[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741.Empfindungen, die von Vorurtheilen regiert, man
Empfindungen, die von Vorurtheilen regiert, man
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0012"/> Empfindungen, die von Vorurtheilen regiert,<lb/> und von Gunſt, Furcht, Haß, angeſchuͤret<lb/> werden, ſondern auf die beſtaͤndig gleiche Na-<lb/> tur des Menſchen, und derſelben Verhaͤltniß<lb/> mit den vorgeſtellten Gegenſtaͤnden geſezet waͤ-<lb/> ren; wo man ein abſonderliches Auge auf die<lb/> ſchlimmen Kunſtgriffe richtete, die angewendet<lb/> werden, die Vorurtheile, woraus der elende<lb/> Geſchmack entſteht, bey Kraͤften zu erhalten,<lb/> und mittelſt derſelben das Monopolium in der<lb/> Poeſie und Wohlredenheit fortzufuͤhren. Die<lb/> Schweiz iſt zu dergleichen Vorhaben vor an-<lb/> dern Laͤndern bequem. Die Freyheit, die<lb/> daſelbſt im Staat regiert, erſtreket ihren nuͤz-<lb/> lichen Einfluß bis in die Schriften, die da-<lb/> durch einen gewiſſen Werth der Aufrichtigkeit<lb/> und der Großmuth bekommen. Die Entfer-<lb/> nung dieſer Landesgegend von dem Vaterlande<lb/> der Poeten und Redner, und von dem Ge-<lb/> biethe derer, welche ſich ihrer aus Liebe oder<lb/> Haß annehmen; der Vortheil eines Ortes,<lb/> wo man ſie nicht weiter kennt, als aus ihren<lb/> Schriften, und die Hochſchaͤzung oder Ver-<lb/> achtung derſelben allein nach der innerlichen<lb/> Beſchaffenheit formiert, macht uns eine ſiche-<lb/> rere Hoffnung zu unpartheyligen Urtheilen.<lb/> Und da mittelſt dieſer Sammlung ein Verfaſ-<lb/> ſer in den ſchweizeriſchen Gebuͤrgen, wie in<lb/> einem Hinterhalt, verborgen liegt, verſpricht<lb/> <fw place="bottom" type="catch">man</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0012]
Empfindungen, die von Vorurtheilen regiert,
und von Gunſt, Furcht, Haß, angeſchuͤret
werden, ſondern auf die beſtaͤndig gleiche Na-
tur des Menſchen, und derſelben Verhaͤltniß
mit den vorgeſtellten Gegenſtaͤnden geſezet waͤ-
ren; wo man ein abſonderliches Auge auf die
ſchlimmen Kunſtgriffe richtete, die angewendet
werden, die Vorurtheile, woraus der elende
Geſchmack entſteht, bey Kraͤften zu erhalten,
und mittelſt derſelben das Monopolium in der
Poeſie und Wohlredenheit fortzufuͤhren. Die
Schweiz iſt zu dergleichen Vorhaben vor an-
dern Laͤndern bequem. Die Freyheit, die
daſelbſt im Staat regiert, erſtreket ihren nuͤz-
lichen Einfluß bis in die Schriften, die da-
durch einen gewiſſen Werth der Aufrichtigkeit
und der Großmuth bekommen. Die Entfer-
nung dieſer Landesgegend von dem Vaterlande
der Poeten und Redner, und von dem Ge-
biethe derer, welche ſich ihrer aus Liebe oder
Haß annehmen; der Vortheil eines Ortes,
wo man ſie nicht weiter kennt, als aus ihren
Schriften, und die Hochſchaͤzung oder Ver-
achtung derſelben allein nach der innerlichen
Beſchaffenheit formiert, macht uns eine ſiche-
rere Hoffnung zu unpartheyligen Urtheilen.
Und da mittelſt dieſer Sammlung ein Verfaſ-
ſer in den ſchweizeriſchen Gebuͤrgen, wie in
einem Hinterhalt, verborgen liegt, verſpricht
man
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