Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

Achtzehntes Capitel. III. Die Aristokratie. B. Die römische Aristokratie.
ordneten Geburtsaristokratie der Patricier, der Senat selbst
anfänglich gewissermaszen nur der Ausschusz ihrer Geschlechts-
häuptlinge. Selbst wenn man annimmt, dasz die Plebejer
Zutritt zu denselben gehabt haben, so waren diese doch offen-
bar in untergeordneter Stellung anwesend.

Die wichtigste Volksversammlung endlich, der sogenannte
comitiatus maximus der Centurien, in welcher die ganze
Nation zusammentrat, war so organisirt, dasz in ihr die höhern
Classen der Gesellschaft das entschiedenste Uebergewicht hatten.
Die Censusverfassung legte den gröszten Nachdruck:

a) auf das Vermögen. Schon die erste Classe der
Höchstbesteuerten mit ihren 80 Centurien für sich allein,
wenn sie einig war und die 18 Rittercenturien mit ihr stimmten,
besasz die Mehrheit aller Stimmen, so dasz ihr gegenüber die
vier andern Classen und die Masse der Proletarier und Kopf-
steuerpflichtigen zusammen, obwohl an Volkszahl jener vielfach
überlegen, dennoch in der Minderheit blieben. Aber auch in
den andern vier Classen hatten je die Reicheren in demselben
Verhältnisz wie mehr Vermögen so auch mehr Stimmrecht;
4 Personen der zweiten Classe so viel als 6 der dritten, 12
der vierten und 24 der fünften. Die gewisz damals auch sehr
zahlreichen Proletarier waren wie die noch zahlreicheren Capite
Censi
nur in je eine Centurie von 195 zusammengedrängt,
hatten somit einen sehr geringen Einflusz in einer Versamm-
lung, in welcher die Aristokratie des Reichthums so viel galt.

b) Auch die Geburt und edler Lebensberuf kamen
in Betracht, indem nach diesen Rücksichten die ersten 18
Rittercenturien gebildet und als die Edelsten an die Spitze
der Versammlung gestellt wurden.

c) Sodann war den Aeltern hinwieder ein erhöhtes
Stimmrecht eingeräumt als den Jüngern, indem die Centurien
der erstern, den Gesetzen der Sterblichkeit gemäsz, höchstens
halb so zahlreich besetzt waren als die Centurien der letztern,
und doch nicht minder als diese gezählt wurden.


Achtzehntes Capitel. III. Die Aristokratie. B. Die römische Aristokratie.
ordneten Geburtsaristokratie der Patricier, der Senat selbst
anfänglich gewissermaszen nur der Ausschusz ihrer Geschlechts-
häuptlinge. Selbst wenn man annimmt, dasz die Plebejer
Zutritt zu denselben gehabt haben, so waren diese doch offen-
bar in untergeordneter Stellung anwesend.

Die wichtigste Volksversammlung endlich, der sogenannte
comitiatus maximus der Centurien, in welcher die ganze
Nation zusammentrat, war so organisirt, dasz in ihr die höhern
Classen der Gesellschaft das entschiedenste Uebergewicht hatten.
Die Censusverfassung legte den gröszten Nachdruck:

a) auf das Vermögen. Schon die erste Classe der
Höchstbesteuerten mit ihren 80 Centurien für sich allein,
wenn sie einig war und die 18 Rittercenturien mit ihr stimmten,
besasz die Mehrheit aller Stimmen, so dasz ihr gegenüber die
vier andern Classen und die Masse der Proletarier und Kopf-
steuerpflichtigen zusammen, obwohl an Volkszahl jener vielfach
überlegen, dennoch in der Minderheit blieben. Aber auch in
den andern vier Classen hatten je die Reicheren in demselben
Verhältnisz wie mehr Vermögen so auch mehr Stimmrecht;
4 Personen der zweiten Classe so viel als 6 der dritten, 12
der vierten und 24 der fünften. Die gewisz damals auch sehr
zahlreichen Proletarier waren wie die noch zahlreicheren Capite
Censi
nur in je eine Centurie von 195 zusammengedrängt,
hatten somit einen sehr geringen Einflusz in einer Versamm-
lung, in welcher die Aristokratie des Reichthums so viel galt.

b) Auch die Geburt und edler Lebensberuf kamen
in Betracht, indem nach diesen Rücksichten die ersten 18
Rittercenturien gebildet und als die Edelsten an die Spitze
der Versammlung gestellt wurden.

