"waldaus, und das heroische Wesen von Lo- "henstein schwerlich bey irgend einem andern uns- "rer iztlebenden deutschen Poeten in einem höhern "Grade als hier verknüpft dürfte gefunden wer- "den."
Nun hat dieses Urtheil, das Wenzeln so hoch erhebet, zwar keinen Beyfall gefunden, aber die Verkleinerung der alten Poeten hat den- noch dieselben bey vielen jungen Leuten noch in grös- sere Verachtung gebracht, man hat sie im Stau- be ligen lassen, und die Hochachtung, die ihnen gebührte, ihren unverständigen Verächtern zuge- wandt. Amthor selbst ist in ein grosses Ansehen gekommen, und zwar bey solchen Männern, die sich zu unsern Zeiten für die Verfechter des durch die Critik gereinigten Geschmackes ausgegeben haben.
Jndem nun die geschickten Männer, welche die Hochachtung gegen die Alten nicht abgeleget hatten, und deren Gedichte zeigeten, daß sie mit ihnen vertraulich genug bekannt waren, als Men- ken zu Leipzig, König zu Dresden, Pietsch zu Königsberg, Günther und andre an andern Or- ten sich keine besondere Mühe gaben, dem herr- schenden Uebel der schreibsüchtigen Zeiten mit Nach- druck zu wiederstehen; erwekete ein günstiger Stern an einem Orte, wo es niemand vermuthet hatte, dem falschen Geschmacke etliche mächtige Wieder- sacher, welche ihn in seinen innersten Brustweh- ren anfallen durfften. Sie machten zwar den An- fang dazu ohne einen absonderlichen Vorsatz und gleichsam nur beyläuftig und im Vorbeygehen: Aber die Umstände führen sie nach und nach auf
solche
Nachrichten von dem Urſprunge
„waldaus, und das heroiſche Weſen von Lo- „henſtein ſchwerlich bey irgend einem andern unſ- „rer iztlebenden deutſchen Poeten in einem hoͤhern „Grade als hier verknuͤpft duͤrfte gefunden wer- „den.„
Nun hat dieſes Urtheil, das Wenzeln ſo hoch erhebet, zwar keinen Beyfall gefunden, aber die Verkleinerung der alten Poeten hat den- noch dieſelben bey vielen jungen Leuten noch in groͤſ- ſere Verachtung gebracht, man hat ſie im Stau- be ligen laſſen, und die Hochachtung, die ihnen gebuͤhrte, ihren unverſtaͤndigen Veraͤchtern zuge- wandt. Amthor ſelbſt iſt in ein groſſes Anſehen gekommen, und zwar bey ſolchen Maͤnnern, die ſich zu unſern Zeiten fuͤr die Verfechter des durch die Critik gereinigten Geſchmackes ausgegeben haben.
Jndem nun die geſchickten Maͤnner, welche die Hochachtung gegen die Alten nicht abgeleget hatten, und deren Gedichte zeigeten, daß ſie mit ihnen vertraulich genug bekannt waren, als Men- ken zu Leipzig, Koͤnig zu Dresden, Pietſch zu Koͤnigsberg, Guͤnther und andre an andern Or- ten ſich keine beſondere Muͤhe gaben, dem herr- ſchenden Uebel der ſchreibſuͤchtigen Zeiten mit Nach- druck zu wiederſtehen; erwekete ein guͤnſtiger Stern an einem Orte, wo es niemand vermuthet hatte, dem falſchen Geſchmacke etliche maͤchtige Wieder- ſacher, welche ihn in ſeinen innerſten Bruſtweh- ren anfallen durfften. Sie machten zwar den An- fang dazu ohne einen abſonderlichen Vorſatz und gleichſam nur beylaͤuftig und im Vorbeygehen: Aber die Umſtaͤnde fuͤhren ſie nach und nach auf
ſolche
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Nachrichten von dem Urſprunge
„waldaus, und das heroiſche Weſen von Lo-
„henſtein ſchwerlich bey irgend einem andern unſ-
„rer iztlebenden deutſchen Poeten in einem hoͤhern
„Grade als hier verknuͤpft duͤrfte gefunden wer-
„den.„
Nun hat dieſes Urtheil, das Wenzeln
ſo hoch erhebet, zwar keinen Beyfall gefunden,
aber die Verkleinerung der alten Poeten hat den-
noch dieſelben bey vielen jungen Leuten noch in groͤſ-
ſere Verachtung gebracht, man hat ſie im Stau-
be ligen laſſen, und die Hochachtung, die ihnen
gebuͤhrte, ihren unverſtaͤndigen Veraͤchtern zuge-
wandt. Amthor ſelbſt iſt in ein groſſes Anſehen
gekommen, und zwar bey ſolchen Maͤnnern, die
ſich zu unſern Zeiten fuͤr die Verfechter des durch
die Critik gereinigten Geſchmackes ausgegeben
haben.
Jndem nun die geſchickten Maͤnner, welche
die Hochachtung gegen die Alten nicht abgeleget
hatten, und deren Gedichte zeigeten, daß ſie mit
ihnen vertraulich genug bekannt waren, als Men-
ken zu Leipzig, Koͤnig zu Dresden, Pietſch zu
Koͤnigsberg, Guͤnther und andre an andern Or-
ten ſich keine beſondere Muͤhe gaben, dem herr-
ſchenden Uebel der ſchreibſuͤchtigen Zeiten mit Nach-
druck zu wiederſtehen; erwekete ein guͤnſtiger Stern
an einem Orte, wo es niemand vermuthet hatte,
dem falſchen Geſchmacke etliche maͤchtige Wieder-
ſacher, welche ihn in ſeinen innerſten Bruſtweh-
ren anfallen durfften. Sie machten zwar den An-
fang dazu ohne einen abſonderlichen Vorſatz und
gleichſam nur beylaͤuftig und im Vorbeygehen:
Aber die Umſtaͤnde fuͤhren ſie nach und nach auf
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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/132>, abgerufen am 22.07.2024.
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