feyerlicher; man nehme die stärksten Mo- tiven, die die Religion an die Hand giebt zu Hülfe; man äussere Eifer und Unwillen so weit es Menschenliebe und Klugheit er- laubt; man setze seine Versuche lange und unermüdet fort! Der Mensch müsste ein sehr verruchter Bube, ein ausgelernter, in Lastern grau gewordener Bösewicht, ein Ungeheuer, ein Teufel seyn, wenn wir nicht etwas bey ihm ausrichten, wenn wir nicht einigen Eindruck auf ihn machen sollten. Und damit wären ja doch schon einige Schritte gewonnen. Wir entziehn uns ja den grossen Missethätern nicht ganz, die die Gerechtigkeit ihrer bürgerlichen Frey- heit und Ehre, und wohl gar ihres Lebens zu berauben, für nöthig erachtet. Jst es wohl billig einem kleinern Sünder das zu versagen, was man einem ungleich grössern ohne Bedenken zugesteht?
feyerlicher; man nehme die ſtärkſten Mo- tiven, die die Religion an die Hand giebt zu Hülfe; man äuſsere Eifer und Unwillen ſo weit es Menſchenliebe und Klugheit er- laubt; man ſetze ſeine Verſuche lange und unermüdet fort! Der Menſch müſste ein ſehr verruchter Bube, ein ausgelernter, in Laſtern grau gewordener Böſewicht, ein Ungeheuer, ein Teufel ſeyn, wenn wir nicht etwas bey ihm ausrichten, wenn wir nicht einigen Eindruck auf ihn machen ſollten. Und damit wären ja doch ſchon einige Schritte gewonnen. Wir entziehn uns ja den groſsen Miſsethätern nicht ganz, die die Gerechtigkeit ihrer bürgerlichen Frey- heit und Ehre, und wohl gar ihres Lebens zu berauben, für nöthig erachtet. Jſt es wohl billig einem kleinern Sünder das zu verſagen, was man einem ungleich gröſsern ohne Bedenken zugeſteht?
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feyerlicher; man nehme die ſtärkſten Mo-
tiven, die die Religion an die Hand giebt
zu Hülfe; man äuſsere Eifer und Unwillen
ſo weit es Menſchenliebe und Klugheit er-
laubt; man ſetze ſeine Verſuche lange und
unermüdet fort! Der Menſch müſste ein
ſehr verruchter Bube, ein ausgelernter, in
Laſtern grau gewordener Böſewicht, ein
Ungeheuer, ein Teufel ſeyn, wenn wir nicht
etwas bey ihm ausrichten, wenn wir nicht
einigen Eindruck auf ihn machen ſollten.
Und damit wären ja doch ſchon einige
Schritte gewonnen. Wir entziehn uns ja
den groſsen Miſsethätern nicht ganz, die
die Gerechtigkeit ihrer bürgerlichen Frey-
heit und Ehre, und wohl gar ihres Lebens
zu berauben, für nöthig erachtet. Jſt es
wohl billig einem kleinern Sünder das zu
verſagen, was man einem ungleich gröſsern
ohne Bedenken zugeſteht?
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Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/106>, abgerufen am 04.05.2024.
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