Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
angeschlagen werden. Daher hat der Stat nicht allein, wie in dem übrigen Privatrecht, die Pflicht, das Familienrecht zu schützen und zu erhalten, sondern er hat zugleich ein hohes Interesse, so viel bei ihm steht, die Gesundheit des Familien- lebens zu fördern und zu erhalten. Es ist zwar seine Macht hier eine geringe -- eben weil die Familie keine Statsinsti- tution ist -- meistens auch nur eine mittelbar wirkende; in einigen Beziehungen aber kann und darf der Stat wohl die individuelle Willkür beschränken:
I. Mit Bezug auf die Ehe:
1. Die politisch höher gebildeten Völker legen alle einen entschiedenen Werth auf die Monogamie. Mehrere Männer verwirren sogar die Abstammung, mehrere Frauen bringen Zwietracht in die Familie. Die volle Einheit der Ehe ist nur gedenkbar in der Einigung eines Mannes und einer Frau. Die Zweiheit der Geschlechter, in welche die Menschheit ge- theilt ist, wird in der Monogamie zur Einheit verbunden. Eine Mehrheit von Ehegenossen entspricht daher weder der Natur, noch der sittlichen Idee. Daher soll der Stat sie nicht dulden. Als die gallischen Bischöfe gegen die Doppelehen der Merowingischen Könige eiferten, und nicht nachlieszen, bis dieselben auf das alte Privilegium germanischer Fürsten, mehrere Frauen zu halten, verzichteten, vertheidigten sie nicht blosz ein christliches, sondern zugleich ein statliches Princip. Die Monogamie hebt die Frau zu voller Genossen- schaft mit dem Manne empor und die erhobenen Frauen ver- edeln hinwieder die Männer. Die Polygamie dagegen drückt die Frauen zu bloszen Werkzeugen der sinnlichen Lust der Männer nieder, und die ungebildeten entwürdigten Frauen ziehen hinwieder die Männer abwärts. Die Monogamie ist der Vorzug der europäischen und der christlichen Nationen. Die Polygamie ist das Erbübel vieler orientalischer Nationen.
2. Eine würdige Auffassung des rechtlichen Ver- hältnisses der Ehegatten ist nicht minder wichtig.
Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
angeschlagen werden. Daher hat der Stat nicht allein, wie in dem übrigen Privatrecht, die Pflicht, das Familienrecht zu schützen und zu erhalten, sondern er hat zugleich ein hohes Interesse, so viel bei ihm steht, die Gesundheit des Familien- lebens zu fördern und zu erhalten. Es ist zwar seine Macht hier eine geringe — eben weil die Familie keine Statsinsti- tution ist — meistens auch nur eine mittelbar wirkende; in einigen Beziehungen aber kann und darf der Stat wohl die individuelle Willkür beschränken:
I. Mit Bezug auf die Ehe:
1. Die politisch höher gebildeten Völker legen alle einen entschiedenen Werth auf die Monogamie. Mehrere Männer verwirren sogar die Abstammung, mehrere Frauen bringen Zwietracht in die Familie. Die volle Einheit der Ehe ist nur gedenkbar in der Einigung eines Mannes und einer Frau. Die Zweiheit der Geschlechter, in welche die Menschheit ge- theilt ist, wird in der Monogamie zur Einheit verbunden. Eine Mehrheit von Ehegenossen entspricht daher weder der Natur, noch der sittlichen Idee. Daher soll der Stat sie nicht dulden. Als die gallischen Bischöfe gegen die Doppelehen der Merowingischen Könige eiferten, und nicht nachlieszen, bis dieselben auf das alte Privilegium germanischer Fürsten, mehrere Frauen zu halten, verzichteten, vertheidigten sie nicht blosz ein christliches, sondern zugleich ein statliches Princip. Die Monogamie hebt die Frau zu voller Genossen- schaft mit dem Manne empor und die erhobenen Frauen ver- edeln hinwieder die Männer. Die Polygamie dagegen drückt die Frauen zu bloszen Werkzeugen der sinnlichen Lust der Männer nieder, und die ungebildeten entwürdigten Frauen ziehen hinwieder die Männer abwärts. Die Monogamie ist der Vorzug der europäischen und der christlichen Nationen. Die Polygamie ist das Erbübel vieler orientalischer Nationen.
