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Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774.

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Sie sind also der Meynung, dass Philo-
kurus unter allen Umständen, und auch bey
der hartnäckigsten Beharrung in seinem La-
ster, unser Freund bleiben, unser volles Zu-
trauen, unsre ganze Zärtlichkeit geniessen
müsse?

Das nicht, meine Herren! Wenn ich
nicht alle Verbindung aufgehoben haben
will, so will ich darum noch nicht die zärt-
lichere beybehalten wissen. Das Unmögli-
che verlang' ich nicht! Es versteht sich ja
wohl von selbst, dass ich einen Unglückli-
chen an den ich meine ganze Zärtlichkeit
umsonst verschwendet, den ich durch alle
nur erdenkliche Mittel zu retten versucht
habe; wenn er selbst alle meine Bemühun-
gen vereitelt, wenn er die Hand nicht er-
greifen will die ich ihm darbiete, wenn er
sich, selbst gegen Bitten und Thränen ver-
härtet: es versteht sich von selbst; sag' ich,

Sie ſind alſo der Meynung, daſs Philo-
kurus unter allen Umſtänden, und auch bey
der hartnäckigſten Beharrung in ſeinem La-
ſter, unſer Freund bleiben, unſer volles Zu-
trauen, unſre ganze Zärtlichkeit genieſsen
müſse?

Das nicht, meine Herren! Wenn ich
nicht alle Verbindung aufgehoben haben
will, ſo will ich darum noch nicht die zärt-
lichere beybehalten wiſsen. Das Unmögli-
che verlang’ ich nicht! Es verſteht ſich ja
wohl von ſelbſt, daſs ich einen Unglückli-
chen an den ich meine ganze Zärtlichkeit
umſonſt verſchwendet, den ich durch alle
nur erdenkliche Mittel zu retten verſucht
habe; wenn er ſelbſt alle meine Bemühun-
gen vereitelt, wenn er die Hand nicht er-
greifen will die ich ihm darbiete, wenn er
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[99/0107] Sie ſind alſo der Meynung, daſs Philo- kurus unter allen Umſtänden, und auch bey der hartnäckigſten Beharrung in ſeinem La- ſter, unſer Freund bleiben, unſer volles Zu- trauen, unſre ganze Zärtlichkeit genieſsen müſse? Das nicht, meine Herren! Wenn ich nicht alle Verbindung aufgehoben haben will, ſo will ich darum noch nicht die zärt- lichere beybehalten wiſsen. Das Unmögli- che verlang’ ich nicht! Es verſteht ſich ja wohl von ſelbſt, daſs ich einen Unglückli- chen an den ich meine ganze Zärtlichkeit umſonſt verſchwendet, den ich durch alle nur erdenkliche Mittel zu retten verſucht habe; wenn er ſelbſt alle meine Bemühun- gen vereitelt, wenn er die Hand nicht er- greifen will die ich ihm darbiete, wenn er ſich, ſelbſt gegen Bitten und Thränen ver- härtet: es verſteht ſich von ſelbſt; ſag’ ich,

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Zitationshilfe: Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/107>, abgerufen am 04.05.2024.