er, warum nicht auch eine Naſe, Ohren und Schul- tern? Will er denn haben, daß niemahls zwey Dinge mit einander verglichen werden, welche nicht in allen Theilen und Stuͤcken mit einander uͤbereinſtimmen, das iſt, wel- che nicht einerley ſind? Allein ich verweiſe ihn auf den ſiebenten Abſchnitt der Fortſetzung der critiſchen Dichtkunſt Bl. 331. Jch ſage nichts von der Anmerckung, womit er ſeine Critick zu verſtaͤrcken ſucht, daß in der ungebun- denen Schreibart nicht alles erlaubt ſey, was in der Poe- ſie vergoͤnnet wird, denn die Schrift, darinnen Rubens ſich der angetaſteten Redensart bedienet hat, iſt eben pro- ſaiſch-poetiſch, Poeſie in Proſa. Endlich, wenn es ihm laͤcherlich vorkoͤmmt, daß Rubens ſich durch Hr. Brockes ſchuͤtzer, den er, wie er ſagt, ſonſt ſo oft eines uͤbeln Geſchmacks beſchuldiget hat, ſo ſollte er gedacht haben, daß die aus demſelben angefuͤhrten Exempel ihre Kraft nicht von dieſes beruͤhmten Mannes Anſehen, ſon- dern von ihrer Uebereinſtimmung zwiſchen den Bildern, bekommen ſollen. Und ſcheint es ihm laͤcherlich, daß ein Kunſtrichter in einem Buche von ve miſchtem Witze einige Sachen tadelt, andere verwirfft; haͤlt er vor weiſer und billiger, daß in einem Wercke alles entweder verurtheilt, oder erhoben werde? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <note place="end"><pb facs="#f0030" n="28"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von der verbluͤmten Schreibart.</hi></fw><lb/> nen finde, oder daß ſolcher jemand verborgen bleiben<lb/> koͤnne, wenn er gleich, wie in den Metaphoren geſchieht,<lb/> nicht angezeiget wird. Er ſieht auch nicht, daß ſein<lb/> Grundſatz ihn ſo weit fuͤhret, daß er nach demſelben uns<lb/> alle neuen und unerhoͤrten Gleichniſſe verbieten muͤßte:<lb/> Weil die Metaphoren nichts anders ſind, als abgekuͤrtzte<lb/> Vergleichungen. 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Von der verbluͤmten Schreibart.
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Grundſatz ihn ſo weit fuͤhret, daß er nach demſelben uns
alle neuen und unerhoͤrten Gleichniſſe verbieten muͤßte:
Weil die Metaphoren nichts anders ſind, als abgekuͤrtzte
Vergleichungen. Er ſollte ſich erklaͤren ob er die Ueber-
einſtimmung, die ſich zum Ex. zwiſchen dem Haupt, der
Stirn, und dem Halſe einer Blume und eines Men-
ſchen befindet, nicht erkenne, und ob ihm dieſe ſo uner-
hoͤrt ſey, oder wenn er ſie erkennet, ob er darum uns
nicht erlaubet, eine Metapher daraus zu formieren, weil
dieſes noch von niemanden geſchehen iſt? Wenn das iſt,
ſo wird er uns ſagen muͤſſen, was ihm erhoͤrt oder un-
erhoͤrt ſey, und es ſcheinet, daß ſeine Sprache und Re-
dekunſt gar trucken und leblos herauskommen werden.
Haben die Blumen Haupt, Stirne, und Hals, ſagt
er, warum nicht auch eine Naſe, Ohren und Schul-
tern? Will er denn haben, daß niemahls zwey Dinge mit
einander verglichen werden, welche nicht in allen Theilen
und Stuͤcken mit einander uͤbereinſtimmen, das iſt, wel-
che nicht einerley ſind? Allein ich verweiſe ihn auf den
ſiebenten Abſchnitt der Fortſetzung der critiſchen Dichtkunſt
Bl. 331. Jch ſage nichts von der Anmerckung, womit
er ſeine Critick zu verſtaͤrcken ſucht, daß in der ungebun-
denen Schreibart nicht alles erlaubt ſey, was in der Poe-
ſie vergoͤnnet wird, denn die Schrift, darinnen Rubens
ſich der angetaſteten Redensart bedienet hat, iſt eben pro-
ſaiſch-poetiſch, Poeſie in Proſa. Endlich, wenn es
ihm laͤcherlich vorkoͤmmt, daß Rubens ſich durch Hr.
Brockes ſchuͤtzer, den er, wie er ſagt, ſonſt ſo oft eines
uͤbeln Geſchmacks beſchuldiget hat, ſo ſollte er gedacht
haben, daß die aus demſelben angefuͤhrten Exempel ihre
Kraft nicht von dieſes beruͤhmten Mannes Anſehen, ſon-
dern von ihrer Uebereinſtimmung zwiſchen den Bildern,
bekommen ſollen. Und ſcheint es ihm laͤcherlich, daß ein
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