Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite

ausdrükliche Klage darüber geführt:

"Wa-
"rum sind wir so unglüklich, daß die Zür-
"chischen Kunstrichter, ungeachtet sie ihre
"Zusammenkünfte fortsezen, uns dennoch ih-
"re Arbeit mißgönnt? Halten sie uns alle
"für ...? Oder glauben sie wohl gar, daß
"wir alle von dem Geschmake des ... seyn?
"Wir haben bessere Kenner in Leipzig, und
"darunter einige so aufgewekte Köpfe, und
"zugleich Grundgelehrte Leute etc. - - -"

Jn einem andern Briefe entschuldiget eben
dieser die geringe Anzahl der Kenner gu-
ter Schriften auf eine scharfsinnige Weise:

"R ... allein, sagt er, kan vor eine gan-
"ze Menge dienen, denn er schreibt sehr sinn-
"reich, natürlich und wohlfliessend, und
"wenn man je hin und wieder einige Wort-
"spiele, oder etwas zu hochsteigendes bey
"ihm antrifft, so ist es weniger dem Man-
"gel an gutem Geschmak, als der Thorheit
"des gelehrten Pöfels daselbst zuzuschreiben,
"dem zu gefallen er dergleichen einfliessen las-
"sen muß, weil solche Leute sonst glauben,
"man könne nicht scharfsinnig, oder, wie sie
"sagen, hoch schreiben, so bald sie verste-
"hen, was sie lesen; da er doch sonst alle-
"zeit wieder die schwülstige hochtrabende
"Schreibart gestritten, und in allen derglei-
"chen
)( 3

ausdruͤkliche Klage daruͤber gefuͤhrt:

„Wa-
„rum ſind wir ſo ungluͤklich, daß die Zuͤr-
„chiſchen Kunſtrichter, ungeachtet ſie ihre
„Zuſammenkuͤnfte fortſezen, uns dennoch ih-
„re Arbeit mißgoͤnnt? Halten ſie uns alle
„fuͤr …? Oder glauben ſie wohl gar, daß
„wir alle von dem Geſchmake des … ſeyn?
„Wir haben beſſere Kenner in Leipzig, und
„darunter einige ſo aufgewekte Koͤpfe, und
„zugleich Grundgelehrte Leute ꝛc. ‒ ‒ ‒„

Jn einem andern Briefe entſchuldiget eben
dieſer die geringe Anzahl der Kenner gu-
ter Schriften auf eine ſcharfſinnige Weiſe:

