"verwunderungswürdig. - - Man ist gäntz- "lich der Meinung, daß was die französische "Schreibart zu der heutigen Vollkommenheit ge- "bracht hat, meistentheils daher rühre, daß so- "bald nicht ein gutes Buch ans Licht kömmt, "daß nicht demselben eine sogenannte Critique "gleich auf den Fuß nachfolgen sollte, worinnen "man die von dem Verfasser begangenen Fehler "sittsamlich und mit aller Höflichkeit und Ehrer- "biethung anmercket. Sintemahl dadurch ohne "alle Aergerniß dem Leser der Verstand geöff- "net, und der Verfasser in gebührenden Schran- "ken gehalten wird."
Ueber das Epigramma auf die schlesische Poeten fügt er seine Anmerckung mit folgenden Worten bey:
"Der grosse Ruhm "den man allhier den schlesischen Poeten zuleget, "stimmet mit einigen vorhergehenden Ueberschrif- "ten und denen Anmerckungen nicht allerdings "überein; und dieser Unterscheid im urtheilen "rühret von dem grossen Unterscheid des Verfas- "sers Jahre her. Man hatte, als man diese Ue- "berschrift schrieb, nicht allein keine englische "und französische Poeten, sondern so gar auch "die besten lateinischen nicht anders als der Spra- "che halber gelesen, wannenhero es kein Wunder "ist, daß man sich damahls in seinem Urtheil "in etwas verstiegen. Die Sache kurtz zu ma- "chen, so ist man annoch der Meinung, daß "die schlesische nicht allein unsre beste Poeten, "sondern auch mit den besten Ausländischen mög- "ten zu vergleichen seyn, wenn die zwey berühm- "ten Männer Lohenstein und Hoffmannswaldau
"es
Nachrichten von dem Urſprunge
„verwunderungswuͤrdig. ‒ ‒ Man iſt gaͤntz- „lich der Meinung, daß was die franzoͤſiſche „Schreibart zu der heutigen Vollkommenheit ge- „bracht hat, meiſtentheils daher ruͤhre, daß ſo- „bald nicht ein gutes Buch ans Licht koͤmmt, „daß nicht demſelben eine ſogenannte Critique „gleich auf den Fuß nachfolgen ſollte, worinnen „man die von dem Verfaſſer begangenen Fehler „ſittſamlich und mit aller Hoͤflichkeit und Ehrer- „biethung anmercket. Sintemahl dadurch ohne „alle Aergerniß dem Leſer der Verſtand geoͤff- „net, und der Verfaſſer in gebuͤhrenden Schran- „ken gehalten wird.„
Ueber das Epigramma auf die ſchleſiſche Poeten fuͤgt er ſeine Anmerckung mit folgenden Worten bey:
„Der groſſe Ruhm „den man allhier den ſchleſiſchen Poeten zuleget, „ſtimmet mit einigen vorhergehenden Ueberſchrif- „ten und denen Anmerckungen nicht allerdings „uͤberein; und dieſer Unterſcheid im urtheilen „ruͤhret von dem groſſen Unterſcheid des Verfaſ- „ſers Jahre her. Man hatte, als man dieſe Ue- „berſchrift ſchrieb, nicht allein keine engliſche „und franzoͤſiſche Poeten, ſondern ſo gar auch „die beſten lateiniſchen nicht anders als der Spra- „che halber geleſen, wannenhero es kein Wunder „iſt, daß man ſich damahls in ſeinem Urtheil „in etwas verſtiegen. Die Sache kurtz zu ma- „chen, ſo iſt man annoch der Meinung, daß „die ſchleſiſche nicht allein unſre beſte Poeten, „ſondern auch mit den beſten Auslaͤndiſchen moͤg- „ten zu vergleichen ſeyn, wenn die zwey beruͤhm- „ten Maͤnner Lohenſtein und Hoffmannswaldau
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Nachrichten von dem Urſprunge
„verwunderungswuͤrdig. ‒ ‒ Man iſt gaͤntz-
„lich der Meinung, daß was die franzoͤſiſche
„Schreibart zu der heutigen Vollkommenheit ge-
„bracht hat, meiſtentheils daher ruͤhre, daß ſo-
„bald nicht ein gutes Buch ans Licht koͤmmt,
„daß nicht demſelben eine ſogenannte Critique
„gleich auf den Fuß nachfolgen ſollte, worinnen
„man die von dem Verfaſſer begangenen Fehler
„ſittſamlich und mit aller Hoͤflichkeit und Ehrer-
„biethung anmercket. Sintemahl dadurch ohne
„alle Aergerniß dem Leſer der Verſtand geoͤff-
„net, und der Verfaſſer in gebuͤhrenden Schran-
„ken gehalten wird.„ Ueber das Epigramma
auf die ſchleſiſche Poeten fuͤgt er ſeine Anmerckung
mit folgenden Worten bey:
„Der groſſe Ruhm
„den man allhier den ſchleſiſchen Poeten zuleget,
„ſtimmet mit einigen vorhergehenden Ueberſchrif-
„ten und denen Anmerckungen nicht allerdings
„uͤberein; und dieſer Unterſcheid im urtheilen
„ruͤhret von dem groſſen Unterſcheid des Verfaſ-
„ſers Jahre her. Man hatte, als man dieſe Ue-
„berſchrift ſchrieb, nicht allein keine engliſche
„und franzoͤſiſche Poeten, ſondern ſo gar auch
„die beſten lateiniſchen nicht anders als der Spra-
„che halber geleſen, wannenhero es kein Wunder
„iſt, daß man ſich damahls in ſeinem Urtheil
„in etwas verſtiegen. Die Sache kurtz zu ma-
„chen, ſo iſt man annoch der Meinung, daß
„die ſchleſiſche nicht allein unſre beſte Poeten,
„ſondern auch mit den beſten Auslaͤndiſchen moͤg-
„ten zu vergleichen ſeyn, wenn die zwey beruͤhm-
„ten Maͤnner Lohenſtein und Hoffmannswaldau
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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/108>, abgerufen am 22.07.2024.
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