zu Sparta innerhalb der Aristokratie auch hierin Gleichheit bestand. Die meisten vornehmen römischen Familien waren und blieben conservativ gesinnt; aber einzelne, wie z. B. die patricischen Valerier und die plebejischen Publilier und Si- cinier haben vorzugsweise in liberaler Richtung gehandelt; die Claudier dagegen mit seltenen Ausnahmen sind den englischen Tories zu vergleichen.
2. Die Volksversammlungen. Von den drei Arten der römischen Comitien waren nur die jüngsten, die Tribut- comitien, demokratisch organisirt. Ihrer ursprünglichen Be- stimmung nach sollten sie indessen nur als Organ für die Stimmung und Meinung des untergeordneten Standes der Ple- bejer und als Schranke der patricischen Uebermacht dienen, nicht aber an der eigentlichen Leitung des States Theil haben. Später wurden sie allerdings nicht blosz zu einem einzelnen Factor der gesetzgebenden Macht, sondern erlangten für sich allein die volle gesetzgebende Gewalt. Aber selbst in den letzten Jahrhunderten der Republik, während welcher die alte Aristokratie in Verfall gerieth und die Monarchie vorbereitet wurde, übten die demokratischen Tributcomitien doch nur in seltenen Ausnahmsfällen, von ehrgeizigen Tribunen geleitet, eine durchgreifende oberste Macht aus. In der Regel hemmten die Tribunen selbst schon, die allein Vorschläge machen durften, und von denen je einer den andern controlirte und hindern konnte, und überdem die Rücksicht auf die mächtige Autorität des Senats jede Ausschreitung der Demokratie, und es waren daher gewöhnlich auch diese Comitien nur ein Ferment und eine Schranke der äuszerst zähen und meistens übermächtigen Aristokratie.
Die Curiatcomitien dagegen, in den ersten Jahrhun- derten der Republik noch eine bedeutende Macht, in den letzten Zeiten derselben freilich nur eine formelle Scheinmacht, waren durchaus aristokratisch. Sie waren vornehmlich die Versammlung der alten, nach Geschlechtern und Curien ge-
Sechstes Buch. Die Statsformen.
zu Sparta innerhalb der Aristokratie auch hierin Gleichheit bestand. Die meisten vornehmen römischen Familien waren und blieben conservativ gesinnt; aber einzelne, wie z. B. die patricischen Valerier und die plebejischen Publilier und Si- cinier haben vorzugsweise in liberaler Richtung gehandelt; die Claudier dagegen mit seltenen Ausnahmen sind den englischen Tories zu vergleichen.
2. Die Volksversammlungen. Von den drei Arten der römischen Comitien waren nur die jüngsten, die Tribut- comitien, demokratisch organisirt. Ihrer ursprünglichen Be- stimmung nach sollten sie indessen nur als Organ für die Stimmung und Meinung des untergeordneten Standes der Ple- bejer und als Schranke der patricischen Uebermacht dienen, nicht aber an der eigentlichen Leitung des States Theil haben. Später wurden sie allerdings nicht blosz zu einem einzelnen Factor der gesetzgebenden Macht, sondern erlangten für sich allein die volle gesetzgebende Gewalt. Aber selbst in den letzten Jahrhunderten der Republik, während welcher die alte Aristokratie in Verfall gerieth und die Monarchie vorbereitet wurde, übten die demokratischen Tributcomitien doch nur in seltenen Ausnahmsfällen, von ehrgeizigen Tribunen geleitet, eine durchgreifende oberste Macht aus. In der Regel hemmten die Tribunen selbst schon, die allein Vorschläge machen durften, und von denen je einer den andern controlirte und hindern konnte, und überdem die Rücksicht auf die mächtige Autorität des Senats jede Ausschreitung der Demokratie, und es waren daher gewöhnlich auch diese Comitien nur ein Ferment und eine Schranke der äuszerst zähen und meistens übermächtigen Aristokratie.
Die Curiatcomitien dagegen, in den ersten Jahrhun- derten der Republik noch eine bedeutende Macht, in den letzten Zeiten derselben freilich nur eine formelle Scheinmacht, waren durchaus aristokratisch. Sie waren vornehmlich die Versammlung der alten, nach Geschlechtern und Curien ge-
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Sechstes Buch. Die Statsformen.
zu Sparta innerhalb der Aristokratie auch hierin Gleichheit
bestand. Die meisten vornehmen römischen Familien waren
und blieben conservativ gesinnt; aber einzelne, wie z. B. die
patricischen Valerier und die plebejischen Publilier und Si-
cinier haben vorzugsweise in liberaler Richtung gehandelt; die
Claudier dagegen mit seltenen Ausnahmen sind den englischen
Tories zu vergleichen.
2. Die Volksversammlungen. Von den drei Arten
der römischen Comitien waren nur die jüngsten, die Tribut-
comitien, demokratisch organisirt. Ihrer ursprünglichen Be-
stimmung nach sollten sie indessen nur als Organ für die
Stimmung und Meinung des untergeordneten Standes der Ple-
bejer und als Schranke der patricischen Uebermacht dienen,
nicht aber an der eigentlichen Leitung des States Theil haben.
Später wurden sie allerdings nicht blosz zu einem einzelnen
Factor der gesetzgebenden Macht, sondern erlangten für sich
allein die volle gesetzgebende Gewalt. Aber selbst in den
letzten Jahrhunderten der Republik, während welcher die alte
Aristokratie in Verfall gerieth und die Monarchie vorbereitet
wurde, übten die demokratischen Tributcomitien doch nur in
seltenen Ausnahmsfällen, von ehrgeizigen Tribunen geleitet,
eine durchgreifende oberste Macht aus. In der Regel hemmten
die Tribunen selbst schon, die allein Vorschläge machen durften,
und von denen je einer den andern controlirte und hindern
konnte, und überdem die Rücksicht auf die mächtige Autorität
des Senats jede Ausschreitung der Demokratie, und es waren
daher gewöhnlich auch diese Comitien nur ein Ferment und
eine Schranke der äuszerst zähen und meistens übermächtigen
Aristokratie.
Die Curiatcomitien dagegen, in den ersten Jahrhun-
derten der Republik noch eine bedeutende Macht, in den
letzten Zeiten derselben freilich nur eine formelle Scheinmacht,
waren durchaus aristokratisch. Sie waren vornehmlich die
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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 510. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/528>, abgerufen am 24.11.2024.
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