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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741.

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Johann Miltons
einblies, die gantz entschlossen ist, und sich von
der Furcht des Todes weder zur Flucht noch zu
einem schändlichen Abzug bewegen läßt; sie ist
mit einer Kraft begabet, die unruhigen Gedan-
ken mit ihrem feyrlichen Klange zu besänftigen
und zu stillen, und Angst, und Zweifelmuth, und
Furcht, und Leid, und Pein, in sterblichen und
unsterblichen Gemüthern zu vertreiben. Also
sammelten diese Geister ihre vereinigten Kräfte
mit unverwandten Gedancken in eines, indem
sie in tiesem Stillschweigen unter dem Spiele
der Schalmeyen, welches ihnen ihre mühsamen
Tritte auf dem verbrandten Boden linderte,
heranwerts rücketen. Und jezo, da sie im Ge-
sichte stehen, halten sie; ein gräulicher Flügel
von erschrecklicher Länge, in blendenden Rüstun-
gen, mit Schilden und Spiessen versehen, nach
der Weise des Alterthums; sie warteten also
auf die Befehle ihres mächtigen Haupts. Der-
selbe läßt seine erfahrnen Augen alle Linien der
Schlachtordnung durchlaufen, und übersieht
mit geschwinden Blicken das gantze Heer, seine
geschickte Stellung, die Gesichter und das An-
sehen dieser Krieger, die Göttern gleich sahen;
zulezt überzehlt er sie. Und jezo blähet sich sein
Hertz mit Hochmuth, und pochet verhärtend
auf seine Stärcke: Denn seit der Mensch er-
schaffen worden, ist niemahls eine solche Krie-
gesmacht zusammengestossen, welche neben die-
ser grösser scheinen könnte, als jene kleine Jn-
fanterie, die von den Kranichen bekriegt wird;
würde gleich das gantze Riesen-Geschlecht von

Phle-

Johann Miltons
einblies, die gantz entſchloſſen iſt, und ſich von
der Furcht des Todes weder zur Flucht noch zu
einem ſchaͤndlichen Abzug bewegen laͤßt; ſie iſt
mit einer Kraft begabet, die unruhigen Gedan-
ken mit ihrem feyrlichen Klange zu beſaͤnftigen
und zu ſtillen, und Angſt, und Zweifelmuth, und
Furcht, und Leid, und Pein, in ſterblichen und
unſterblichen Gemuͤthern zu vertreiben. Alſo
ſammelten dieſe Geiſter ihre vereinigten Kraͤfte
mit unverwandten Gedancken in eines, indem
ſie in tieſem Stillſchweigen unter dem Spiele
der Schalmeyen, welches ihnen ihre muͤhſamen
Tritte auf dem verbrandten Boden linderte,
heranwerts ruͤcketen. Und jezo, da ſie im Ge-
ſichte ſtehen, halten ſie; ein graͤulicher Fluͤgel
von erſchrecklicher Laͤnge, in blendenden Ruͤſtun-
gen, mit Schilden und Spieſſen verſehen, nach
der Weiſe des Alterthums; ſie warteten alſo
auf die Befehle ihres maͤchtigen Haupts. Der-
ſelbe laͤßt ſeine erfahrnen Augen alle Linien der
Schlachtordnung durchlaufen, und uͤberſieht
mit geſchwinden Blicken das gantze Heer, ſeine
geſchickte Stellung, die Geſichter und das An-
ſehen dieſer Krieger, die Goͤttern gleich ſahen;
zulezt uͤberzehlt er ſie. Und jezo blaͤhet ſich ſein
Hertz mit Hochmuth, und pochet verhaͤrtend
auf ſeine Staͤrcke: Denn ſeit der Menſch er-
ſchaffen worden, iſt niemahls eine ſolche Krie-
gesmacht zuſammengeſtoſſen, welche neben die-
ſer groͤſſer ſcheinen koͤnnte, als jene kleine Jn-
fanterie, die von den Kranichen bekriegt wird;
wuͤrde gleich das gantze Rieſen-Geſchlecht von

Phle-
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[34/0050] Johann Miltons einblies, die gantz entſchloſſen iſt, und ſich von der Furcht des Todes weder zur Flucht noch zu einem ſchaͤndlichen Abzug bewegen laͤßt; ſie iſt mit einer Kraft begabet, die unruhigen Gedan- ken mit ihrem feyrlichen Klange zu beſaͤnftigen und zu ſtillen, und Angſt, und Zweifelmuth, und Furcht, und Leid, und Pein, in ſterblichen und unſterblichen Gemuͤthern zu vertreiben. Alſo ſammelten dieſe Geiſter ihre vereinigten Kraͤfte mit unverwandten Gedancken in eines, indem ſie in tieſem Stillſchweigen unter dem Spiele der Schalmeyen, welches ihnen ihre muͤhſamen Tritte auf dem verbrandten Boden linderte, heranwerts ruͤcketen. Und jezo, da ſie im Ge- ſichte ſtehen, halten ſie; ein graͤulicher Fluͤgel von erſchrecklicher Laͤnge, in blendenden Ruͤſtun- gen, mit Schilden und Spieſſen verſehen, nach der Weiſe des Alterthums; ſie warteten alſo auf die Befehle ihres maͤchtigen Haupts. Der- ſelbe laͤßt ſeine erfahrnen Augen alle Linien der Schlachtordnung durchlaufen, und uͤberſieht mit geſchwinden Blicken das gantze Heer, ſeine geſchickte Stellung, die Geſichter und das An- ſehen dieſer Krieger, die Goͤttern gleich ſahen; zulezt uͤberzehlt er ſie. Und jezo blaͤhet ſich ſein Hertz mit Hochmuth, und pochet verhaͤrtend auf ſeine Staͤrcke: Denn ſeit der Menſch er- ſchaffen worden, iſt niemahls eine ſolche Krie- gesmacht zuſammengeſtoſſen, welche neben die- ſer groͤſſer ſcheinen koͤnnte, als jene kleine Jn- fanterie, die von den Kranichen bekriegt wird; wuͤrde gleich das gantze Rieſen-Geſchlecht von Phle-

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung01_1741/50>, abgerufen am 21.11.2024.