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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.

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von gelehrten Schriften.
Officier, der die Lettres germaniques geschrie-
ben hat, in dem Xten Brief Bl. 355. bekennet:
Il n'est point etonnant de voir ici un Bouffon
en titre d'Office.
Und an einem andern Orte
Bl. 349. En Allemagne un homme d'esprit
& un bouffon, ne sont qu'une meme chose.

Und bald hernach: Il n'y a que les bouffons,
qui fassent fortune dans ce pays.
Wenn
nach dem eigenen Geständniß dieses Franzosen ein
bouffon und ein homme d'esprit gleichgültig
sind, mit was vor einem Gewissen kan derselbige
denn den Deutschen den Witz absprechen?

Das vierte St. dieser Sammlung ist eine Sap-
phische Ode von Hrn. Magister Th. L. Pit-
schel
an seinen Hrn. Bruder D. Friedr. L. Pit-
schel,
von der Unsinnigkeit der Gottes-Veräch-
ter. Bl. 45. Diese Ode ist wohl geschrieben, und
verdienet, sowohl in Absicht auf die Verse, als
die Flüssigkeit der Schreibart, und den Schwung
der Gedanken ihr billiges Lob. Nur kan man
mit Grund sagen, daß sie ausser der Sapphischen
Scansion und dem Reime nicht viel poetisches an
sich habe; welches Urtheil aber nicht die Ausfüh-
rung tadelt; sondern eine andere Absicht als Hr.
Pitschel gehabt, zum Grund der Ausführung er-
fodern würde. Die erste Strophe lautet:

Jst es auch möglich, daß aus Welt und Sternen
Sehende Menschen Gott verkennen lernen?
Daß wir den Schöpfer unter Kraut und Thieren
Gäntzlich verlieren?

Mich will fast bedünken, daß die Sternen dem
Reime zu gefallen auf der ersten Zeile erschienen
seyn, zumahlen da sie den Begriff von der Welt

nicht

von gelehrten Schriften.
Officier, der die Lettres germaniques geſchrie-
ben hat, in dem Xten Brief Bl. 355. bekennet:
Il n’eſt point étonnant de voir ici un Bouffon
en titre d’Office.
Und an einem andern Orte
Bl. 349. En Allemagne un homme d’eſprit
& un bouffon, ne ſont qu’une même choſe.

Und bald hernach: Il n’y a que les bouffons,
qui faſſent fortune dans ce pays.
Wenn
nach dem eigenen Geſtaͤndniß dieſes Franzoſen ein
bouffon und ein homme d’eſprit gleichguͤltig
ſind, mit was vor einem Gewiſſen kan derſelbige
denn den Deutſchen den Witz abſprechen?

Das vierte St. dieſer Sammlung iſt eine Sap-
phiſche Ode von Hrn. Magiſter Th. L. Pit-
ſchel
an ſeinen Hrn. Bruder D. Friedr. L. Pit-
ſchel,
von der Unſinnigkeit der Gottes-Veraͤch-
ter. Bl. 45. Dieſe Ode iſt wohl geſchrieben, und
verdienet, ſowohl in Abſicht auf die Verſe, als
die Fluͤſſigkeit der Schreibart, und den Schwung
der Gedanken ihr billiges Lob. Nur kan man
mit Grund ſagen, daß ſie auſſer der Sapphiſchen
Scanſion und dem Reime nicht viel poetiſches an
ſich habe; welches Urtheil aber nicht die Ausfuͤh-
rung tadelt; ſondern eine andere Abſicht als Hr.
Pitſchel gehabt, zum Grund der Ausfuͤhrung er-
fodern wuͤrde. Die erſte Strophe lautet:

Jſt es auch moͤglich, daß aus Welt und Sternen
Sehende Menſchen Gott verkennen lernen?
Daß wir den Schoͤpfer unter Kraut und Thieren
Gaͤntzlich verlieren?

Mich will faſt beduͤnken, daß die Sternen dem
Reime zu gefallen auf der erſten Zeile erſchienen
ſeyn, zumahlen da ſie den Begriff von der Welt

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[155/0157] von gelehrten Schriften. Officier, der die Lettres germaniques geſchrie- ben hat, in dem Xten Brief Bl. 355. bekennet: Il n’eſt point étonnant de voir ici un Bouffon en titre d’Office. Und an einem andern Orte Bl. 349. En Allemagne un homme d’eſprit & un bouffon, ne ſont qu’une même choſe. Und bald hernach: Il n’y a que les bouffons, qui faſſent fortune dans ce pays. Wenn nach dem eigenen Geſtaͤndniß dieſes Franzoſen ein bouffon und ein homme d’eſprit gleichguͤltig ſind, mit was vor einem Gewiſſen kan derſelbige denn den Deutſchen den Witz abſprechen? Das vierte St. dieſer Sammlung iſt eine Sap- phiſche Ode von Hrn. Magiſter Th. L. Pit- ſchel an ſeinen Hrn. Bruder D. Friedr. L. Pit- ſchel, von der Unſinnigkeit der Gottes-Veraͤch- ter. Bl. 45. Dieſe Ode iſt wohl geſchrieben, und verdienet, ſowohl in Abſicht auf die Verſe, als die Fluͤſſigkeit der Schreibart, und den Schwung der Gedanken ihr billiges Lob. Nur kan man mit Grund ſagen, daß ſie auſſer der Sapphiſchen Scanſion und dem Reime nicht viel poetiſches an ſich habe; welches Urtheil aber nicht die Ausfuͤh- rung tadelt; ſondern eine andere Abſicht als Hr. Pitſchel gehabt, zum Grund der Ausfuͤhrung er- fodern wuͤrde. Die erſte Strophe lautet: Jſt es auch moͤglich, daß aus Welt und Sternen Sehende Menſchen Gott verkennen lernen? Daß wir den Schoͤpfer unter Kraut und Thieren Gaͤntzlich verlieren? Mich will faſt beduͤnken, daß die Sternen dem Reime zu gefallen auf der erſten Zeile erſchienen ſeyn, zumahlen da ſie den Begriff von der Welt nicht

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/157>, abgerufen am 02.05.2024.