Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite

man sich, daß die geschickten Sachsen und
Schlesier, die das Elend einiger von ihren be-
rühmtesten Scribenten erkennen, aber durch
den Strohm des grossen Haufens, durch
Höflichkeit, durch Freundschaft, durch Schre-
ken, durch Furcht, genöthiget sind, mit dem
Munde zu verehren, was sie im Herzen ver-
lachen, diese Gelegenheit ergreiffen werden,
der Wahrheit Zeugniß zu geben, und einiger-
massen in der Ferne wieder gut zu machen,
was sie in ihrer Heimath verderben. Dadurch
können sie die Nachwelt auf das allergewisse-
ste überzeugen, daß das verderbte Urtheil bey
den jeztlebenden Kunstrichtern nicht allgemein
ist; sondern, so oft man zu unsern Zeiten
von dem übeln Geschmake der Deutschen re-
det, eine billige Ausnahme von einer starken
und ins Auge fallenden Anzahl gründlicher und
vortrefflicher Kenner vorauszusetzen sey.

Man überläßt einem jeden, seiner Arbeit,
die er durch diesen Weg bekannt machen will,
eine Form nach seinem Belieben zu geben,
doch wird man diejenigen Stüke am werthesten
halten, worinnen der trukene Vortrag der
dogmatischen Lehre auf eine muntere Weise
belebet wird; und man wird den Schertz alle-
zeit hochachten, der aus der Sache selber her-
vorfließt, und nichts anders ist, als eine kunst-
reiche Vorstellung des Lächerlichen, das in

der

man ſich, daß die geſchickten Sachſen und
Schleſier, die das Elend einiger von ihren be-
ruͤhmteſten Scribenten erkennen, aber durch
den Strohm des groſſen Haufens, durch
Hoͤflichkeit, durch Freundſchaft, durch Schre-
ken, durch Furcht, genoͤthiget ſind, mit dem
Munde zu verehren, was ſie im Herzen ver-
lachen, dieſe Gelegenheit ergreiffen werden,
der Wahrheit Zeugniß zu geben, und einiger-
maſſen in der Ferne wieder gut zu machen,
was ſie in ihrer Heimath verderben. Dadurch
koͤnnen ſie die Nachwelt auf das allergewiſſe-
ſte uͤberzeugen, daß das verderbte Urtheil bey
den jeztlebenden Kunſtrichtern nicht allgemein
iſt; ſondern, ſo oft man zu unſern Zeiten
von dem uͤbeln Geſchmake der Deutſchen re-
det, eine billige Ausnahme von einer ſtarken
und ins Auge fallenden Anzahl gruͤndlicher und
vortrefflicher Kenner vorauszuſetzen ſey.

Man uͤberlaͤßt einem jeden, ſeiner Arbeit,
die er durch dieſen Weg bekannt machen will,
eine Form nach ſeinem Belieben zu geben,
doch wird man diejenigen Stuͤke am wertheſten
halten, worinnen der trukene Vortrag der
dogmatiſchen Lehre auf eine muntere Weiſe
belebet wird; und man wird den Schertz alle-
zeit hochachten, der aus der Sache ſelber her-
vorfließt, und nichts anders iſt, als eine kunſt-
reiche Vorſtellung des Laͤcherlichen, das in

der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0013"/>
man &#x017F;ich, daß die ge&#x017F;chickten Sach&#x017F;en und<lb/>
Schle&#x017F;ier, die das Elend einiger von ihren be-<lb/>
ru&#x0364;hmte&#x017F;ten Scribenten erkennen, aber durch<lb/>
den Strohm des gro&#x017F;&#x017F;en Haufens, durch<lb/>
Ho&#x0364;flichkeit, durch Freund&#x017F;chaft, durch Schre-<lb/>
ken, durch Furcht, geno&#x0364;thiget &#x017F;ind, mit dem<lb/>
Munde zu verehren, was &#x017F;ie im Herzen ver-<lb/>
lachen, die&#x017F;e Gelegenheit ergreiffen werden,<lb/>
der Wahrheit Zeugniß zu geben, und einiger-<lb/>
ma&#x017F;&#x017F;en in der Ferne wieder gut zu machen,<lb/>
was &#x017F;ie in ihrer Heimath verderben. Dadurch<lb/>
ko&#x0364;nnen &#x017F;ie die Nachwelt auf das allergewi&#x017F;&#x017F;e-<lb/>
&#x017F;te u&#x0364;berzeugen, daß das verderbte Urtheil bey<lb/>
den jeztlebenden Kun&#x017F;trichtern nicht allgemein<lb/>
i&#x017F;t; &#x017F;ondern, &#x017F;o oft man zu un&#x017F;ern Zeiten<lb/>
von dem u&#x0364;beln Ge&#x017F;chmake der Deut&#x017F;chen re-<lb/>
det, eine billige Ausnahme von einer &#x017F;tarken<lb/>
und ins Auge fallenden Anzahl gru&#x0364;ndlicher und<lb/>
vortrefflicher Kenner vorauszu&#x017F;etzen &#x017F;ey.</p><lb/>
        <p>Man u&#x0364;berla&#x0364;ßt einem jeden, &#x017F;einer Arbeit,<lb/>
die er durch die&#x017F;en Weg bekannt machen will,<lb/>
eine Form nach &#x017F;einem Belieben zu geben,<lb/>
doch wird man diejenigen Stu&#x0364;ke am werthe&#x017F;ten<lb/>
halten, worinnen der trukene Vortrag der<lb/>
dogmati&#x017F;chen Lehre auf eine muntere Wei&#x017F;e<lb/>
belebet wird; und man wird den Schertz alle-<lb/>
zeit hochachten, der aus der Sache &#x017F;elber her-<lb/>
vorfließt, und nichts anders i&#x017F;t, als eine kun&#x017F;t-<lb/>
reiche Vor&#x017F;tellung des La&#x0364;cherlichen, das in<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0013] man ſich, daß die geſchickten Sachſen und Schleſier, die das Elend einiger von ihren be- ruͤhmteſten Scribenten erkennen, aber durch den Strohm des groſſen Haufens, durch Hoͤflichkeit, durch Freundſchaft, durch Schre- ken, durch Furcht, genoͤthiget ſind, mit dem Munde zu verehren, was ſie im Herzen ver- lachen, dieſe Gelegenheit ergreiffen werden, der Wahrheit Zeugniß zu geben, und einiger- maſſen in der Ferne wieder gut zu machen, was ſie in ihrer Heimath verderben. Dadurch koͤnnen ſie die Nachwelt auf das allergewiſſe- ſte uͤberzeugen, daß das verderbte Urtheil bey den jeztlebenden Kunſtrichtern nicht allgemein iſt; ſondern, ſo oft man zu unſern Zeiten von dem uͤbeln Geſchmake der Deutſchen re- det, eine billige Ausnahme von einer ſtarken und ins Auge fallenden Anzahl gruͤndlicher und vortrefflicher Kenner vorauszuſetzen ſey. Man uͤberlaͤßt einem jeden, ſeiner Arbeit, die er durch dieſen Weg bekannt machen will, eine Form nach ſeinem Belieben zu geben, doch wird man diejenigen Stuͤke am wertheſten halten, worinnen der trukene Vortrag der dogmatiſchen Lehre auf eine muntere Weiſe belebet wird; und man wird den Schertz alle- zeit hochachten, der aus der Sache ſelber her- vorfließt, und nichts anders iſt, als eine kunſt- reiche Vorſtellung des Laͤcherlichen, das in der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung01_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung01_1741/13
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung01_1741/13>, abgerufen am 24.11.2024.