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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.

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der Critik bey den Deutschen.
solche Untersuchungen, welche nicht nur der schlim-
men Schreibart den Untergang droheten, sondern
zugleich bequem waren, die rechtschaffene Poesie
in ihrem natürlichen Licht und Leben herzustellen.
Sie nahmen hierzu die ächte und reine Critik, die
in Deutschland noch gantz unbekannt war, zu
Hülffe.

Nemlich in den Jahren 1721. 1722. liessen eini-
ge Schweizer von Zürich in einer moralischen Wo-
chenschrift, die sie unter verdeckten Nahmen nach
der Art des Englischen Zuschauers verfertigten,
verschiedene kleine Abhandlungen von critischen
Materien mit unterlaufen; worinnen sie sich zur
Behauptung ihrer Urtheile in die Untersuchung
einiger Grundsätze der Schreibart und der Wohl-
redenheit einliessen. Solche giengen über die
Kunst zu lesen, über die Beywörter, die gleich-
gültigen Wörter, die verschiedenen Arten der
Wortspiele, die Phantasiespiele, die Anbauung
der Einbildungskraft in Ansehen der Poeten, über
das Phöbus, die Fabeln, und dergleichen. Die-
se Untersuchungen wurden durch Exempel, sowohl
aus verstorbenen als damahlslebenden Poeten,
mit einer Freyheit erläutert, welche sich vor keiner
Gefahr oder Nachrede fürchtete. Opitz ward
bey allen Anlässen hervorgezogen; eine Ehre, de-
ren er nur allzulange beraubet gewesen war! Den
Sachsen, und andern, die izo gewohnt waren,
nur Lohensteins, Hunolds, Amthors, und
Neumeisters Lob zu hören, kam dieses so fremde
vor, daß sie diese critischen Blätter, die in der
Provinzial-Mundart von Zürich, und für die

Züri-
J 2

der Critik bey den Deutſchen.
ſolche Unterſuchungen, welche nicht nur der ſchlim-
men Schreibart den Untergang droheten, ſondern
zugleich bequem waren, die rechtſchaffene Poeſie
in ihrem natuͤrlichen Licht und Leben herzuſtellen.
Sie nahmen hierzu die aͤchte und reine Critik, die
in Deutſchland noch gantz unbekannt war, zu
Huͤlffe.

Nemlich in den Jahren 1721. 1722. lieſſen eini-
ge Schweizer von Zuͤrich in einer moraliſchen Wo-
chenſchrift, die ſie unter verdeckten Nahmen nach
der Art des Engliſchen Zuſchauers verfertigten,
verſchiedene kleine Abhandlungen von critiſchen
Materien mit unterlaufen; worinnen ſie ſich zur
Behauptung ihrer Urtheile in die Unterſuchung
einiger Grundſaͤtze der Schreibart und der Wohl-
redenheit einlieſſen. Solche giengen uͤber die
Kunſt zu leſen, uͤber die Beywoͤrter, die gleich-
guͤltigen Woͤrter, die verſchiedenen Arten der
Wortſpiele, die Phantaſieſpiele, die Anbauung
der Einbildungskraft in Anſehen der Poeten, uͤber
das Phoͤbus, die Fabeln, und dergleichen. Die-
ſe Unterſuchungen wurden durch Exempel, ſowohl
aus verſtorbenen als damahlslebenden Poeten,
mit einer Freyheit erlaͤutert, welche ſich vor keiner
Gefahr oder Nachrede fuͤrchtete. Opitz ward
bey allen Anlaͤſſen hervorgezogen; eine Ehre, de-
ren er nur allzulange beraubet geweſen war! Den
Sachſen, und andern, die izo gewohnt waren,
nur Lohenſteins, Hunolds, Amthors, und
Neumeiſters Lob zu hoͤren, kam dieſes ſo fremde
vor, daß ſie dieſe critiſchen Blaͤtter, die in der
Provinzial-Mundart von Zuͤrich, und fuͤr die

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J 2
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[131/0133] der Critik bey den Deutſchen. ſolche Unterſuchungen, welche nicht nur der ſchlim- men Schreibart den Untergang droheten, ſondern zugleich bequem waren, die rechtſchaffene Poeſie in ihrem natuͤrlichen Licht und Leben herzuſtellen. Sie nahmen hierzu die aͤchte und reine Critik, die in Deutſchland noch gantz unbekannt war, zu Huͤlffe. Nemlich in den Jahren 1721. 1722. lieſſen eini- ge Schweizer von Zuͤrich in einer moraliſchen Wo- chenſchrift, die ſie unter verdeckten Nahmen nach der Art des Engliſchen Zuſchauers verfertigten, verſchiedene kleine Abhandlungen von critiſchen Materien mit unterlaufen; worinnen ſie ſich zur Behauptung ihrer Urtheile in die Unterſuchung einiger Grundſaͤtze der Schreibart und der Wohl- redenheit einlieſſen. Solche giengen uͤber die Kunſt zu leſen, uͤber die Beywoͤrter, die gleich- guͤltigen Woͤrter, die verſchiedenen Arten der Wortſpiele, die Phantaſieſpiele, die Anbauung der Einbildungskraft in Anſehen der Poeten, uͤber das Phoͤbus, die Fabeln, und dergleichen. Die- ſe Unterſuchungen wurden durch Exempel, ſowohl aus verſtorbenen als damahlslebenden Poeten, mit einer Freyheit erlaͤutert, welche ſich vor keiner Gefahr oder Nachrede fuͤrchtete. Opitz ward bey allen Anlaͤſſen hervorgezogen; eine Ehre, de- ren er nur allzulange beraubet geweſen war! Den Sachſen, und andern, die izo gewohnt waren, nur Lohenſteins, Hunolds, Amthors, und Neumeiſters Lob zu hoͤren, kam dieſes ſo fremde vor, daß ſie dieſe critiſchen Blaͤtter, die in der Provinzial-Mundart von Zuͤrich, und fuͤr die Zuͤri- J 2

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/133>, abgerufen am 25.11.2024.