Sie sind also der Meynung, dass Philo- kurus unter allen Umständen, und auch bey der hartnäckigsten Beharrung in seinem La- ster, unser Freund bleiben, unser volles Zu- trauen, unsre ganze Zärtlichkeit geniessen müsse?
Das nicht, meine Herren! Wenn ich nicht alle Verbindung aufgehoben haben will, so will ich darum noch nicht die zärt- lichere beybehalten wissen. Das Unmögli- che verlang' ich nicht! Es versteht sich ja wohl von selbst, dass ich einen Unglückli- chen an den ich meine ganze Zärtlichkeit umsonst verschwendet, den ich durch alle nur erdenkliche Mittel zu retten versucht habe; wenn er selbst alle meine Bemühun- gen vereitelt, wenn er die Hand nicht er- greifen will die ich ihm darbiete, wenn er sich, selbst gegen Bitten und Thränen ver- härtet: es versteht sich von selbst; sag' ich,
Sie ſind alſo der Meynung, daſs Philo- kurus unter allen Umſtänden, und auch bey der hartnäckigſten Beharrung in ſeinem La- ſter, unſer Freund bleiben, unſer volles Zu- trauen, unſre ganze Zärtlichkeit genieſsen müſse?
Das nicht, meine Herren! Wenn ich nicht alle Verbindung aufgehoben haben will, ſo will ich darum noch nicht die zärt- lichere beybehalten wiſsen. Das Unmögli- che verlang’ ich nicht! Es verſteht ſich ja wohl von ſelbſt, daſs ich einen Unglückli- chen an den ich meine ganze Zärtlichkeit umſonſt verſchwendet, den ich durch alle nur erdenkliche Mittel zu retten verſucht habe; wenn er ſelbſt alle meine Bemühun- gen vereitelt, wenn er die Hand nicht er- greifen will die ich ihm darbiete, wenn er ſich, ſelbſt gegen Bitten und Thränen ver- härtet: es verſteht ſich von ſelbſt; ſag’ ich,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0107"n="99"/><p>Sie ſind alſo der Meynung, daſs Philo-<lb/>
kurus unter allen Umſtänden, und auch bey<lb/>
der hartnäckigſten Beharrung in ſeinem La-<lb/>ſter, unſer Freund bleiben, unſer volles Zu-<lb/>
trauen, unſre ganze Zärtlichkeit genieſsen<lb/>
müſse?</p><lb/><p>Das nicht, meine Herren! Wenn ich<lb/>
nicht alle Verbindung aufgehoben haben<lb/>
will, ſo will ich darum noch nicht die zärt-<lb/>
lichere beybehalten wiſsen. Das Unmögli-<lb/>
che verlang’ ich nicht! Es verſteht ſich ja<lb/>
wohl von ſelbſt, daſs ich einen Unglückli-<lb/>
chen an den ich meine ganze Zärtlichkeit<lb/>
umſonſt verſchwendet, den ich durch alle<lb/>
nur erdenkliche Mittel zu retten verſucht<lb/>
habe; wenn er ſelbſt alle meine Bemühun-<lb/>
gen vereitelt, wenn er die Hand nicht er-<lb/>
greifen will die ich ihm darbiete, wenn er<lb/>ſich, ſelbſt gegen Bitten und Thränen ver-<lb/>
härtet: es verſteht ſich von ſelbſt; ſag’ ich,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[99/0107]
Sie ſind alſo der Meynung, daſs Philo-
kurus unter allen Umſtänden, und auch bey
der hartnäckigſten Beharrung in ſeinem La-
ſter, unſer Freund bleiben, unſer volles Zu-
trauen, unſre ganze Zärtlichkeit genieſsen
müſse?
Das nicht, meine Herren! Wenn ich
nicht alle Verbindung aufgehoben haben
will, ſo will ich darum noch nicht die zärt-
lichere beybehalten wiſsen. Das Unmögli-
che verlang’ ich nicht! Es verſteht ſich ja
wohl von ſelbſt, daſs ich einen Unglückli-
chen an den ich meine ganze Zärtlichkeit
umſonſt verſchwendet, den ich durch alle
nur erdenkliche Mittel zu retten verſucht
habe; wenn er ſelbſt alle meine Bemühun-
gen vereitelt, wenn er die Hand nicht er-
greifen will die ich ihm darbiete, wenn er
ſich, ſelbſt gegen Bitten und Thränen ver-
härtet: es verſteht ſich von ſelbſt; ſag’ ich,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/107>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.