[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.Das Complot Deutschen Witz bekommen werden, wenn dieFranzosen den ihrigen werden vergessen haben (Y)? Oder soll ich in einer solchen die schweizerischen Kunsttadler vor Splitterrichter erklären, die ihre eigenen Balken nicht sehen (Z)? Soll ich sie in einem Gleichnisse in Corsaren verwandeln, die um guten Wind bitten, ein christliches Kaufmanns- schiff einzuholen (A a)? Oder soll ich um etliche Töne höher steigen; so will ich den Habsburgi- schen Ottobert nach derselben Art anpreisen, wie Addison und Merbod das verlohrne Paradies aus- gestrichen haben (B b); ich will einen Krieg der alpini- te sie endlich für blind, wofern sie es nicht erkennen könn- ten. Und siehe! endlich sahen die guten Leute auch, was sie doch nicht sahen; erzählten zu Hause grosse Dinge, und erzählten es so oft, bis sie selbst endlich glaubten, sie hättens gesehen, und bereit waren, darauf zu schwe- ren. Addison macht es eben so. Jm 4ten Art. des XXIV. Beytr. Bl. 656. (Y) Dieses ist von einem jungen Dichter in der Fa- bel von der Nachtigall und der Wachtel geschehen; im XXIVsten St. der Beyträge. Art. 12. Bl. 521. (Z) Hr. Gottsched selbst hat dieses in dem 75sten Bie- dermanne gethan, durch die Fabel von dem Spottvogel. (A a) Seht den Dichterkrieg Bl. 64. (B b) Hr. Gottsched glaubt, Bodmer hätte im Ot-
tobert, im Wittekind, oder in der Proserpina eben so viel vortreffliches finden können, als er im Milton ge- funden hat. Und er nimmt ihm für übel, daß er es lieber im Milton gesucht hat. Hätte er seinem Vaterlande, sagt er, eben den Dienst thun wollen, den Addison dem seinigen gethan hat; warum hat er nicht etwa einen Habspurgischen Ottoberr, eine Proserpina, oder einen Wittekind, oder sonst das Gedichte eines alten Schwei- zeri- Das Complot Deutſchen Witz bekommen werden, wenn dieFranzoſen den ihrigen werden vergeſſen haben (Y)? Oder ſoll ich in einer ſolchen die ſchweizeriſchen Kunſttadler vor Splitterrichter erklaͤren, die ihre eigenen Balken nicht ſehen (Z)? Soll ich ſie in einem Gleichniſſe in Corſaren verwandeln, die um guten Wind bitten, ein chriſtliches Kaufmanns- ſchiff einzuholen (A a)? Oder ſoll ich um etliche Toͤne hoͤher ſteigen; ſo will ich den Habsburgi- ſchen Ottobert nach derſelben Art anpreiſen, wie Addiſon und Merbod das verlohrne Paradies aus- geſtrichen haben (B b); ich will einen Krieg der alpini- te ſie endlich fuͤr blind, wofern ſie es nicht erkennen koͤnn- ten. Und ſiehe! endlich ſahen die guten Leute auch, was ſie doch nicht ſahen; erzaͤhlten zu Hauſe groſſe Dinge, und erzaͤhlten es ſo oft, bis ſie ſelbſt endlich glaubten, ſie haͤttens geſehen, und bereit waren, darauf zu ſchwe- ren. Addiſon macht es eben ſo. Jm 4ten Art. des XXIV. Beytr. Bl. 656. (Y) Dieſes iſt von einem jungen Dichter in der Fa- bel von der Nachtigall und der Wachtel geſchehen; im XXIVſten St. der Beytraͤge. Art. 12. Bl. 521. (Z) Hr. Gottſched ſelbſt hat dieſes in dem 75ſten Bie- dermanne gethan, durch die Fabel von dem Spottvogel. (A a) Seht den Dichterkrieg Bl. 64. (B b) Hr. Gottſched glaubt, Bodmer haͤtte im Ot-
tobert, im Wittekind, oder in der Proſerpina eben ſo viel vortreffliches finden koͤnnen, als er im Milton ge- funden hat. Und er nimmt ihm fuͤr uͤbel, daß er es lieber im Milton geſucht hat. Haͤtte er ſeinem Vaterlande, ſagt er, eben den Dienſt thun wollen, den Addiſon dem ſeinigen gethan hat; warum hat er nicht etwa einen Habſpurgiſchen Ottoberr, eine Proſerpina, oder einen Wittekind, oder ſonſt das Gedichte eines alten Schwei- zeri- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0192" n="190"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das Complot</hi></fw><lb/> Deutſchen Witz bekommen werden, wenn die<lb/> Franzoſen den ihrigen werden vergeſſen haben <note place="foot" n="(Y)">Dieſes iſt von einem jungen Dichter in der Fa-<lb/> bel von der Nachtigall und der Wachtel geſchehen; im<lb/><hi rendition="#aq">XXIV</hi>ſten St. der Beytraͤge. Art. 12. Bl. 521.