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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.

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der herrschenden Poeten.
wider unsre Herrschaft abermal aufzulehnen. Die-
ses ist nur das magere Gerippe meiner poetischen
Schöpfung, welches ich mit miltonischem Rie-
senwitz, einem prasselnden Feuer, einer bunt
durch einander gewürkten Belesenheit, einer
alpinischen Mundart, unerschöpflichen Gleich-
nissen
angekleidet u. überzogen habe. Jch schmeich-
le mir, daß ich die heroische Sprache Miltons
vollkommen nachgemacht habe, und darinnen be-
steht die scharfsinnigste Verspottung in meinem
Dichterkriege. Jst zum Exempel das nicht gut Mil-
tonisch geredet, wenn Merbods patriotischer
Eifer sich über uns sinnarme Wortkrämer
ängster, und wünschet, daß ein helvetischer
Geist, mit seinen centnerschweren Einfällen,
die leichten Sylben unsrer Gedichte schwän-
gern, und sie von unergründlichem Witze
trächtig machen mögte[?]
Dieses einzige Spott-
gedichte soll eine zulängliche Antwort auf alle
die Untersuchungen und Betrachtungen in sich ent-
halten, auf welche Greibertin und Merbod die
Lehrsäze und Entdekungen gründen, welche wider
unsre symbolischen Bücher und selbsterwehlte Re-
geln, die so leicht und gemächlich und doch so
fruchtbar an Ruhme sind, so grob anstossen. Es
soll nicht nöthig seyn, das zweyte Vuch zu dem
ersten zu versertigen; so sehr hat mich bey die-
sem die zehnte Muse unserer Zeiten begünstiget,
ob ich sie gleich nicht angeruffen habe, die künst-
liche Circe/ die aus unwissenden Köpfen gros-
se Dichter und aus magern Reimregistern nie-
mals versiegende Hippokrenen macht; ja Knit-

telverse
[Crit. Samml. III. St.] N

der herrſchenden Poeten.
wider unſre Herrſchaft abermal aufzulehnen. Die-
ſes iſt nur das magere Gerippe meiner poetiſchen
Schoͤpfung, welches ich mit miltoniſchem Rie-
ſenwitz, einem praſſelnden Feuer, einer bunt
durch einander gewuͤrkten Beleſenheit, einer
alpiniſchen Mundart, unerſchoͤpflichen Gleich-
niſſen
angekleidet u. uͤberzogen habe. Jch ſchmeich-
le mir, daß ich die heroiſche Sprache Miltons
vollkommen nachgemacht habe, und darinnen be-
ſteht die ſcharfſinnigſte Verſpottung in meinem
Dichterkriege. Jſt zum Exempel das nicht gut Mil-
toniſch geredet, wenn Merbods patriotiſcher
Eifer ſich uͤber uns ſinnarme Wortkraͤmer
aͤngſter, und wuͤnſchet, daß ein helvetiſcher
Geiſt, mit ſeinen centnerſchweren Einfaͤllen,
die leichten Sylben unſrer Gedichte ſchwaͤn-
gern, und ſie von unergruͤndlichem Witze
traͤchtig machen moͤgte[?]
Dieſes einzige Spott-
gedichte ſoll eine zulaͤngliche Antwort auf alle
die Unterſuchungen und Betrachtungen in ſich ent-
halten, auf welche Greibertin und Merbod die
Lehrſaͤze und Entdekungen gruͤnden, welche wider
unſre ſymboliſchen Buͤcher und ſelbſterwehlte Re-
geln, die ſo leicht und gemaͤchlich und doch ſo
fruchtbar an Ruhme ſind, ſo grob anſtoſſen. Es
ſoll nicht noͤthig ſeyn, das zweyte Vuch zu dem
erſten zu verſertigen; ſo ſehr hat mich bey die-
ſem die zehnte Muſe unſerer Zeiten beguͤnſtiget,
ob ich ſie gleich nicht angeruffen habe, die kuͤnſt-
liche Circe/ die aus unwiſſenden Koͤpfen groſ-
ſe Dichter und aus magern Reimregiſtern nie-
mals verſiegende Hippokrenen macht; ja Knit-

telverſe
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[193/0195] der herrſchenden Poeten. wider unſre Herrſchaft abermal aufzulehnen. Die- ſes iſt nur das magere Gerippe meiner poetiſchen Schoͤpfung, welches ich mit miltoniſchem Rie- ſenwitz, einem praſſelnden Feuer, einer bunt durch einander gewuͤrkten Beleſenheit, einer alpiniſchen Mundart, unerſchoͤpflichen Gleich- niſſen angekleidet u. uͤberzogen habe. Jch ſchmeich- le mir, daß ich die heroiſche Sprache Miltons vollkommen nachgemacht habe, und darinnen be- ſteht die ſcharfſinnigſte Verſpottung in meinem Dichterkriege. Jſt zum Exempel das nicht gut Mil- toniſch geredet, wenn Merbods patriotiſcher Eifer ſich uͤber uns ſinnarme Wortkraͤmer aͤngſter, und wuͤnſchet, daß ein helvetiſcher Geiſt, mit ſeinen centnerſchweren Einfaͤllen, die leichten Sylben unſrer Gedichte ſchwaͤn- gern, und ſie von unergruͤndlichem Witze traͤchtig machen moͤgte? Dieſes einzige Spott- gedichte ſoll eine zulaͤngliche Antwort auf alle die Unterſuchungen und Betrachtungen in ſich ent- halten, auf welche Greibertin und Merbod die Lehrſaͤze und Entdekungen gruͤnden, welche wider unſre ſymboliſchen Buͤcher und ſelbſterwehlte Re- geln, die ſo leicht und gemaͤchlich und doch ſo fruchtbar an Ruhme ſind, ſo grob anſtoſſen. Es ſoll nicht noͤthig ſeyn, das zweyte Vuch zu dem erſten zu verſertigen; ſo ſehr hat mich bey die- ſem die zehnte Muſe unſerer Zeiten beguͤnſtiget, ob ich ſie gleich nicht angeruffen habe, die kuͤnſt- liche Circe/ die aus unwiſſenden Koͤpfen groſ- ſe Dichter und aus magern Reimregiſtern nie- mals verſiegende Hippokrenen macht; ja Knit- telverſe [Crit. Sam̃l. III. St.] N

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/195>, abgerufen am 02.05.2024.