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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741.

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Johann Miltons
aus unredlicher Feindschaft den Gästen der Land-
schaft Gosen nachjagten, die jezo an dem sichern
Ufer ihre schwimmenden Leichnahme und zerbro-
chenen Wagenräder sahen; eben so dicht, so
verstreuet, verzetelt und verlohren, lagen diese
gefallenen Engel, bedecketen den Pful, und wa-
ren vor Bestürtzung über ihrer gräßlichen Ver-
änderung gantz auser sich selbst. Er rief so laut, daß
die gantze hole Tiefe der Höllen davon erschallete.

Fürsten, Herzoge, Kriegeshäupter, der Aus-
bund des Himmels, der unlängst euer war, je-
zo verlohren ist, woferne ein solches Erstaunen,
wie dieses, ewige Geister überfallen kan; oder
habet ihr diesen Ort erwehlet, hier nach der
strengen Arbeit des Gefechts eure müde Dapfer-
keit ausruhen zu lassen, weil ihr vielleicht die Ru-

he
lich und nachtheilig wäre, wo das Gemüthe durch das
Mittel der Phantasie in Bewegung gebracht werden muß.
Seine Vergleichungen sind nach Homers Manier verfasset,
und dieses dienet ihnen zum Ruhme, weil sie zugleich der
Natur derer gemäß sind, auf welche sie würcken sollen.
Man hat über dieses beobachtet, daß der so genannte
Schwantz eines Gleichnisses bey ihm öfters zum Grund ei-
ner neuen Vergleichung geleget wird, und daß er das vor-
hergehende mit dem nachfolgenden verbindet; diese Ver-
bindung kömmt desto scharfsinniger heraus, weil wir auf
diese Weise zwey Gleichnisse in einem bekommen. Von die-
ser Art sind neben dem gegenwärtigen, das von den Chi-
nesen im zweyten B. welche ihre Rohrwagen mit Segel und
Wind forttreiben, und im vierten B. das von dem Feld
der Ceres, und andere mehr.
Weil ihr die Ruhe allhier so süß findet) Magni hat
nicht gemercket, daß Satan allein durch eine Jronie, oder
auch

Johann Miltons
aus unredlicher Feindſchaft den Gaͤſten der Land-
ſchaft Goſen nachjagten, die jezo an dem ſichern
Ufer ihre ſchwimmenden Leichnahme und zerbro-
chenen Wagenraͤder ſahen; eben ſo dicht, ſo
verſtreuet, verzetelt und verlohren, lagen dieſe
gefallenen Engel, bedecketen den Pful, und wa-
ren vor Beſtuͤrtzung uͤber ihrer graͤßlichen Ver-
aͤnderung gantz auſer ſich ſelbſt. Er rief ſo laut, daß
die gantze hole Tiefe der Hoͤllen davon erſchallete.

Fuͤrſten, Herzoge, Kriegeshaͤupter, der Aus-
bund des Himmels, der unlaͤngſt euer war, je-
zo verlohren iſt, woferne ein ſolches Erſtaunen,
wie dieſes, ewige Geiſter uͤberfallen kan; oder
habet ihr dieſen Ort erwehlet, hier nach der
ſtrengen Arbeit des Gefechts eure muͤde Dapfer-
keit ausruhen zu laſſen, weil ihr vielleicht die Ru-

he
lich und nachtheilig waͤre, wo das Gemuͤthe durch das
Mittel der Phantaſie in Bewegung gebracht werden muß.
Seine Vergleichungen ſind nach Homers Manier verfaſſet,
und dieſes dienet ihnen zum Ruhme, weil ſie zugleich der
Natur derer gemaͤß ſind, auf welche ſie wuͤrcken ſollen.
Man hat uͤber dieſes beobachtet, daß der ſo genannte
Schwantz eines Gleichniſſes bey ihm oͤfters zum Grund ei-
ner neuen Vergleichung geleget wird, und daß er das vor-
hergehende mit dem nachfolgenden verbindet; dieſe Ver-
bindung koͤmmt deſto ſcharfſinniger heraus, weil wir auf
dieſe Weiſe zwey Gleichniſſe in einem bekommen. Von die-
ſer Art ſind neben dem gegenwaͤrtigen, das von den Chi-
neſen im zweyten B. welche ihre Rohrwagen mit Segel und
Wind forttreiben, und im vierten B. das von dem Feld
der Ceres, und andere mehr.
Weil ihr die Ruhe allhier ſo ſuͤß findet) Magni hat
nicht gemercket, daß Satan allein durch eine Jronie, oder
auch
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[20/0036] Johann Miltons aus unredlicher Feindſchaft den Gaͤſten der Land- ſchaft Goſen nachjagten, die jezo an dem ſichern Ufer ihre ſchwimmenden Leichnahme und zerbro- chenen Wagenraͤder ſahen; eben ſo dicht, ſo verſtreuet, verzetelt und verlohren, lagen dieſe gefallenen Engel, bedecketen den Pful, und wa- ren vor Beſtuͤrtzung uͤber ihrer graͤßlichen Ver- aͤnderung gantz auſer ſich ſelbſt. Er rief ſo laut, daß die gantze hole Tiefe der Hoͤllen davon erſchallete. Fuͤrſten, Herzoge, Kriegeshaͤupter, der Aus- bund des Himmels, der unlaͤngſt euer war, je- zo verlohren iſt, woferne ein ſolches Erſtaunen, wie dieſes, ewige Geiſter uͤberfallen kan; oder habet ihr dieſen Ort erwehlet, hier nach der ſtrengen Arbeit des Gefechts eure muͤde Dapfer- keit ausruhen zu laſſen, weil ihr vielleicht die Ru- he lich und nachtheilig waͤre, wo das Gemuͤthe durch das Mittel der Phantaſie in Bewegung gebracht werden muß. Seine Vergleichungen ſind nach Homers Manier verfaſſet, und dieſes dienet ihnen zum Ruhme, weil ſie zugleich der Natur derer gemaͤß ſind, auf welche ſie wuͤrcken ſollen. Man hat uͤber dieſes beobachtet, daß der ſo genannte Schwantz eines Gleichniſſes bey ihm oͤfters zum Grund ei- ner neuen Vergleichung geleget wird, und daß er das vor- hergehende mit dem nachfolgenden verbindet; dieſe Ver- bindung koͤmmt deſto ſcharfſinniger heraus, weil wir auf dieſe Weiſe zwey Gleichniſſe in einem bekommen. Von die- ſer Art ſind neben dem gegenwaͤrtigen, das von den Chi- neſen im zweyten B. welche ihre Rohrwagen mit Segel und Wind forttreiben, und im vierten B. das von dem Feld der Ceres, und andere mehr. Weil ihr die Ruhe allhier ſo ſuͤß findet) Magni hat nicht gemercket, daß Satan allein durch eine Jronie, oder auch

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung01_1741/36>, abgerufen am 20.04.2024.