2. Eine würdige Auffassung des rechtlichen Ver- hältnisses der Ehegatten ist nicht minder wichtig.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0238"n="220"/><fwplace="top"type="header">Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.</fw><lb/>
angeschlagen werden. Daher hat der Stat nicht allein, wie<lb/>
in dem übrigen Privatrecht, die Pflicht, das Familienrecht zu<lb/>
schützen und zu erhalten, sondern er hat zugleich ein hohes<lb/>
Interesse, so viel bei ihm steht, die Gesundheit des Familien-<lb/>
lebens zu fördern und zu erhalten. Es ist zwar seine Macht<lb/>
hier eine geringe — eben weil die Familie keine Statsinsti-<lb/>
tution ist — meistens auch nur eine mittelbar wirkende; in<lb/>
einigen Beziehungen aber kann und darf der Stat wohl die<lb/>
individuelle Willkür beschränken:</p><lb/><p>I. Mit Bezug auf die <hirendition="#g">Ehe</hi>:</p><lb/><p>1. Die politisch höher gebildeten Völker legen alle einen<lb/>
entschiedenen Werth auf die <hirendition="#g">Monogamie</hi>. Mehrere Männer<lb/>
verwirren sogar die Abstammung, mehrere Frauen bringen<lb/>
Zwietracht in die Familie. Die volle Einheit der Ehe ist nur<lb/>
gedenkbar in der Einigung eines Mannes und einer Frau.<lb/>
Die Zweiheit der Geschlechter, in welche die Menschheit ge-<lb/>
theilt ist, wird in der Monogamie zur Einheit verbunden.<lb/>
Eine Mehrheit von Ehegenossen entspricht daher weder der<lb/>
Natur, noch der sittlichen Idee. Daher soll der Stat sie nicht<lb/>
dulden. Als die gallischen Bischöfe gegen die Doppelehen<lb/>
der Merowingischen Könige eiferten, und nicht nachlieszen,<lb/>
bis dieselben auf das alte Privilegium germanischer Fürsten,<lb/>
mehrere Frauen zu halten, verzichteten, vertheidigten sie<lb/>
nicht blosz ein christliches, sondern zugleich ein <hirendition="#g">statliches<lb/>
Princip</hi>. Die Monogamie hebt die Frau zu voller Genossen-<lb/>
schaft mit dem Manne empor und die erhobenen Frauen ver-<lb/>
edeln hinwieder die Männer. Die Polygamie dagegen drückt<lb/>
die Frauen zu bloszen Werkzeugen der sinnlichen Lust der<lb/>
Männer nieder, und die ungebildeten entwürdigten Frauen<lb/>
ziehen hinwieder die Männer abwärts. Die Monogamie ist<lb/>
der Vorzug der europäischen und der christlichen Nationen.<lb/>
Die Polygamie ist das Erbübel vieler orientalischer Nationen.</p><lb/><p>2. Eine <hirendition="#g">würdige Auffassung des rechtlichen Ver-<lb/>
hältnisses der Ehegatten</hi> ist nicht minder wichtig.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[220/0238]
Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
angeschlagen werden. Daher hat der Stat nicht allein, wie
in dem übrigen Privatrecht, die Pflicht, das Familienrecht zu
schützen und zu erhalten, sondern er hat zugleich ein hohes
Interesse, so viel bei ihm steht, die Gesundheit des Familien-
lebens zu fördern und zu erhalten. Es ist zwar seine Macht
hier eine geringe — eben weil die Familie keine Statsinsti-
tution ist — meistens auch nur eine mittelbar wirkende; in
einigen Beziehungen aber kann und darf der Stat wohl die
individuelle Willkür beschränken:
I. Mit Bezug auf die Ehe:
1. Die politisch höher gebildeten Völker legen alle einen
entschiedenen Werth auf die Monogamie. Mehrere Männer
verwirren sogar die Abstammung, mehrere Frauen bringen
Zwietracht in die Familie. Die volle Einheit der Ehe ist nur
gedenkbar in der Einigung eines Mannes und einer Frau.
Die Zweiheit der Geschlechter, in welche die Menschheit ge-
theilt ist, wird in der Monogamie zur Einheit verbunden.
Eine Mehrheit von Ehegenossen entspricht daher weder der
Natur, noch der sittlichen Idee. Daher soll der Stat sie nicht
dulden. Als die gallischen Bischöfe gegen die Doppelehen
der Merowingischen Könige eiferten, und nicht nachlieszen,
bis dieselben auf das alte Privilegium germanischer Fürsten,
mehrere Frauen zu halten, verzichteten, vertheidigten sie
nicht blosz ein christliches, sondern zugleich ein statliches
Princip. Die Monogamie hebt die Frau zu voller Genossen-
schaft mit dem Manne empor und die erhobenen Frauen ver-
edeln hinwieder die Männer. Die Polygamie dagegen drückt
die Frauen zu bloszen Werkzeugen der sinnlichen Lust der
Männer nieder, und die ungebildeten entwürdigten Frauen
ziehen hinwieder die Männer abwärts. Die Monogamie ist
der Vorzug der europäischen und der christlichen Nationen.
Die Polygamie ist das Erbübel vieler orientalischer Nationen.
2. Eine würdige Auffassung des rechtlichen Ver-
hältnisses der Ehegatten ist nicht minder wichtig.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/238>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.