Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

Unsre lieben Damen -- wie könnt'
ich eine der schicklichsten Gelegenheiten,
ihnen recht viel schönes zu sagen, ungenutzt
lassen? -- Unsre Damen, sag' ich; ha-
ben eine eigne Weise, ihre selbsterwählten
Beschäfftigungen ihrer eigentlichen Pflicht
und Bestimmung unterzuschieben. Jch re-
de nicht von den Heldinnen unter ihnen,
die ihren Männern allenthalben vortreten,
und, sollt' es auch schlechter gethan seyn,
alles durch sich gethan haben wollen. Kön-
nen sie dafür, dass sich die Natur in ihrer
Bildung geirrt hat? Für sie ist die weibli-
che Sittsamkeit eine zu kleine Tugend; der
Spinnrocken würde sie entehren und die Na-
del ein viel zu verächtliches Werkzeug ih-
rer kraftvollen Hände seyn. Setzt die Ama-
zone aufs Pferd; ihr braunes Haar walle
unter dem Federhute hin; ihr Jagdgewand
strale von seinen goldenen Schleifen die Son-

(I. Theil.) L

Unſre lieben Damen — wie könnt’
ich eine der ſchicklichſten Gelegenheiten,
ihnen recht viel ſchönes zu ſagen, ungenutzt
laſsen? — Unſre Damen, ſag’ ich; ha-
ben eine eigne Weiſe, ihre ſelbſterwählten
Beſchäfftigungen ihrer eigentlichen Pflicht
und Beſtimmung unterzuſchieben. Jch re-
de nicht von den Heldinnen unter ihnen,
die ihren Männern allenthalben vortreten,
und, ſollt’ es auch ſchlechter gethan ſeyn,
alles durch ſich gethan haben wollen. Kön-
nen ſie dafür, daſs ſich die Natur in ihrer
Bildung geirrt hat? Für ſie iſt die weibli-
che Sittſamkeit eine zu kleine Tugend; der
Spinnrocken würde ſie entehren und die Na-
del ein viel zu verächtliches Werkzeug ih-
rer kraftvollen Hände ſeyn. Setzt die Ama-
zone aufs Pferd; ihr braunes Haar walle
unter dem Federhute hin; ihr Jagdgewand
ſtrale von ſeinen goldenen Schleifen die Son-

(I. Theil.) L
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0167" n="159"/>
          <p>Un&#x017F;re lieben Damen &#x2014; wie könnt&#x2019;<lb/>
ich eine der &#x017F;chicklich&#x017F;ten Gelegenheiten,<lb/>
ihnen recht viel &#x017F;chönes zu &#x017F;agen, ungenutzt<lb/>
la&#x017F;sen? &#x2014; Un&#x017F;re Damen, &#x017F;ag&#x2019; ich; ha-<lb/>
ben eine eigne Wei&#x017F;e, ihre &#x017F;elb&#x017F;terwählten<lb/>
Be&#x017F;chäfftigungen ihrer eigentlichen Pflicht<lb/>
und Be&#x017F;timmung unterzu&#x017F;chieben. Jch re-<lb/>
de nicht von den Heldinnen unter ihnen,<lb/>
die ihren Männern allenthalben vortreten,<lb/>
und, &#x017F;ollt&#x2019; es auch &#x017F;chlechter gethan &#x017F;eyn,<lb/>
alles durch &#x017F;ich gethan haben wollen. Kön-<lb/>
nen &#x017F;ie dafür, da&#x017F;s &#x017F;ich die Natur in ihrer<lb/>
Bildung geirrt hat? Für &#x017F;ie i&#x017F;t die weibli-<lb/>
che Sitt&#x017F;amkeit eine zu kleine Tugend; der<lb/>
Spinnrocken würde &#x017F;ie entehren und die Na-<lb/>
del ein viel zu verächtliches Werkzeug ih-<lb/>
rer kraftvollen Hände &#x017F;eyn. Setzt die Ama-<lb/>
zone aufs Pferd; ihr braunes Haar walle<lb/>
unter dem Federhute hin; ihr Jagdgewand<lb/>
&#x017F;trale von &#x017F;einen goldenen Schleifen die Son-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">(<hi rendition="#i">I. Theil.</hi>) L</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[159/0167] Unſre lieben Damen — wie könnt’ ich eine der ſchicklichſten Gelegenheiten, ihnen recht viel ſchönes zu ſagen, ungenutzt laſsen? — Unſre Damen, ſag’ ich; ha- ben eine eigne Weiſe, ihre ſelbſterwählten Beſchäfftigungen ihrer eigentlichen Pflicht und Beſtimmung unterzuſchieben. Jch re- de nicht von den Heldinnen unter ihnen, die ihren Männern allenthalben vortreten, und, ſollt’ es auch ſchlechter gethan ſeyn, alles durch ſich gethan haben wollen. Kön- nen ſie dafür, daſs ſich die Natur in ihrer Bildung geirrt hat? Für ſie iſt die weibli- che Sittſamkeit eine zu kleine Tugend; der Spinnrocken würde ſie entehren und die Na- del ein viel zu verächtliches Werkzeug ih- rer kraftvollen Hände ſeyn. Setzt die Ama- zone aufs Pferd; ihr braunes Haar walle unter dem Federhute hin; ihr Jagdgewand ſtrale von ſeinen goldenen Schleifen die Son- (I. Theil.) L

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/167
Zitationshilfe: Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/167>, abgerufen am 08.05.2024.