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Blumenbach, Johann Friedrich: Zwo Abhandlungen über die Nutritionskraft. St. Petersburg, 1789.

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ren Pumpe auch jenseits des Blutes selbst, auf die Bewegung der daraus ab-
geschiednen Säfte auszudehnen. Der beständig Nachtrieb des Arterienbluts (die
vis a tergo urgens) sollte auf die dünnern Säfte in den farbenlosen Aedergen,
auch wohl weiter auf den Duft im Zellgewebe selbst würken, und so die Be-
wegung auch dieser tierischen Feuchtigkeiten wenigstens mittelbar befördern und
unterhalten.

Allein ohne des ganzen Gewächsreichs, oder auch der beiden großen
Classen von sogenannten weißblütigen Thieren zu gedenken, (als bey welchen letz-
tern entweder so wenig als bey den Pflanzen nur irgend etwas einem Herzen
ähnliches gefunden wird, oder bey welchen sich doch das Gefäs, das manche Na-
turforscher mit dem Namen eines Herzens belegt haben, wie schon Herr Lyonet
gezeigt hat, in Rücksicht seiner Verrichtung himmelweit von derjenigen unter-
scheidet, wozu das Herz der rothblutigen Thiere bestimmt und von welcher hier
die Rede ist -). Ohne, wie gesagt, dieser großen Ausnahmen zu gedenken,
so zeigt ja selbst die körperliche Oekonomie des menschlichen Körpers genug offen-
bare Beyspiele von Bewegung der Säfte, sogar in Adern auf welche die Kraft
des Herzens ohnmöglich einwinken kan. Eins dieser Beyspiele statt vieler an-
zuführen, so erinnere man sich nur derjenigen lymphatischen Gefäße die in der
Haut von der äußern Oberfläche des Körpers, und dann im Brust- und Bauch-
fell aus den beiden größten Hölungen desselben, einsaugen. Bon jener ihrer
Function geben die artigen, jeden Augenblick so leicht zu wiederholenden Mas-
cagnischen Erfahrungen, - und von dieser ihrer die bekannten Versuche von
der Resorbtion der Dinten die man warmblütigen Thieren durch eine Wunde in
die Bauch- und Brusthöle einflößt, die augenscheinlichsten Beweise. Und es
bleibt mir unbegreiflich wie Herr von Haller (vermuthlich um die Alleinherr-
schaft des Herzens und seiner Irritabilität desto höher anzuschlagen) diese und
viele änliche Phänomene auf Rechnung des rochen Adersystems schreiben konnte.

§. 7. Also giebt es unzählige organisirte Geschöpfe die ohne alles Herz
leben und wachsen: und bey den mit einem Herzen versehenen Thieren wieder
unzählige Gefäße die außerhalb des Würkungskreises jener Triebfeder liegen,
und folglich so wie alle Gefäße der weißblütigen Thiere und des Pflanzenreichs
durch andre Lebenskräfte in den stand gesetzt seyn müssen, ihre forttreibenden und
änlichen Geschäfte zu vollziehen.

Und eben diese machen den Hauptgegenstand der Frage aus.

§. 8. Irre ich nicht, so sind vorzüglich zweyerley Kräfte die hier be-
sonders in Bezug auf die durch jene Gefäße zu bewürkende Ernährung der or-
ganischen Körper in Anschlag gebracht werden müßen.

ren Pumpe auch jenseits des Blutes selbst, auf die Bewegung der daraus ab-
geschiednen Säfte auszudehnen. Der beständig Nachtrieb des Arterienbluts (die
vis à tergo urgens) sollte auf die dünnern Säfte in den farbenlosen Aedergen,
auch wohl weiter auf den Duft im Zellgewebe selbst würken, und so die Be-
wegung auch dieser tierischen Feuchtigkeiten wenigstens mittelbar befördern und
unterhalten.

Allein ohne des ganzen Gewächsreichs, oder auch der beiden großen
Classen von sogenannten weißblütigen Thieren zu gedenken, (als bey welchen letz-
tern entweder so wenig als bey den Pflanzen nur irgend etwas einem Herzen
ähnliches gefunden wird, oder bey welchen sich doch das Gefäs, das manche Na-
turforscher mit dem Namen eines Herzens belegt haben, wie schon Herr Lyonet
gezeigt hat, in Rücksicht seiner Verrichtung himmelweit von derjenigen unter-
scheidet, wozu das Herz der rothblutigen Thiere bestimmt und von welcher hier
die Rede ist -). Ohne, wie gesagt, dieser großen Ausnahmen zu gedenken,
so zeigt ja selbst die körperliche Oekonomie des menschlichen Körpers genug offen-
bare Beyspiele von Bewegung der Säfte, sogar in Adern auf welche die Kraft
des Herzens ohnmöglich einwinken kan. Eins dieser Beyspiele statt vieler an-
zuführen, so erinnere man sich nur derjenigen lymphatischen Gefäße die in der
Haut von der äußern Oberfläche des Körpers, und dann im Brust- und Bauch-
fell aus den beiden größten Hölungen desselben, einsaugen. Bon jener ihrer
Function geben die artigen, jeden Augenblick so leicht zu wiederholenden Mas-
cagnischen Erfahrungen, – und von dieser ihrer die bekannten Versuche von
der Resorbtion der Dinten die man warmblütigen Thieren durch eine Wunde in
die Bauch- und Brusthöle einflößt, die augenscheinlichsten Beweise. Und es
bleibt mir unbegreiflich wie Herr von Haller (vermuthlich um die Alleinherr-
schaft des Herzens und seiner Irritabilität desto höher anzuschlagen) diese und
viele änliche Phänomene auf Rechnung des rochen Adersystems schreiben konnte.

