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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.

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Nachrichten von dem Ursprunge
nicht genannt wird, im Jahre 1729. waren ge-
wechselt worden. Diese suchen darinnen zu be-
haupten, daß der metaphorische Geschmack, wordurch
sie die Fertigkeit das Schöne in den Schriften
schnell und sicher wahrzunehmen verstehen, nicht
willkürlich sey, nicht auf einer sinnlichen Empfin-
dung beruhe, sondern sich auf die Uebung grün-
den, und die Untersuchung aushalten müsse. Der
Jtaliener macht zuerst nicht viel mehrers daraus
als eine mechanische Kraft und gleichsam einen sechs-
ten Sinn, der von dem Angenehmen in der Poe-
sie so gültig urtheilete, als der eigentlich genannte
Sinn des Geschmackes von den Eigenschaften der
Speisen. Der Urheber des besagten VIII. Art.
in den critischen Beyträgen erzehlt den Jnhalt und
die Absicht der gantzen Schrift kürtzlich, und,
wie sein eigenes Bekenntniß lautet, so, daß er
sich hierbey nicht der Gedancken und Worte des
Verfassers sondern seiner eigenen Art zu den-
ken und zu schreiben bedienet hat.
Hernach sagt
er zum Lob derselben; das Werckgen trage in
wenigen Bogen die nützlichsten und angenehmsten
Sachen in grosser Menge vor; der Streit sey
von den geschicktesten Gegnern von der Welt ge-
führt, und mit so vieler Scharfsinnigkeit als Höf-
lichkeit von beyden Theilen fortgesetzet worden; er
sagt noch andre Sachen, diese Schrift zu loben,
welche er mit dieser Anmerckung beschließt:

"Wer
"das dritte Capitel in der critischen Dichtkunst
"gelesen hat, der wird finden, daß dieser Brief-
"wechsel nur eine weitläuftige Ausführung dessen
"enthält, was der Urheber von jener gelehrt und
"be-

Nachrichten von dem Urſprunge
nicht genannt wird, im Jahre 1729. waren ge-
wechſelt worden. Dieſe ſuchen darinnen zu be-
haupten, daß der metaphoriſche Geſchmack, wordurch
ſie die Fertigkeit das Schoͤne in den Schriften
ſchnell und ſicher wahrzunehmen verſtehen, nicht
willkuͤrlich ſey, nicht auf einer ſinnlichen Empfin-
dung beruhe, ſondern ſich auf die Uebung gruͤn-
den, und die Unterſuchung aushalten muͤſſe. Der
Jtaliener macht zuerſt nicht viel mehrers daraus
als eine mechaniſche Kraft und gleichſam einen ſechs-
ten Sinn, der von dem Angenehmen in der Poe-
ſie ſo guͤltig urtheilete, als der eigentlich genannte
Sinn des Geſchmackes von den Eigenſchaften der
Speiſen. Der Urheber des beſagten VIII. Art.
in den critiſchen Beytraͤgen erzehlt den Jnhalt und
die Abſicht der gantzen Schrift kuͤrtzlich, und,
wie ſein eigenes Bekenntniß lautet, ſo, daß er
ſich hierbey nicht der Gedancken und Worte des
Verfaſſers ſondern ſeiner eigenen Art zu den-
ken und zu ſchreiben bedienet hat.
Hernach ſagt
er zum Lob derſelben; das Werckgen trage in
wenigen Bogen die nuͤtzlichſten und angenehmſten
Sachen in groſſer Menge vor; der Streit ſey
von den geſchickteſten Gegnern von der Welt ge-
fuͤhrt, und mit ſo vieler Scharfſinnigkeit als Hoͤf-
lichkeit von beyden Theilen fortgeſetzet worden; er
ſagt noch andre Sachen, dieſe Schrift zu loben,
welche er mit dieſer Anmerckung beſchließt:

„Wer
„das dritte Capitel in der critiſchen Dichtkunſt
„geleſen hat, der wird finden, daß dieſer Brief-
„wechſel nur eine weitlaͤuftige Ausfuͤhrung deſſen
„enthaͤlt, was der Urheber von jener gelehrt und
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[172/0174] Nachrichten von dem Urſprunge nicht genannt wird, im Jahre 1729. waren ge- wechſelt worden. Dieſe ſuchen darinnen zu be- haupten, daß der metaphoriſche Geſchmack, wordurch ſie die Fertigkeit das Schoͤne in den Schriften ſchnell und ſicher wahrzunehmen verſtehen, nicht willkuͤrlich ſey, nicht auf einer ſinnlichen Empfin- dung beruhe, ſondern ſich auf die Uebung gruͤn- den, und die Unterſuchung aushalten muͤſſe. Der Jtaliener macht zuerſt nicht viel mehrers daraus als eine mechaniſche Kraft und gleichſam einen ſechs- ten Sinn, der von dem Angenehmen in der Poe- ſie ſo guͤltig urtheilete, als der eigentlich genannte Sinn des Geſchmackes von den Eigenſchaften der Speiſen. Der Urheber des beſagten VIII. Art. in den critiſchen Beytraͤgen erzehlt den Jnhalt und die Abſicht der gantzen Schrift kuͤrtzlich, und, wie ſein eigenes Bekenntniß lautet, ſo, daß er ſich hierbey nicht der Gedancken und Worte des Verfaſſers ſondern ſeiner eigenen Art zu den- ken und zu ſchreiben bedienet hat. Hernach ſagt er zum Lob derſelben; das Werckgen trage in wenigen Bogen die nuͤtzlichſten und angenehmſten Sachen in groſſer Menge vor; der Streit ſey von den geſchickteſten Gegnern von der Welt ge- fuͤhrt, und mit ſo vieler Scharfſinnigkeit als Hoͤf- lichkeit von beyden Theilen fortgeſetzet worden; er ſagt noch andre Sachen, dieſe Schrift zu loben, welche er mit dieſer Anmerckung beſchließt: „Wer „das dritte Capitel in der critiſchen Dichtkunſt „geleſen hat, der wird finden, daß dieſer Brief- „wechſel nur eine weitlaͤuftige Ausfuͤhrung deſſen „enthaͤlt, was der Urheber von jener gelehrt und „be-

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/174>, abgerufen am 02.05.2024.