</note>?<lb/> Oder ſoll ich in einer ſolchen die ſchweizeriſchen<lb/> Kunſttadler vor Splitterrichter erklaͤren, die ihre<lb/> eigenen Balken nicht ſehen <note place="foot" n="(Z)">Hr. Gottſched ſelbſt hat dieſes in dem 75ſten Bie-<lb/> dermanne gethan, durch die Fabel von dem Spottvogel.</note>? Soll ich ſie in<lb/> einem Gleichniſſe in Corſaren verwandeln, die<lb/> um guten Wind bitten, ein chriſtliches Kaufmanns-<lb/> ſchiff einzuholen <note place="foot" n="(A a)">Seht den Dichterkrieg Bl. 64.</note>? Oder ſoll ich um etliche<lb/> Toͤne hoͤher ſteigen; ſo will ich den Habsburgi-<lb/> ſchen Ottobert nach derſelben Art anpreiſen, wie<lb/> Addiſon und Merbod das verlohrne Paradies aus-<lb/> geſtrichen haben <note xml:id="f17" next="#f18" place="foot" n="(B b)">Hr. Gottſched glaubt, Bodmer haͤtte im Ot-<lb/> tobert, im Wittekind, oder in der Proſerpina eben ſo<lb/> viel vortreffliches finden koͤnnen, als er im Milton ge-<lb/> funden hat. Und er nimmt ihm fuͤr uͤbel, daß er es lieber<lb/> im Milton geſucht hat. <hi rendition="#fr">Haͤtte er ſeinem Vaterlande,</hi> ſagt<lb/> er, <hi rendition="#fr">eben den Dienſt thun wollen, den Addiſon dem<lb/> ſeinigen gethan hat; warum hat er nicht etwa einen<lb/> Habſpurgiſchen Ottoberr, eine Proſerpina, oder einen<lb/> Wittekind, oder ſonſt das Gedichte eines alten Schwei-</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">zeri-</hi></fw></note>; ich will einen Krieg der<lb/> <fw place="bottom" type="catch">alpini-</fw><lb/><note xml:id="f16" prev="#f15" place="foot" n="(X)">te ſie endlich fuͤr blind, wofern ſie es nicht erkennen koͤnn-<lb/> ten. Und ſiehe! endlich ſahen die guten Leute auch, was<lb/> ſie doch nicht ſahen; erzaͤhlten zu Hauſe groſſe Dinge,<lb/> und erzaͤhlten es ſo oft, bis ſie ſelbſt endlich glaubten,<lb/> ſie haͤttens geſehen, und bereit waren, darauf zu ſchwe-<lb/> ren. Addiſon macht es eben ſo. <hi rendition="#fr">Jm 4ten Art. des</hi> <hi rendition="#aq">XXIV.</hi><lb/><hi rendition="#fr">Beytr. Bl.</hi> 656.</note><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [190/0192]
Das Complot
Deutſchen Witz bekommen werden, wenn die
Franzoſen den ihrigen werden vergeſſen haben (Y)?
Oder ſoll ich in einer ſolchen die ſchweizeriſchen
Kunſttadler vor Splitterrichter erklaͤren, die ihre
eigenen Balken nicht ſehen (Z)? Soll ich ſie in
einem Gleichniſſe in Corſaren verwandeln, die
um guten Wind bitten, ein chriſtliches Kaufmanns-
ſchiff einzuholen (A a)? Oder ſoll ich um etliche
Toͤne hoͤher ſteigen; ſo will ich den Habsburgi-
ſchen Ottobert nach derſelben Art anpreiſen, wie
Addiſon und Merbod das verlohrne Paradies aus-
geſtrichen haben (B b); ich will einen Krieg der
alpini-
(X)
(Y) Dieſes iſt von einem jungen Dichter in der Fa-
bel von der Nachtigall und der Wachtel geſchehen; im
XXIVſten St. der Beytraͤge. Art. 12. Bl. 521.
(Z) Hr. Gottſched ſelbſt hat dieſes in dem 75ſten Bie-
dermanne gethan, durch die Fabel von dem Spottvogel.
(A a) Seht den Dichterkrieg Bl. 64.
(B b) Hr. Gottſched glaubt, Bodmer haͤtte im Ot-
tobert, im Wittekind, oder in der Proſerpina eben ſo
viel vortreffliches finden koͤnnen, als er im Milton ge-
funden hat. Und er nimmt ihm fuͤr uͤbel, daß er es lieber
im Milton geſucht hat. Haͤtte er ſeinem Vaterlande, ſagt
er, eben den Dienſt thun wollen, den Addiſon dem
ſeinigen gethan hat; warum hat er nicht etwa einen
Habſpurgiſchen Ottoberr, eine Proſerpina, oder einen
Wittekind, oder ſonſt das Gedichte eines alten Schwei-
zeri-
(X) te ſie endlich fuͤr blind, wofern ſie es nicht erkennen koͤnn-
ten. Und ſiehe! endlich ſahen die guten Leute auch, was
ſie doch nicht ſahen; erzaͤhlten zu Hauſe groſſe Dinge,
und erzaͤhlten es ſo oft, bis ſie ſelbſt endlich glaubten,
ſie haͤttens geſehen, und bereit waren, darauf zu ſchwe-
ren. Addiſon macht es eben ſo. Jm 4ten Art. des XXIV.
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