c) Sodann war den Aeltern hinwieder ein erhöhtes
Stimmrecht eingeräumt als den Jüngern, indem die Centurien
der erstern, den Gesetzen der Sterblichkeit gemäsz, höchstens
halb so zahlreich besetzt waren als die Centurien der letztern,
und doch nicht minder als diese gezählt wurden.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0529" n="511"/><fw place="top" type="header">Achtzehntes Capitel. III. Die Aristokratie. B. Die römische Aristokratie.</fw><lb/>
ordneten Geburtsaristokratie der Patricier, der Senat selbst<lb/>
anfänglich gewissermaszen nur der Ausschusz ihrer Geschlechts-<lb/>
häuptlinge. Selbst wenn man annimmt, dasz die Plebejer<lb/>
Zutritt zu denselben gehabt haben, so waren diese doch offen-<lb/>
bar in untergeordneter Stellung anwesend.</p><lb/>
          <p>Die wichtigste Volksversammlung endlich, der sogenannte<lb/><hi rendition="#i">comitiatus maximus</hi> der <hi rendition="#g">Centurien</hi>, in welcher die ganze<lb/>
Nation zusammentrat, war so organisirt, dasz in ihr die höhern<lb/>
Classen der Gesellschaft das entschiedenste Uebergewicht hatten.<lb/>
Die Censusverfassung legte den gröszten Nachdruck:</p><lb/>
          <p>a) auf das <hi rendition="#g">Vermögen</hi>. Schon die erste Classe der<lb/>
Höchstbesteuerten mit ihren 80 Centurien für sich allein,<lb/>
wenn sie einig war und die 18 Rittercenturien mit ihr stimmten,<lb/>
besasz die Mehrheit aller Stimmen, so dasz ihr gegenüber die<lb/>
vier andern Classen und die Masse der Proletarier und Kopf-<lb/>
steuerpflichtigen zusammen, obwohl an Volkszahl jener vielfach<lb/>
überlegen, dennoch in der Minderheit blieben. Aber auch in<lb/>
den andern vier Classen hatten je die Reicheren in demselben<lb/>
Verhältnisz wie mehr Vermögen so auch mehr Stimmrecht;<lb/>
4 Personen der zweiten Classe so viel als 6 der dritten, 12<lb/>
der vierten und 24 der fünften. Die gewisz damals auch sehr<lb/>
zahlreichen Proletarier waren wie die noch zahlreicheren <hi rendition="#i">Capite<lb/>
Censi</hi> nur in je eine Centurie von 195 zusammengedrängt,<lb/>
hatten somit einen sehr geringen Einflusz in einer Versamm-<lb/>
lung, in welcher die Aristokratie des Reichthums so viel galt.</p><lb/>
          <p>b) Auch die <hi rendition="#g">Geburt</hi> und edler <hi rendition="#g">Lebensberuf</hi> kamen<lb/>
in Betracht, indem nach diesen Rücksichten die ersten 18<lb/>
Rittercenturien gebildet und als die Edelsten an die Spitze<lb/>
der Versammlung gestellt wurden.</p><lb/>
          <p>c) Sodann war den <hi rendition="#g">Aeltern</hi> hinwieder ein erhöhtes<lb/>
Stimmrecht eingeräumt als den Jüngern, indem die Centurien<lb/>
der erstern, den Gesetzen der Sterblichkeit gemäsz, höchstens<lb/>
halb so zahlreich besetzt waren als die Centurien der letztern,<lb/>
und doch nicht minder als diese gezählt wurden.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[511/0529] Achtzehntes Capitel. III. Die Aristokratie. B. Die römische Aristokratie. ordneten Geburtsaristokratie der Patricier, der Senat selbst anfänglich gewissermaszen nur der Ausschusz ihrer Geschlechts- häuptlinge. Selbst wenn man annimmt, dasz die Plebejer Zutritt zu denselben gehabt haben, so waren diese doch offen- bar in untergeordneter Stellung anwesend. Die wichtigste Volksversammlung endlich, der sogenannte comitiatus maximus der Centurien, in welcher die ganze Nation zusammentrat, war so organisirt, dasz in ihr die höhern Classen der Gesellschaft das entschiedenste Uebergewicht hatten. Die Censusverfassung legte den gröszten Nachdruck: a) auf das Vermögen. Schon die erste Classe der Höchstbesteuerten mit ihren 80 Centurien für sich allein, wenn sie einig war und die 18 Rittercenturien mit ihr stimmten, besasz die Mehrheit aller Stimmen, so dasz ihr gegenüber die vier andern Classen und die Masse der Proletarier und Kopf- steuerpflichtigen zusammen, obwohl an Volkszahl jener vielfach überlegen, dennoch in der Minderheit blieben. Aber auch in den andern vier Classen hatten je die Reicheren in demselben Verhältnisz wie mehr Vermögen so auch mehr Stimmrecht; 4 Personen der zweiten Classe so viel als 6 der dritten, 12 der vierten und 24 der fünften. Die gewisz damals auch sehr zahlreichen Proletarier waren wie die noch zahlreicheren Capite Censi nur in je eine Centurie von 195 zusammengedrängt, hatten somit einen sehr geringen Einflusz in einer Versamm- lung, in welcher die Aristokratie des Reichthums so viel galt. b) Auch die Geburt und edler Lebensberuf kamen in Betracht, indem nach diesen Rücksichten die ersten 18 Rittercenturien gebildet und als die Edelsten an die Spitze der Versammlung gestellt wurden. c) Sodann war den Aeltern hinwieder ein erhöhtes Stimmrecht eingeräumt als den Jüngern, indem die Centurien der erstern, den Gesetzen der Sterblichkeit gemäsz, höchstens halb so zahlreich besetzt waren als die Centurien der letztern, und doch nicht minder als diese gezählt wurden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/529
Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/529>, abgerufen am 24.11.2024.