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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 9. Aufl. Göttingen, 1814.

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weit leichter für das was sie sind*) richtig aner-
kennen und von andern unterscheiden, als ihre
einzelnen unterscheidenden Merkzeichen ausfinden
und angeben kann**). - So sagte z. B. Linne:
"nullum characterem hactenus eruere potui,
vnde Homo a Simia internoscatur
."
Nun
glaube ich zwar in diesem Buche solche äußere
Charaktere der Humanität angegeben zu haben,
wodurch sich der Mensch von den noch so menschen-
ähnlichen Affen (wie man sie nennt); so wie über-
haupt von allen andern Säugethieren unverkenn-
bar auszeichnet. Aber auch ohne dieselben wird
doch hoffentlich nie ein Naturforscher in praxi in
Verlegenheit gekommen seyn, Menschen und Affen
etwa zu verwechseln. - Außerdem aber können
ferner Geschöpfe aus noch so verschiedenen Classen
manche theils auffallende und unerwartete Aehn-
lichkeit mit einander haben, ohne daß dadurch die
dessen ohngeachtet unverkennbare Verschiedenheit
zwischen diesen Classen selbst wegfallen dürste.
Man theilt z. B. die Thiere sehr natürlich in warm-
blütige und kaltblütige; und rechnet eben so na-
türlicher Weise die Säugthiere zu jenen und hin-
gegen die Insecten zu diesen; ohne je deßhalb irre
zu werden, daß die Bienen in ihrem Stocke so
ganz ohne Vergleich wärmer sind, als etwa ein
Igel während seines Winterschlafs. - So gibt es
in der Classe der Gewürme Geschlechter, wie z. B.

*) Mit dem gemeinen Sprachgebrauch zu reden.
Denn daß wir im strengern Sinne bekanntlich
nur die Erscheinungen der Dinge kennen, bedarf
wohl keiner Erinnerung. Videmus enim, omnes
rationes, quibus natura explicari solet, modos
esse tantummodo imaginandi, nec vllius rei
naturam, sed tantum imaginationis constitu-
tionem indicare. Spinoza
.
**) "Facilius plerumque est rem praesentem discer-
nere, quam verbis exacte definire
"
. Gaubius."Allein der Fehler liegt nicht am Unterschei-
dungsgrunde, welcher stets wahr bleibt, son-
dern nur an der Schwierigkeit ihn in manchen
Fällen zu finden."
J. Aug. Unzer.

weit leichter für das was sie sind*) richtig aner-
kennen und von andern unterscheiden, als ihre
einzelnen unterscheidenden Merkzeichen ausfinden
und angeben kann**). – So sagte z. B. Linné:
nullum characterem hactenus eruere potui,
vnde Homo a Simia internoscatur
.”
Nun
glaube ich zwar in diesem Buche solche äußere
Charaktere der Humanität angegeben zu haben,
wodurch sich der Mensch von den noch so menschen-
ähnlichen Affen (wie man sie nennt); so wie über-
haupt von allen andern Säugethieren unverkenn-
bar auszeichnet. Aber auch ohne dieselben wird
doch hoffentlich nie ein Naturforscher in praxi in
Verlegenheit gekommen seyn, Menschen und Affen
etwa zu verwechseln. – Außerdem aber können
ferner Geschöpfe aus noch so verschiedenen Classen
manche theils auffallende und unerwartete Aehn-
lichkeit mit einander haben, ohne daß dadurch die
dessen ohngeachtet unverkennbare Verschiedenheit
zwischen diesen Classen selbst wegfallen dürste.
Man theilt z. B. die Thiere sehr natürlich in warm-
blütige und kaltblütige; und rechnet eben so na-
türlicher Weise die Säugthiere zu jenen und hin-
gegen die Insecten zu diesen; ohne je deßhalb irre
zu werden, daß die Bienen in ihrem Stocke so
ganz ohne Vergleich wärmer sind, als etwa ein
Igel während seines Winterschlafs. – So gibt es
in der Classe der Gewürme Geschlechter, wie z. B.

*) Mit dem gemeinen Sprachgebrauch zu reden.
Denn daß wir im strengern Sinne bekanntlich
nur die Erscheinungen der Dinge kennen, bedarf
wohl keiner Erinnerung. Videmus enim, omnes
rationes, quibus natura explicari solet, modos
esse tantummodo imaginandi, nec vllius rei
naturam, sed tantum imaginationis constitu-
tionem indicare. Spinoza
.
**) Facilius plerumque est rem praesentem discer-
nere, quam verbis exacte definire
. Gaubius.„Allein der Fehler liegt nicht am Unterschei-
dungsgrunde, welcher stets wahr bleibt, son-
dern nur an der Schwierigkeit ihn in manchen
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[7/0025] weit leichter für das was sie sind *) richtig aner- kennen und von andern unterscheiden, als ihre einzelnen unterscheidenden Merkzeichen ausfinden und angeben kann **). – So sagte z. B. Linné: „nullum characterem hactenus eruere potui, vnde Homo a Simia internoscatur.” Nun glaube ich zwar in diesem Buche solche äußere Charaktere der Humanität angegeben zu haben, wodurch sich der Mensch von den noch so menschen- ähnlichen Affen (wie man sie nennt); so wie über- haupt von allen andern Säugethieren unverkenn- bar auszeichnet. Aber auch ohne dieselben wird doch hoffentlich nie ein Naturforscher in praxi in Verlegenheit gekommen seyn, Menschen und Affen etwa zu verwechseln. – Außerdem aber können ferner Geschöpfe aus noch so verschiedenen Classen manche theils auffallende und unerwartete Aehn- lichkeit mit einander haben, ohne daß dadurch die dessen ohngeachtet unverkennbare Verschiedenheit zwischen diesen Classen selbst wegfallen dürste. Man theilt z. B. die Thiere sehr natürlich in warm- blütige und kaltblütige; und rechnet eben so na- türlicher Weise die Säugthiere zu jenen und hin- gegen die Insecten zu diesen; ohne je deßhalb irre zu werden, daß die Bienen in ihrem Stocke so ganz ohne Vergleich wärmer sind, als etwa ein Igel während seines Winterschlafs. – So gibt es in der Classe der Gewürme Geschlechter, wie z. B. *) Mit dem gemeinen Sprachgebrauch zu reden. Denn daß wir im strengern Sinne bekanntlich nur die Erscheinungen der Dinge kennen, bedarf wohl keiner Erinnerung. Videmus enim, omnes rationes, quibus natura explicari solet, modos esse tantummodo imaginandi, nec vllius rei naturam, sed tantum imaginationis constitu- tionem indicare. Spinoza. **) „Facilius plerumque est rem praesentem discer- nere, quam verbis exacte definire”. Gaubius. „Allein der Fehler liegt nicht am Unterschei- dungsgrunde, welcher stets wahr bleibt, son- dern nur an der Schwierigkeit ihn in manchen Fällen zu finden.” J. Aug. Unzer.

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 9. Aufl. Göttingen, 1814, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1814/25>, abgerufen am 23.04.2024.