Billigung durch das Volk selbst hatte dagegen nur noch eine untergeordnete Bedeutung, und galt in den meisten Fällen, insbesondere wenn es sich um statliche oder kirchliche Orga- nisation handelte, nicht mehr als nöthig. Nur wenn das eigentliche Volksrecht verändert werden sollte, dann wurde auch die Gutheiszung des Volkes selbst noch erfordert. 5
In jener Mitwirkung der Optimaten ist der erste Ansatz der ständischen Repräsentation zu erkennen, welche in den spätern Jahrhunderten eine so groszartige Ausbildung erlangt und den repräsentativen Stat hervorgebracht hat.
2. Regierung. Die Grösze des States und die damalige Umgestaltung der öffentlichen Zustände machten eine Regie- rungsgewalt, wie sie dem ältern germanischen Leben unbe- kannt gewesen, zum unabweisbaren Volksbedürfnisz. Der Idee für die Handhabung des Friedens und die Aufrechthaltung des Rechts zu sorgen, gesellte sich die Rücksicht auf die öffentliche Wohlfahrt bei. Indessen war den germani- schen Vorstellungen das römische Imperium ein zu fremder und unerträglicher Begriff, als dasz derselbe hätte adoptirt werden können. Vielmehr erhob sich die neue Regierungs- macht im Geiste der einheimischen Mundschaft (mundi- burdium, mundium, auch sermo, verbum Regis). Diese königliche Mundschaft verhält sich auf dem Gebiete des Stats- rechts zu dem römischen Imperium gerade so, wie die Vor- mundschaft des deutschen Ehemanns und Vaters zu der rö- mischen potestas im Familienrecht. Sie ist nicht eine abso- lute Herrschergewalt, sondern der Schutz der Rechte des Volks und der Unterthanen und die Sorge für deren Wohl sind die Ideen, welche sie beleben. 6 Die Vorstellung der
5 Capitul Caroli M. III. a. 803. c. 19: "ut populus interrogetur de capitulis quae in lege noviter addita sunt. Et postquam omnes con- senserint subscriptiones et manufirmationes suas in ipsis capitulis faciant."
6Du Cange s. v. mundiburdis et mundiburdium. Vgl. cap. Caroli M. a. 802. c. 40. Hincmar de Ordine Pal. 6: "Et Rex in semetipso nominis
Sechstes Buch. Die Statsformen.
Billigung durch das Volk selbst hatte dagegen nur noch eine untergeordnete Bedeutung, und galt in den meisten Fällen, insbesondere wenn es sich um statliche oder kirchliche Orga- nisation handelte, nicht mehr als nöthig. Nur wenn das eigentliche Volksrecht verändert werden sollte, dann wurde auch die Gutheiszung des Volkes selbst noch erfordert. 5
In jener Mitwirkung der Optimaten ist der erste Ansatz der ständischen Repräsentation zu erkennen, welche in den spätern Jahrhunderten eine so groszartige Ausbildung erlangt und den repräsentativen Stat hervorgebracht hat.
2. Regierung. Die Grösze des States und die damalige Umgestaltung der öffentlichen Zustände machten eine Regie- rungsgewalt, wie sie dem ältern germanischen Leben unbe- kannt gewesen, zum unabweisbaren Volksbedürfnisz. Der Idee für die Handhabung des Friedens und die Aufrechthaltung des Rechts zu sorgen, gesellte sich die Rücksicht auf die öffentliche Wohlfahrt bei. Indessen war den germani- schen Vorstellungen das römische Imperium ein zu fremder und unerträglicher Begriff, als dasz derselbe hätte adoptirt werden können. Vielmehr erhob sich die neue Regierungs- macht im Geiste der einheimischen Mundschaft (mundi- burdium, mundium, auch sermo, verbum Regis). Diese königliche Mundschaft verhält sich auf dem Gebiete des Stats- rechts zu dem römischen Imperium gerade so, wie die Vor- mundschaft des deutschen Ehemanns und Vaters zu der rö- mischen potestas im Familienrecht. Sie ist nicht eine abso- lute Herrschergewalt, sondern der Schutz der Rechte des Volks und der Unterthanen und die Sorge für deren Wohl sind die Ideen, welche sie beleben. 6 Die Vorstellung der
5 Capitul Caroli M. III. a. 803. c. 19: „ut populus interrogetur de capitulis quae in lege noviter addita sunt. Et postquam omnes con- senserint subscriptiones et manufirmationes suas in ipsis capitulis faciant.“
6Du Cange s. v. mundiburdis et mundiburdium. Vgl. cap. Caroli M. a. 802. c. 40. Hincmar de Ordine Pal. 6: „Et Rex in semetipso nominis
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Sechstes Buch. Die Statsformen.
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nisation handelte, nicht mehr als nöthig. Nur wenn das
eigentliche Volksrecht verändert werden sollte, dann wurde
auch die Gutheiszung des Volkes selbst noch erfordert. 5
In jener Mitwirkung der Optimaten ist der erste Ansatz
der ständischen Repräsentation zu erkennen, welche in
den spätern Jahrhunderten eine so groszartige Ausbildung
erlangt und den repräsentativen Stat hervorgebracht hat.
2. Regierung. Die Grösze des States und die damalige
Umgestaltung der öffentlichen Zustände machten eine Regie-
rungsgewalt, wie sie dem ältern germanischen Leben unbe-
kannt gewesen, zum unabweisbaren Volksbedürfnisz. Der Idee
für die Handhabung des Friedens und die Aufrechthaltung
des Rechts zu sorgen, gesellte sich die Rücksicht auf die
öffentliche Wohlfahrt bei. Indessen war den germani-
schen Vorstellungen das römische Imperium ein zu fremder
und unerträglicher Begriff, als dasz derselbe hätte adoptirt
werden können. Vielmehr erhob sich die neue Regierungs-
macht im Geiste der einheimischen Mundschaft (mundi-
burdium, mundium, auch sermo, verbum Regis). Diese
königliche Mundschaft verhält sich auf dem Gebiete des Stats-
rechts zu dem römischen Imperium gerade so, wie die Vor-
mundschaft des deutschen Ehemanns und Vaters zu der rö-
mischen potestas im Familienrecht. Sie ist nicht eine abso-
lute Herrschergewalt, sondern der Schutz der Rechte des
Volks und der Unterthanen und die Sorge für deren Wohl
sind die Ideen, welche sie beleben. 6 Die Vorstellung der
5 Capitul Caroli M. III. a. 803. c. 19: „ut populus interrogetur
de capitulis quae in lege noviter addita sunt. Et postquam omnes con-
senserint subscriptiones et manufirmationes suas in ipsis capitulis faciant.“
6 Du Cange s. v. mundiburdis et mundiburdium. Vgl. cap. Caroli
M. a. 802. c. 40. Hincmar de Ordine Pal. 6: „Et Rex in semetipso nominis
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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/442>, abgerufen am 22.11.2024.
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