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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Zwölftes Capitel. 2. Der Adel. C. Der deutsche Adel. 1. Herrenadel.
gar aus hörigem Stamm ebenso und es konnten in solchen
Fällen nach den späteren Wahlcapitulationen selbst die Könige
einen solchen Flecken nicht reinigen. Zur Zeit der Rechts-
spiegel noch wurden Fürsten, Grafen und Freiherrn nur die
wirklichen Träger des Fürsten- und Grafenamts und die Be-
sitzer einer Freiherrschaft genannt. 1 Aber später kam der
verwirrende Sprachgebrauch auf, dasz auch alle Söhne der
Fürsten und Grafen, unbekümmert darum, ob sie ein Fürsten-
thum oder eine Grafschaft hatten, den Titel des Vaters an-
nahmen und weiter verpflanzten. Diese Vervielfältigung der
Titel ohne inneren Gehalt, scheinbar zur Ehre der Familien
durchgeführt, diente dazu, deren Ansehen im Volk zu unter-
graben und dieselben den gröszeren Landesherren gegenüber
zu schwächen. Das Princip einer unbeschränkten erb-
lichen Ausbreitung
ward daher dem hohen Adel selbst,
der es in Anspruch nahm, verderblich. Ebenso diente der
festgehaltene Grundsatz der Ebenbürtigkeit dazu, die Quellen
seiner eigenen Erfrischung zu verstopfen und ihn von der Zu-
neigung des Volkes abzuschlieszen.

Die Institution des dynastischen Herrenadels war schon
seit dem dreiszigjährigen Kriege im Verfall. Sie stürzte in
unserm Jahrhundert vollends zusammen. Die entscheidenden
Momente sind:

a) die Säcularisation der geistlichen Fürsten-
thümer
, welche schon vorher durch die Friedensschlüsse
zwischen der französischen Republik und dem deutschen Reiche
von Campo Formio 1797 und Lüneville 1801 vorbereitet und
durch den auszerordentlichen Reichsdeputationshaupt-
schlusz
vom 25. Februar 1803 bestätigt und durchgeführt
wurde. Die deutschen Länder der geistlichen Fürsten wurden
verwendet, um die weltlichen Fürsten für ihre Abtretungen

1 Sachsensp. III. 58. §. 2. "It n'is nen vanlen, dar die man af
moge des rikes vorste wesen, he ne vntva't van deme koninge."
Ssp. I. 3, §. 2. Schwabensp. 5.

Zwölftes Capitel. 2. Der Adel. C. Der deutsche Adel. 1. Herrenadel.
gar aus hörigem Stamm ebenso und es konnten in solchen
Fällen nach den späteren Wahlcapitulationen selbst die Könige
einen solchen Flecken nicht reinigen. Zur Zeit der Rechts-
spiegel noch wurden Fürsten, Grafen und Freiherrn nur die
wirklichen Träger des Fürsten- und Grafenamts und die Be-
sitzer einer Freiherrschaft genannt. 1 Aber später kam der
verwirrende Sprachgebrauch auf, dasz auch alle Söhne der
Fürsten und Grafen, unbekümmert darum, ob sie ein Fürsten-
thum oder eine Grafschaft hatten, den Titel des Vaters an-
nahmen und weiter verpflanzten. Diese Vervielfältigung der
Titel ohne inneren Gehalt, scheinbar zur Ehre der Familien
durchgeführt, diente dazu, deren Ansehen im Volk zu unter-
graben und dieselben den gröszeren Landesherren gegenüber
zu schwächen. Das Princip einer unbeschränkten erb-
lichen Ausbreitung
ward daher dem hohen Adel selbst,
der es in Anspruch nahm, verderblich. Ebenso diente der
festgehaltene Grundsatz der Ebenbürtigkeit dazu, die Quellen
seiner eigenen Erfrischung zu verstopfen und ihn von der Zu-
neigung des Volkes abzuschlieszen.

Die Institution des dynastischen Herrenadels war schon
seit dem dreiszigjährigen Kriege im Verfall. Sie stürzte in
unserm Jahrhundert vollends zusammen. Die entscheidenden
Momente sind:

a) die Säcularisation der geistlichen Fürsten-
thümer
, welche schon vorher durch die Friedensschlüsse
zwischen der französischen Republik und dem deutschen Reiche
von Campo Formio 1797 und Lüneville 1801 vorbereitet und
durch den auszerordentlichen Reichsdeputationshaupt-
schlusz
vom 25. Februar 1803 bestätigt und durchgeführt
wurde. Die deutschen Länder der geistlichen Fürsten wurden
verwendet, um die weltlichen Fürsten für ihre Abtretungen

1 Sachsensp. III. 58. §. 2. „It n'is nen vanlen, dar die man af
moge des rikes vorste wesen, he ne vntva't van deme koninge.“
Ssp. I. 3, §. 2. Schwabensp. 5.
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[167/0185] Zwölftes Capitel. 2. Der Adel. C. Der deutsche Adel. 1. Herrenadel. gar aus hörigem Stamm ebenso und es konnten in solchen Fällen nach den späteren Wahlcapitulationen selbst die Könige einen solchen Flecken nicht reinigen. Zur Zeit der Rechts- spiegel noch wurden Fürsten, Grafen und Freiherrn nur die wirklichen Träger des Fürsten- und Grafenamts und die Be- sitzer einer Freiherrschaft genannt. 1 Aber später kam der verwirrende Sprachgebrauch auf, dasz auch alle Söhne der Fürsten und Grafen, unbekümmert darum, ob sie ein Fürsten- thum oder eine Grafschaft hatten, den Titel des Vaters an- nahmen und weiter verpflanzten. Diese Vervielfältigung der Titel ohne inneren Gehalt, scheinbar zur Ehre der Familien durchgeführt, diente dazu, deren Ansehen im Volk zu unter- graben und dieselben den gröszeren Landesherren gegenüber zu schwächen. Das Princip einer unbeschränkten erb- lichen Ausbreitung ward daher dem hohen Adel selbst, der es in Anspruch nahm, verderblich. Ebenso diente der festgehaltene Grundsatz der Ebenbürtigkeit dazu, die Quellen seiner eigenen Erfrischung zu verstopfen und ihn von der Zu- neigung des Volkes abzuschlieszen. Die Institution des dynastischen Herrenadels war schon seit dem dreiszigjährigen Kriege im Verfall. Sie stürzte in unserm Jahrhundert vollends zusammen. Die entscheidenden Momente sind: a) die Säcularisation der geistlichen Fürsten- thümer, welche schon vorher durch die Friedensschlüsse zwischen der französischen Republik und dem deutschen Reiche von Campo Formio 1797 und Lüneville 1801 vorbereitet und durch den auszerordentlichen Reichsdeputationshaupt- schlusz vom 25. Februar 1803 bestätigt und durchgeführt wurde. Die deutschen Länder der geistlichen Fürsten wurden verwendet, um die weltlichen Fürsten für ihre Abtretungen 1 Sachsensp. III. 58. §. 2. „It n'is nen vanlen, dar die man af moge des rikes vorste wesen, he ne vntva't van deme koninge.“ Ssp. I. 3, §. 2. Schwabensp. 5.

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/185>, abgerufen am 23.11.2024.