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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.

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Ablehnung des Verdachts/
Geist, den der Uebersetzer dem knechtischen ent-
gegensetzet, der von fleischl. Affecten u. irdischen
Geschäften regieret wird, von dem flüchtigen
Mercurialischen verstanden! Wie schlau hat
er vorgegeben, daß Milt. Stärcke in Fehlern
wider die Grammatick, in Verkehrungen aller
gewöhnlichen Wortfügungen, u. in tausend
andern sonst unerlaubten u. von keinem an-
dern Poeten begangnen Schnitzern bestehe;

wie scharfsinnig hat er auf diesen Grund Hans
Sachsen zum geschmeidigsten deutsch. Poeten
gemacht! Wie künstlich hat er das Lob wieder
zurückgenommen, das er im 19ten St. der Crit.
Beytr. Art. 18. B-dm-rs Uebersetzung erthei-
let:

"Gewiß alle Kenner Miltons sind erstau-
"net, als sie diese Dollmetschung desselben gele-
"sen haben. Denn wer hätte sichs eingebildet,
"daß dieses mit Gedancken so beschwerte Ge-
"dichte, dessen Ausdruck so körnigt, sinnreich u.
"tief ist, sich so nachdrückl. u. vollständig deutsch
"würde geben lassen! U. doch hat es der Hr. B.
"gethan."

Also redete die Höflichkeit; aber
nach dem B[-]dm[-]r dieselbe verwürcket hat, führt
Hr. G. billig eine gantz andre Sprache, u. wa-
rum sollte er nicht berechtiget seyn, was er einst
ohne Verdienen gelobet hatte, ein andermahl
ohne Verdienen zu tadeln? Warum sollten sei-
ne Liebeswürckungen länger dauren als seine
Liebe? Jch verwundere mich gar nicht, daß ihm
der deutsche Ausdruck in dem V. Par. seltsam
u. widerlich
dünkt, er kömmt uns in der Schweiz,
so hart gleich unsre Ohren sind, eben so vor, B.

sollte

Ablehnung des Verdachts/
Geiſt, den der Ueberſetzer dem knechtiſchen ent-
gegenſetzet, der von fleiſchl. Affecten u. irdiſchen
Geſchaͤften regieret wird, von dem fluͤchtigen
Mercurialiſchen verſtanden! Wie ſchlau hat
er vorgegeben, daß Milt. Staͤrcke in Fehlern
wider die Gram̃atick, in Verkehrungen aller
gewoͤhnlichen Wortfuͤgungen, u. in tauſend
andern ſonſt unerlaubten u. von keinem an-
dern Poeten begangnen Schnitzern beſtehe;

wie ſcharfſiñig hat er auf dieſen Grund Hans
Sachſen zum geſchmeidigſten deutſch. Poeten
gemacht! Wie kuͤnſtlich hat er das Lob wieder
zuruͤckgenom̃en, das er im 19ten St. der Crit.
Beytr. Art. 18. B-dm-rs Ueberſetzung erthei-
let:

„Gewiß alle Kenner Miltons ſind erſtau-
„net, als ſie dieſe Dollmetſchung deſſelben gele-
„ſen haben. Denn wer haͤtte ſichs eingebildet,
„daß dieſes mit Gedancken ſo beſchwerte Ge-
„dichte, deſſen Ausdruck ſo koͤrnigt, ſinnreich u.
„tief iſt, ſich ſo nachdruͤckl. u. vollſtaͤndig deutſch
„wuͤrde geben laſſen! U. doch hat es der Hr. B.
„gethan.„

Alſo redete die Hoͤflichkeit; aber
nach dem B[‒]dm[‒]r dieſelbe verwuͤrcket hat, fuͤhrt
Hr. G. billig eine gantz andre Sprache, u. wa-
rum ſollte er nicht berechtiget ſeyn, was er einſt
ohne Verdienen gelobet hatte, ein andermahl
ohne Verdienen zu tadeln? Warum ſollten ſei-
ne Liebeswuͤrckungen laͤnger dauren als ſeine
Liebe? Jch verwundere mich gar nicht, daß ihm
der deutſche Ausdruck in dem V. Par. ſeltſam
u. widerlich
duͤnkt, er koͤm̃t uns in der Schweiz,
ſo hart gleich unſre Ohren ſind, eben ſo vor, B.

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[78/0080] Ablehnung des Verdachts/ Geiſt, den der Ueberſetzer dem knechtiſchen ent- gegenſetzet, der von fleiſchl. Affecten u. irdiſchen Geſchaͤften regieret wird, von dem fluͤchtigen Mercurialiſchen verſtanden! Wie ſchlau hat er vorgegeben, daß Milt. Staͤrcke in Fehlern wider die Gram̃atick, in Verkehrungen aller gewoͤhnlichen Wortfuͤgungen, u. in tauſend andern ſonſt unerlaubten u. von keinem an- dern Poeten begangnen Schnitzern beſtehe; wie ſcharfſiñig hat er auf dieſen Grund Hans Sachſen zum geſchmeidigſten deutſch. Poeten gemacht! Wie kuͤnſtlich hat er das Lob wieder zuruͤckgenom̃en, das er im 19ten St. der Crit. Beytr. Art. 18. B-dm-rs Ueberſetzung erthei- let: „Gewiß alle Kenner Miltons ſind erſtau- „net, als ſie dieſe Dollmetſchung deſſelben gele- „ſen haben. Denn wer haͤtte ſichs eingebildet, „daß dieſes mit Gedancken ſo beſchwerte Ge- „dichte, deſſen Ausdruck ſo koͤrnigt, ſinnreich u. „tief iſt, ſich ſo nachdruͤckl. u. vollſtaͤndig deutſch „wuͤrde geben laſſen! U. doch hat es der Hr. B. „gethan.„ Alſo redete die Hoͤflichkeit; aber nach dem B‒dm‒r dieſelbe verwuͤrcket hat, fuͤhrt Hr. G. billig eine gantz andre Sprache, u. wa- rum ſollte er nicht berechtiget ſeyn, was er einſt ohne Verdienen gelobet hatte, ein andermahl ohne Verdienen zu tadeln? Warum ſollten ſei- ne Liebeswuͤrckungen laͤnger dauren als ſeine Liebe? Jch verwundere mich gar nicht, daß ihm der deutſche Ausdruck in dem V. Par. ſeltſam u. widerlich duͤnkt, er koͤm̃t uns in der Schweiz, ſo hart gleich unſre Ohren ſind, eben ſo vor, B. ſollte

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/80>, abgerufen am 03.05.2024.