Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
auf dem linken Rheinufer an Frankreich zu entschädigen, und muszten sogar dazu dienen, auch italienische Fürsten, die aus Italien verdrängt wurden, mit deutschem Gebiet auszu- statten. Von den drei geistlichen Kurfürsten erhielt sich nur der Kurfürst von Mainz, wurde aber als Fürstprimas nach Regensburg und später nach Aschaffenburg versetzt. Die links- rheinischen Länder hatte auch er verloren. Der Groszherzog von Toscana erhielt das Erzbisthum Salzburg und die Probstei Berchtesgaden. Pfalzbayern bekam die Bisthümer Würzburg, Bamberg, Freising, Augsburg, Passau u. s. f., Preuszen die Bisthümer Hildesheim und Paderborn, Baden Theile der Bis- thümer Constanz, Straszburg, Speyer und Basel u. s. f.
Die Säcularisation war unzweifelhaft ein Bruch des ge- schichtlichen Reichsrechts, aber sie war innerlich gerechtfertigt durch die Wandlung des öffentlichen Geistes, der keine geist- liche Statsherrschaft mehr ertrug, und durch die öffentlichen Bedürfnisse der Bevölkerung, welche nach weltlicher Verwal- tung begehrte.
b) die Mediatisirung einer groszen Anzahl von welt- lichen Reichsfürsten und Landesherren, welche durch die Rheinbundsacte vom 12. Juli 1806 vollzogen wurde. Wie die Säcularisation so war auch die Mediatisirung vornehm- lich das Werk Napoleons I. und der Ideen der französischen Revolution. Aber sie bedeutete zugleich einen Fortschritt in der statlichen Entwicklung Deutschlands, welche durch die kleinen Herren nur gehemmt, nicht gefördert ward. Die 72 mediatisirten Fürsten und Herren verloren dadurch ihre Landes- hoheit und wurden selber Unterthanen der gröszeren Landes- fürsten, aber sie behielten noch die mittlere und niedere Ge- richtsbarkeit bei und manche Privilegien. Bayern erhielt 13, Württemberg 26, Baden 9, Hessen 7, Nassau 7, das Groszherzogthum Berg 12 standesherrliche Gebiete.
Später wurden noch einige solche Herren "mediatisirt" d. h. der Landesherrschaft anderer deutschen Fürsten unter-
Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
auf dem linken Rheinufer an Frankreich zu entschädigen, und muszten sogar dazu dienen, auch italienische Fürsten, die aus Italien verdrängt wurden, mit deutschem Gebiet auszu- statten. Von den drei geistlichen Kurfürsten erhielt sich nur der Kurfürst von Mainz, wurde aber als Fürstprimas nach Regensburg und später nach Aschaffenburg versetzt. Die links- rheinischen Länder hatte auch er verloren. Der Groszherzog von Toscana erhielt das Erzbisthum Salzburg und die Probstei Berchtesgaden. Pfalzbayern bekam die Bisthümer Würzburg, Bamberg, Freising, Augsburg, Passau u. s. f., Preuszen die Bisthümer Hildesheim und Paderborn, Baden Theile der Bis- thümer Constanz, Straszburg, Speyer und Basel u. s. f.
Die Säcularisation war unzweifelhaft ein Bruch des ge- schichtlichen Reichsrechts, aber sie war innerlich gerechtfertigt durch die Wandlung des öffentlichen Geistes, der keine geist- liche Statsherrschaft mehr ertrug, und durch die öffentlichen Bedürfnisse der Bevölkerung, welche nach weltlicher Verwal- tung begehrte.
b) die Mediatisirung einer groszen Anzahl von welt- lichen Reichsfürsten und Landesherren, welche durch die Rheinbundsacte vom 12. Juli 1806 vollzogen wurde. Wie die Säcularisation so war auch die Mediatisirung vornehm- lich das Werk Napoleons I. und der Ideen der französischen Revolution. Aber sie bedeutete zugleich einen Fortschritt in der statlichen Entwicklung Deutschlands, welche durch die kleinen Herren nur gehemmt, nicht gefördert ward. Die 72 mediatisirten Fürsten und Herren verloren dadurch ihre Landes- hoheit und wurden selber Unterthanen der gröszeren Landes- fürsten, aber sie behielten noch die mittlere und niedere Ge- richtsbarkeit bei und manche Privilegien. Bayern erhielt 13, Württemberg 26, Baden 9, Hessen 7, Nassau 7, das Groszherzogthum Berg 12 standesherrliche Gebiete.
Später wurden noch einige solche Herren „mediatisirt“ d. h. der Landesherrschaft anderer deutschen Fürsten unter-
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Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
auf dem linken Rheinufer an Frankreich zu entschädigen, und
muszten sogar dazu dienen, auch italienische Fürsten, die
aus Italien verdrängt wurden, mit deutschem Gebiet auszu-
statten. Von den drei geistlichen Kurfürsten erhielt sich nur
der Kurfürst von Mainz, wurde aber als Fürstprimas nach
Regensburg und später nach Aschaffenburg versetzt. Die links-
rheinischen Länder hatte auch er verloren. Der Groszherzog
von Toscana erhielt das Erzbisthum Salzburg und die Probstei
Berchtesgaden. Pfalzbayern bekam die Bisthümer Würzburg,
Bamberg, Freising, Augsburg, Passau u. s. f., Preuszen die
Bisthümer Hildesheim und Paderborn, Baden Theile der Bis-
thümer Constanz, Straszburg, Speyer und Basel u. s. f.
Die Säcularisation war unzweifelhaft ein Bruch des ge-
schichtlichen Reichsrechts, aber sie war innerlich gerechtfertigt
durch die Wandlung des öffentlichen Geistes, der keine geist-
liche Statsherrschaft mehr ertrug, und durch die öffentlichen
Bedürfnisse der Bevölkerung, welche nach weltlicher Verwal-
tung begehrte.
b) die Mediatisirung einer groszen Anzahl von welt-
lichen Reichsfürsten und Landesherren, welche durch
die Rheinbundsacte vom 12. Juli 1806 vollzogen wurde.
Wie die Säcularisation so war auch die Mediatisirung vornehm-
lich das Werk Napoleons I. und der Ideen der französischen
Revolution. Aber sie bedeutete zugleich einen Fortschritt in
der statlichen Entwicklung Deutschlands, welche durch die
kleinen Herren nur gehemmt, nicht gefördert ward. Die 72
mediatisirten Fürsten und Herren verloren dadurch ihre Landes-
hoheit und wurden selber Unterthanen der gröszeren Landes-
fürsten, aber sie behielten noch die mittlere und niedere Ge-
richtsbarkeit bei und manche Privilegien. Bayern erhielt 13,
Württemberg 26, Baden 9, Hessen 7, Nassau 7, das
Groszherzogthum Berg 12 standesherrliche Gebiete.
Später wurden noch einige solche Herren „mediatisirt“
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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/186>, abgerufen am 23.11.2024.
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