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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.

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Von der verblümten Schreibart.
tragen, die etc. Kan er dann nicht begreiffen,
wie der Winter das Eis auf die Berge hintra-
ge? Was könnte ähnlicher seyn, als das Glas
und das Eis? Trägt nicht der Winter den Schnee
herbey? Jch kan fast nicht errathen, was er an
dieser Stelle aussetzt. Horatz in dem Schreiben
an Mecenas drückt dieses noch kühner dergestalt aus:

Quod si Bruma nives Albanis illinet agris.

Aber warum mißfällt ihm folgende Redensart:
Die Freude säet über alle Sachen einen neuen
Glantz.
Es ist ja eine sehr übliche Redensart der
Mahler, die einem so grossen Kunstlehrer, als
Herr Philologus in seiner Einbildung ist, nicht
unbekannt seyn sollte. Jch gebe ihm darum den
wohlmeinenden Rath, daß er ein andermahl zu-
erst seine Kräfte prüffe, bevor er sich so verwegen
bloß giebt.

Sumite materiam vestris, qui scribitis, aequam
Viribus, & versate diu, quid ferre recusent,
Quid valeant humeri.
- - -
Horat. de A. P.

Anm. Der Herr Philologus hat um alles, was ihm
hier zur Vertheidigung dieser metaphorischen Redensarten
gesagt worden, sein Urtheil nicht geändert. Jn dem fünf
und siebenzigsten Blate des Biedermanns, in welchen
die Hällischen Tadlerinnen sich 1728 verwandelt haben,
ist ein Schreiben unter Philologi Nahmen eingerücket wor-
den, wo er seinen ersten Ausspruch davon wiederholet,
und vornehmlich damit behaupten will, weil diese Aus-
drücke im Deutschen unerhört seyn. Dennoch giebt er
nicht zu verstehen, daß er den Grund der Aehnlichkeit,
worauf dieselbe beruhen, nicht offenbar und richtig darin-
Von

Von der verbluͤmten Schreibart.
tragen, die ꝛc. Kan er dann nicht begreiffen,
wie der Winter das Eis auf die Berge hintra-
ge? Was koͤnnte aͤhnlicher ſeyn, als das Glas
und das Eis? Traͤgt nicht der Winter den Schnee
herbey? Jch kan faſt nicht errathen, was er an
dieſer Stelle ausſetzt. Horatz in dem Schreiben
an Mecenas druͤckt dieſes noch kuͤhner dergeſtalt aus:

Quod ſi Bruma nives Albanis illinet agris.

Aber warum mißfaͤllt ihm folgende Redensart:
Die Freude ſaͤet uͤber alle Sachen einen neuen
Glantz.
Es iſt ja eine ſehr uͤbliche Redensart der
Mahler, die einem ſo groſſen Kunſtlehrer, als
Herr Philologus in ſeiner Einbildung iſt, nicht
unbekannt ſeyn ſollte. Jch gebe ihm darum den
wohlmeinenden Rath, daß er ein andermahl zu-
erſt ſeine Kraͤfte pruͤffe, bevor er ſich ſo verwegen
bloß giebt.

Sumite materiam veſtris, qui ſcribitis, æquam
Viribus, & verſate diu, quid ferre recuſent,
Quid valeant humeri.
‒ ‒ ‒
Horat. de A. P.

Anm. Der Herr Philologus hat um alles, was ihm
hier zur Vertheidigung dieſer metaphoriſchen Redensarten
geſagt worden, ſein Urtheil nicht geaͤndert. Jn dem fuͤnf
und ſiebenzigſten Blate des Biedermanns, in welchen
die Haͤlliſchen Tadlerinnen ſich 1728 verwandelt haben,
iſt ein Schreiben unter Philologi Nahmen eingeruͤcket wor-
den, wo er ſeinen erſten Ausſpruch davon wiederholet,
und vornehmlich damit behaupten will, weil dieſe Aus-
druͤcke im Deutſchen unerhoͤrt ſeyn. Dennoch giebt er
nicht zu verſtehen, daß er den Grund der Aehnlichkeit,
worauf dieſelbe beruhen, nicht offenbar und richtig darin-
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[27/0029] Von der verbluͤmten Schreibart. tragen, die ꝛc. Kan er dann nicht begreiffen, wie der Winter das Eis auf die Berge hintra- ge? Was koͤnnte aͤhnlicher ſeyn, als das Glas und das Eis? Traͤgt nicht der Winter den Schnee herbey? Jch kan faſt nicht errathen, was er an dieſer Stelle ausſetzt. Horatz in dem Schreiben an Mecenas druͤckt dieſes noch kuͤhner dergeſtalt aus: Quod ſi Bruma nives Albanis illinet agris. Aber warum mißfaͤllt ihm folgende Redensart: Die Freude ſaͤet uͤber alle Sachen einen neuen Glantz. Es iſt ja eine ſehr uͤbliche Redensart der Mahler, die einem ſo groſſen Kunſtlehrer, als Herr Philologus in ſeiner Einbildung iſt, nicht unbekannt ſeyn ſollte. Jch gebe ihm darum den wohlmeinenden Rath, daß er ein andermahl zu- erſt ſeine Kraͤfte pruͤffe, bevor er ſich ſo verwegen bloß giebt. Sumite materiam veſtris, qui ſcribitis, æquam Viribus, & verſate diu, quid ferre recuſent, Quid valeant humeri. ‒ ‒ ‒ Horat. de A. P. Von Anm. Der Herr Philologus hat um alles, was ihm hier zur Vertheidigung dieſer metaphoriſchen Redensarten geſagt worden, ſein Urtheil nicht geaͤndert. Jn dem fuͤnf und ſiebenzigſten Blate des Biedermanns, in welchen die Haͤlliſchen Tadlerinnen ſich 1728 verwandelt haben, iſt ein Schreiben unter Philologi Nahmen eingeruͤcket wor- den, wo er ſeinen erſten Ausſpruch davon wiederholet, und vornehmlich damit behaupten will, weil dieſe Aus- druͤcke im Deutſchen unerhoͤrt ſeyn. Dennoch giebt er nicht zu verſtehen, daß er den Grund der Aehnlichkeit, worauf dieſelbe beruhen, nicht offenbar und richtig darin- nen

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/29>, abgerufen am 24.11.2024.