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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Viertes Buch. Von der Entstehung und dem Untergang des States.
mern) hin, die Verfassung ist aber ihrem Inhalte nach durch
den leitenden Willen der preuszischen Regierung in Verbin-
dung mit den Arbeiten des einheitlichen Reichstags als der
Vertretung des deutschen Volkes zu Stande gekommen. Wie
hier Vertrag und Gesetz sich seltsam verbinden, so er-
innert die Vertretung der verbündeten Regierungen in dem
Bundesrathe noch ganz an den früheren statenbündlichen
deutschen Bundestag. Auch die anfängliche Bezeichnung
"Bundespräsidium", welches der königlichen Krone Preuszen
zukam, hatte noch dasselbe statenbündliche Gepräge. Aber
wenn daneben die wirkliche Machtstellung dieses Bundesprä-
sidiums und die verfassungsmäszigen Befugnisse desselben --
insbesondere auch als Bundesfeldherrn -- erwogen werden,
so trat schon damals aus der Verhüllung das deutsche
Reichsoberhaupt
-- in deutlichen Umrissen hervor, wel-
ches nun in der deutschen Reichsverfassung unter dem maje-
stätischen Namen der deutsche Kaiser zur Anerkennung
gelangt ist. Die Institution des Reichstags aber ist von
Anfang an einheitlicher gedacht und durchgeführt als
selbst der nordamerikanische Congresz und die schweizerische
Bundesversammlung.

Von den republikanischen Föderationen unterscheidet sich
also die Verfassung des deutschen Reiches hauptsächlich durch
folgende Dinge:

a) Dadurch, dasz in diesem manche leitenden Organe
des Gesammtstats
mit den obrigkeitlichen Organen
der einzelnen Landesstaten
nothwendig oder thatsäch-
lich verbunden sind, wie der deutsche Kaiser mit dem
Könige von Preuszen. die Mitglieder des Bundesraths mit den
Regierungen der Länderstaten, der Reichskanzler und groszen
Theils die höheren Beamten des Reichskanzleramtes mit den
preuszischen Ministerien, während in jenen Bundesstaten
die Trennung der beiden Organismen grundsätzlich durch-
geführt ist.


Viertes Buch. Von der Entstehung und dem Untergang des States.
mern) hin, die Verfassung ist aber ihrem Inhalte nach durch
den leitenden Willen der preuszischen Regierung in Verbin-
dung mit den Arbeiten des einheitlichen Reichstags als der
Vertretung des deutschen Volkes zu Stande gekommen. Wie
hier Vertrag und Gesetz sich seltsam verbinden, so er-
innert die Vertretung der verbündeten Regierungen in dem
Bundesrathe noch ganz an den früheren statenbündlichen
deutschen Bundestag. Auch die anfängliche Bezeichnung
„Bundespräsidium“, welches der königlichen Krone Preuszen
zukam, hatte noch dasselbe statenbündliche Gepräge. Aber
wenn daneben die wirkliche Machtstellung dieses Bundesprä-
sidiums und die verfassungsmäszigen Befugnisse desselben —
insbesondere auch als Bundesfeldherrn — erwogen werden,
so trat schon damals aus der Verhüllung das deutsche
Reichsoberhaupt
— in deutlichen Umrissen hervor, wel-
ches nun in der deutschen Reichsverfassung unter dem maje-
stätischen Namen der deutsche Kaiser zur Anerkennung
gelangt ist. Die Institution des Reichstags aber ist von
Anfang an einheitlicher gedacht und durchgeführt als
selbst der nordamerikanische Congresz und die schweizerische
Bundesversammlung.

Von den republikanischen Föderationen unterscheidet sich
also die Verfassung des deutschen Reiches hauptsächlich durch
folgende Dinge:

a) Dadurch, dasz in diesem manche leitenden Organe
des Gesammtstats
mit den obrigkeitlichen Organen
der einzelnen Landesstaten
nothwendig oder thatsäch-
lich verbunden sind, wie der deutsche Kaiser mit dem
Könige von Preuszen. die Mitglieder des Bundesraths mit den
Regierungen der Länderstaten, der Reichskanzler und groszen
Theils die höheren Beamten des Reichskanzleramtes mit den
preuszischen Ministerien, während in jenen Bundesstaten
die Trennung der beiden Organismen grundsätzlich durch-
geführt ist.


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[310/0328] Viertes Buch. Von der Entstehung und dem Untergang des States. mern) hin, die Verfassung ist aber ihrem Inhalte nach durch den leitenden Willen der preuszischen Regierung in Verbin- dung mit den Arbeiten des einheitlichen Reichstags als der Vertretung des deutschen Volkes zu Stande gekommen. Wie hier Vertrag und Gesetz sich seltsam verbinden, so er- innert die Vertretung der verbündeten Regierungen in dem Bundesrathe noch ganz an den früheren statenbündlichen deutschen Bundestag. Auch die anfängliche Bezeichnung „Bundespräsidium“, welches der königlichen Krone Preuszen zukam, hatte noch dasselbe statenbündliche Gepräge. Aber wenn daneben die wirkliche Machtstellung dieses Bundesprä- sidiums und die verfassungsmäszigen Befugnisse desselben — insbesondere auch als Bundesfeldherrn — erwogen werden, so trat schon damals aus der Verhüllung das deutsche Reichsoberhaupt — in deutlichen Umrissen hervor, wel- ches nun in der deutschen Reichsverfassung unter dem maje- stätischen Namen der deutsche Kaiser zur Anerkennung gelangt ist. Die Institution des Reichstags aber ist von Anfang an einheitlicher gedacht und durchgeführt als selbst der nordamerikanische Congresz und die schweizerische Bundesversammlung. Von den republikanischen Föderationen unterscheidet sich also die Verfassung des deutschen Reiches hauptsächlich durch folgende Dinge: a) Dadurch, dasz in diesem manche leitenden Organe des Gesammtstats mit den obrigkeitlichen Organen der einzelnen Landesstaten nothwendig oder thatsäch- lich verbunden sind, wie der deutsche Kaiser mit dem Könige von Preuszen. die Mitglieder des Bundesraths mit den Regierungen der Länderstaten, der Reichskanzler und groszen Theils die höheren Beamten des Reichskanzleramtes mit den preuszischen Ministerien, während in jenen Bundesstaten die Trennung der beiden Organismen grundsätzlich durch- geführt ist.

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/328>, abgerufen am 03.05.2024.