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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.

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der Critik bey den Deutschen.
"es bey der reinen und natürlichen Schreibart
"des Opizs und Gryphs hätten bewenden lassen,
"und nichts anders als ihre eigene Scharfsinnig-
"keit derselben zugefüget hätten. Es scheint aber
"daß sie beyderseits unter allen fremden Poeten
"sich die Welschen zum Muster gesezet."

Er zeiget hernach aus des Hoffmannswaldaus
eignen Geständniß, daß dieser sich die Welschen,
und zwar die schlimmen unter denselben zum Bey-
spiel gesetzet, welches er ferner mit etlichen Exem-
peln aus desselben Heldenbriefen besteiffet, über die
er folgende drey Dinge mit Bedacht und ohne
Vorurtheil zu erwegen bittet, eh man ihn einer
Unbescheidenheit beschuldige, die unbequemen Re-
densarten, die harten Metaphoren, und den fal-
schen Witz. Von allen drey Arten führet er Exempel
mit seinen Anmerckungen an, und diese werden in
der That so bescheiden und ehrerbiethig eingeführt,
daß man in Zweifel geräth, ob er mehr Fehler
eingesehen oder mehr verschwiegen habe.

Jn der Ueberschrift, wo er so schertzreich sagt,
daß seine Muse, wenn sie zornig ist, keine Bie-
samkuchen bake, erklärt er sich von dem damahligen
Zustand der Poesie bey den Deutschen sehr verständig.

"Diese Zukerbekerey, sagt er, läßt man gar ger-
"ne den heutigen Schlesischen Poeten, als wel-
"che dergleichen lekerhafte Sachen in ihren Ver-
"sen so häuffig zu Kauffe haben, daß sie so gar
"auch nicht der Mandeln und des Marzipans
"vergessen, und man sich folgends einbilden soll-
"te, daß sie alle ihre Leser vor Kinder hielten.
"Jch weiß zwar wohl, was Deutschland Schle-
"sien
der Critik bey den Deutſchen.
„es bey der reinen und natuͤrlichen Schreibart
„des Opizs und Gryphs haͤtten bewenden laſſen,
„und nichts anders als ihre eigene Scharfſinnig-
„keit derſelben zugefuͤget haͤtten. Es ſcheint aber
„daß ſie beyderſeits unter allen fremden Poeten
„ſich die Welſchen zum Muſter geſezet.„

Er zeiget hernach aus des Hoffmannswaldaus
eignen Geſtaͤndniß, daß dieſer ſich die Welſchen,
und zwar die ſchlimmen unter denſelben zum Bey-
ſpiel geſetzet, welches er ferner mit etlichen Exem-
peln aus deſſelben Heldenbriefen beſteiffet, uͤber die
er folgende drey Dinge mit Bedacht und ohne
Vorurtheil zu erwegen bittet, eh man ihn einer
Unbeſcheidenheit beſchuldige, die unbequemen Re-
densarten, die harten Metaphoren, und den fal-
ſchen Witz. Von allen drey Arten fuͤhret er Exempel
mit ſeinen Anmerckungen an, und dieſe werden in
der That ſo beſcheiden und ehrerbiethig eingefuͤhrt,
daß man in Zweifel geraͤth, ob er mehr Fehler
eingeſehen oder mehr verſchwiegen habe.

Jn der Ueberſchrift, wo er ſo ſchertzreich ſagt,
daß ſeine Muſe, wenn ſie zornig iſt, keine Bie-
ſamkuchen bake, erklaͤrt er ſich von dem damahligen
Zuſtand der Poeſie bey den Deutſchen ſehr verſtaͤndig.

„Dieſe Zukerbekerey, ſagt er, laͤßt man gar ger-
„ne den heutigen Schleſiſchen Poeten, als wel-
„che dergleichen lekerhafte Sachen in ihren Ver-
„ſen ſo haͤuffig zu Kauffe haben, daß ſie ſo gar
„auch nicht der Mandeln und des Marzipans
„vergeſſen, und man ſich folgends einbilden ſoll-
„te, daß ſie alle ihre Leſer vor Kinder hielten.
„Jch weiß zwar wohl, was Deutſchland Schle-
„ſien
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[107/0109] der Critik bey den Deutſchen. „es bey der reinen und natuͤrlichen Schreibart „des Opizs und Gryphs haͤtten bewenden laſſen, „und nichts anders als ihre eigene Scharfſinnig- „keit derſelben zugefuͤget haͤtten. Es ſcheint aber „daß ſie beyderſeits unter allen fremden Poeten „ſich die Welſchen zum Muſter geſezet.„ Er zeiget hernach aus des Hoffmannswaldaus eignen Geſtaͤndniß, daß dieſer ſich die Welſchen, und zwar die ſchlimmen unter denſelben zum Bey- ſpiel geſetzet, welches er ferner mit etlichen Exem- peln aus deſſelben Heldenbriefen beſteiffet, uͤber die er folgende drey Dinge mit Bedacht und ohne Vorurtheil zu erwegen bittet, eh man ihn einer Unbeſcheidenheit beſchuldige, die unbequemen Re- densarten, die harten Metaphoren, und den fal- ſchen Witz. Von allen drey Arten fuͤhret er Exempel mit ſeinen Anmerckungen an, und dieſe werden in der That ſo beſcheiden und ehrerbiethig eingefuͤhrt, daß man in Zweifel geraͤth, ob er mehr Fehler eingeſehen oder mehr verſchwiegen habe. Jn der Ueberſchrift, wo er ſo ſchertzreich ſagt, daß ſeine Muſe, wenn ſie zornig iſt, keine Bie- ſamkuchen bake, erklaͤrt er ſich von dem damahligen Zuſtand der Poeſie bey den Deutſchen ſehr verſtaͤndig. „Dieſe Zukerbekerey, ſagt er, laͤßt man gar ger- „ne den heutigen Schleſiſchen Poeten, als wel- „che dergleichen lekerhafte Sachen in ihren Ver- „ſen ſo haͤuffig zu Kauffe haben, daß ſie ſo gar „auch nicht der Mandeln und des Marzipans „vergeſſen, und man ſich folgends einbilden ſoll- „te, daß ſie alle ihre Leſer vor Kinder hielten. „Jch weiß zwar wohl, was Deutſchland Schle- „ſien

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/109>, abgerufen am 22.11.2024.