§. 7. Also giebt es unzählige organisirte Geschöpfe die ohne alles Herz
leben und wachsen: und bey den mit einem Herzen versehenen Thieren wieder
unzählige Gefäße die außerhalb des Würkungskreises jener Triebfeder liegen,
und folglich so wie alle Gefäße der weißblütigen Thiere und des Pflanzenreichs
durch andre Lebenskräfte in den stand gesetzt seyn müssen, ihre forttreibenden und
änlichen Geschäfte zu vollziehen.

Und eben diese machen den Hauptgegenstand der Frage aus.

§. 8. Irre ich nicht, so sind vorzüglich zweyerley Kräfte die hier be-
sonders in Bezug auf die durch jene Gefäße zu bewürkende Ernährung der or-
ganischen Körper in Anschlag gebracht werden müßen.

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[11/0015] ren Pumpe auch jenseits des Blutes selbst, auf die Bewegung der daraus ab- geschiednen Säfte auszudehnen. Der beständig Nachtrieb des Arterienbluts (die vis à tergo urgens) sollte auf die dünnern Säfte in den farbenlosen Aedergen, auch wohl weiter auf den Duft im Zellgewebe selbst würken, und so die Be- wegung auch dieser tierischen Feuchtigkeiten wenigstens mittelbar befördern und unterhalten. Allein ohne des ganzen Gewächsreichs, oder auch der beiden großen Classen von sogenannten weißblütigen Thieren zu gedenken, (als bey welchen letz- tern entweder so wenig als bey den Pflanzen nur irgend etwas einem Herzen ähnliches gefunden wird, oder bey welchen sich doch das Gefäs, das manche Na- turforscher mit dem Namen eines Herzens belegt haben, wie schon Herr Lyonet gezeigt hat, in Rücksicht seiner Verrichtung himmelweit von derjenigen unter- scheidet, wozu das Herz der rothblutigen Thiere bestimmt und von welcher hier die Rede ist -). Ohne, wie gesagt, dieser großen Ausnahmen zu gedenken, so zeigt ja selbst die körperliche Oekonomie des menschlichen Körpers genug offen- bare Beyspiele von Bewegung der Säfte, sogar in Adern auf welche die Kraft des Herzens ohnmöglich einwinken kan. Eins dieser Beyspiele statt vieler an- zuführen, so erinnere man sich nur derjenigen lymphatischen Gefäße die in der Haut von der äußern Oberfläche des Körpers, und dann im Brust- und Bauch- fell aus den beiden größten Hölungen desselben, einsaugen. Bon jener ihrer Function geben die artigen, jeden Augenblick so leicht zu wiederholenden Mas- cagnischen Erfahrungen, – und von dieser ihrer die bekannten Versuche von der Resorbtion der Dinten die man warmblütigen Thieren durch eine Wunde in die Bauch- und Brusthöle einflößt, die augenscheinlichsten Beweise. Und es bleibt mir unbegreiflich wie Herr von Haller (vermuthlich um die Alleinherr- schaft des Herzens und seiner Irritabilität desto höher anzuschlagen) diese und viele änliche Phänomene auf Rechnung des rochen Adersystems schreiben konnte. §. 7. Also giebt es unzählige organisirte Geschöpfe die ohne alles Herz leben und wachsen: und bey den mit einem Herzen versehenen Thieren wieder unzählige Gefäße die außerhalb des Würkungskreises jener Triebfeder liegen, und folglich so wie alle Gefäße der weißblütigen Thiere und des Pflanzenreichs durch andre Lebenskräfte in den stand gesetzt seyn müssen, ihre forttreibenden und änlichen Geschäfte zu vollziehen. Und eben diese machen den Hauptgegenstand der Frage aus. §. 8. Irre ich nicht, so sind vorzüglich zweyerley Kräfte die hier be- sonders in Bezug auf die durch jene Gefäße zu bewürkende Ernährung der or- ganischen Körper in Anschlag gebracht werden müßen.

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  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Zwo Abhandlungen über die Nutritionskraft. St. Petersburg, 1789, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_nutritionskraft_1789/15>, abgerufen am 02.05.2024.