„R … allein, ſagt er, kan vor eine gan-
„ze Menge dienen, denn er ſchreibt ſehr ſinn-
„reich, natuͤrlich und wohlflieſſend, und
„wenn man je hin und wieder einige Wort-
„ſpiele, oder etwas zu hochſteigendes bey
„ihm antrifft, ſo iſt es weniger dem Man-
„gel an gutem Geſchmak, als der Thorheit
„des gelehrten Poͤfels daſelbſt zuzuſchreiben,
„dem zu gefallen er dergleichen einflieſſen laſ-
„ſen muß, weil ſolche Leute ſonſt glauben,
„man koͤnne nicht ſcharfſinnig, oder, wie ſie
„ſagen, hoch ſchreiben, ſo bald ſie verſte-
„hen, was ſie leſen; da er doch ſonſt alle-
„zeit wieder die ſchwuͤlſtige hochtrabende
„Schreibart geſtritten, und in allen derglei-
„chen
)( 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0005"/>
ausdru&#x0364;kliche Klage daru&#x0364;ber gefu&#x0364;hrt:</p>
        <cit>
          <quote>&#x201E;Wa-<lb/>
&#x201E;rum &#x017F;ind wir &#x017F;o unglu&#x0364;klich, daß die Zu&#x0364;r-<lb/>
&#x201E;chi&#x017F;chen Kun&#x017F;trichter, ungeachtet &#x017F;ie ihre<lb/>
&#x201E;Zu&#x017F;ammenku&#x0364;nfte fort&#x017F;ezen, uns dennoch ih-<lb/>
&#x201E;re Arbeit mißgo&#x0364;nnt? Halten &#x017F;ie uns alle<lb/>
&#x201E;fu&#x0364;r &#x2026;? Oder glauben &#x017F;ie wohl gar, daß<lb/>
&#x201E;wir alle von dem Ge&#x017F;chmake des &#x2026; &#x017F;eyn?<lb/>
&#x201E;Wir haben be&#x017F;&#x017F;ere Kenner in Leipzig, und<lb/>
&#x201E;darunter einige &#x017F;o aufgewekte Ko&#x0364;pfe, und<lb/>
&#x201E;zugleich Grundgelehrte Leute &#xA75B;c. &#x2012; &#x2012; &#x2012;&#x201E;</quote>
        </cit><lb/>
        <p>Jn einem andern Briefe ent&#x017F;chuldiget eben<lb/>
die&#x017F;er die geringe Anzahl der Kenner gu-<lb/>
ter Schriften auf eine &#x017F;charf&#x017F;innige Wei&#x017F;e:</p><lb/>
        <cit>
          <quote>&#x201E;R &#x2026; allein, &#x017F;agt er, kan vor eine gan-<lb/>
&#x201E;ze Menge dienen, denn er &#x017F;chreibt &#x017F;ehr &#x017F;inn-<lb/>
&#x201E;reich, natu&#x0364;rlich und wohlflie&#x017F;&#x017F;end, und<lb/>
&#x201E;wenn man je hin und wieder einige Wort-<lb/>
&#x201E;&#x017F;piele, oder etwas zu hoch&#x017F;teigendes bey<lb/>
&#x201E;ihm antrifft, &#x017F;o i&#x017F;t es weniger dem Man-<lb/>
&#x201E;gel an gutem Ge&#x017F;chmak, als der Thorheit<lb/>
&#x201E;des gelehrten Po&#x0364;fels da&#x017F;elb&#x017F;t zuzu&#x017F;chreiben,<lb/>
&#x201E;dem zu gefallen er dergleichen einflie&#x017F;&#x017F;en la&#x017F;-<lb/>
&#x201E;&#x017F;en muß, weil &#x017F;olche Leute &#x017F;on&#x017F;t glauben,<lb/>
&#x201E;man ko&#x0364;nne nicht &#x017F;charf&#x017F;innig, oder, wie &#x017F;ie<lb/>
&#x201E;&#x017F;agen, hoch &#x017F;chreiben, &#x017F;o bald &#x017F;ie ver&#x017F;te-<lb/>
&#x201E;hen, was &#x017F;ie le&#x017F;en; da er doch &#x017F;on&#x017F;t alle-<lb/>
&#x201E;zeit wieder die &#x017F;chwu&#x0364;l&#x017F;tige hochtrabende<lb/>
&#x201E;Schreibart ge&#x017F;tritten, und in allen derglei-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">)( 3</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x201E;chen</fw><lb/></quote>
        </cit>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0005] ausdruͤkliche Klage daruͤber gefuͤhrt: „Wa- „rum ſind wir ſo ungluͤklich, daß die Zuͤr- „chiſchen Kunſtrichter, ungeachtet ſie ihre „Zuſammenkuͤnfte fortſezen, uns dennoch ih- „re Arbeit mißgoͤnnt? Halten ſie uns alle „fuͤr …? Oder glauben ſie wohl gar, daß „wir alle von dem Geſchmake des … ſeyn? „Wir haben beſſere Kenner in Leipzig, und „darunter einige ſo aufgewekte Koͤpfe, und „zugleich Grundgelehrte Leute ꝛc. ‒ ‒ ‒„ Jn einem andern Briefe entſchuldiget eben dieſer die geringe Anzahl der Kenner gu- ter Schriften auf eine ſcharfſinnige Weiſe: „R … allein, ſagt er, kan vor eine gan- „ze Menge dienen, denn er ſchreibt ſehr ſinn- „reich, natuͤrlich und wohlflieſſend, und „wenn man je hin und wieder einige Wort- „ſpiele, oder etwas zu hochſteigendes bey „ihm antrifft, ſo iſt es weniger dem Man- „gel an gutem Geſchmak, als der Thorheit „des gelehrten Poͤfels daſelbſt zuzuſchreiben, „dem zu gefallen er dergleichen einflieſſen laſ- „ſen muß, weil ſolche Leute ſonſt glauben, „man koͤnne nicht ſcharfſinnig, oder, wie ſie „ſagen, hoch ſchreiben, ſo bald ſie verſte- „hen, was ſie leſen; da er doch ſonſt alle- „zeit wieder die ſchwuͤlſtige hochtrabende „Schreibart geſtritten, und in allen derglei- „chen )( 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung01_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung01_1741/5
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung01_1741/5>, abgerufen am 24.11.2024.