Presse und Parlament als Corrective der Monarchie.
schädlich werden soll, bedarf der Kritik, an deren Stacheln er sich zurechtfindet, wenn er den Weg zu verlieren Gefahr läuft. Joseph II. ist ein warnendes Beispiel.
Die Kritik kann nur geübt werden durch eine freie Presse und durch Parlamente im modernen Sinne. Beide Corrective können ihre Wirkung durch Mißbrauch abstumpfen und schließlich verlieren. Dies zu verhüten, ist eine der Aufgaben erhaltender Politik, die sich ohne Bekämpfung von Parlament und Presse nicht lösen läßt. Das Abmessen der Schranken, die in diesem Kampfe innegehalten werden müssen, um die dem Lande unentbehrliche Controlle der Regirung weder zu hindern, noch zur Herrschaft werden zu lassen, ist eine Sache des politischen Tactes und Augenmaßes.
Wenn ein Monarch dafür das hinreichende Augenmaß besitzt, so ist das ein Glück für sein Land, freilich ein vergängliches, wie alles menschliche Glück. Die Möglichkeit, Minister an's Ruder zu bringen, welche die entsprechenden Eigenschaften besitzen, muß in dem Verfassungsleben gegeben werden, aber auch die Möglichkeit, Minister, die diesem Bedürfniß genügen, sowohl gegen gelegent¬ liche Majoritäts-Abstimmungen als auch gegen Hof- und Camarilla- Einflüsse zu halten. Dieses Ziel war bis zu dem nach menschlicher Unvollkommenheit überhaupt erreichbaren Grade annähernd erreicht unter der Regirung Wilhelms I.
IV.
Die Eröffnung des Landtags stand unmittelbar nach unsrer Ankunft in Berlin bevor, und die Thronrede kam in Prag zur Berathung. Dort trafen Abgeordnete der conservativen Fraction ein, die während des Conflicts zeitweise bis auf elf Mitglieder herabgegangen war und durch die Wahlen am 3. Juli unter dem Eindruck der ersten Siege vor Königgrätz sich auf mehr als
Preſſe und Parlament als Corrective der Monarchie.
ſchädlich werden ſoll, bedarf der Kritik, an deren Stacheln er ſich zurechtfindet, wenn er den Weg zu verlieren Gefahr läuft. Joſeph II. iſt ein warnendes Beiſpiel.
Die Kritik kann nur geübt werden durch eine freie Preſſe und durch Parlamente im modernen Sinne. Beide Corrective können ihre Wirkung durch Mißbrauch abſtumpfen und ſchließlich verlieren. Dies zu verhüten, iſt eine der Aufgaben erhaltender Politik, die ſich ohne Bekämpfung von Parlament und Preſſe nicht löſen läßt. Das Abmeſſen der Schranken, die in dieſem Kampfe innegehalten werden müſſen, um die dem Lande unentbehrliche Controlle der Regirung weder zu hindern, noch zur Herrſchaft werden zu laſſen, iſt eine Sache des politiſchen Tactes und Augenmaßes.
Wenn ein Monarch dafür das hinreichende Augenmaß beſitzt, ſo iſt das ein Glück für ſein Land, freilich ein vergängliches, wie alles menſchliche Glück. Die Möglichkeit, Miniſter an's Ruder zu bringen, welche die entſprechenden Eigenſchaften beſitzen, muß in dem Verfaſſungsleben gegeben werden, aber auch die Möglichkeit, Miniſter, die dieſem Bedürfniß genügen, ſowohl gegen gelegent¬ liche Majoritäts-Abſtimmungen als auch gegen Hof- und Camarilla- Einflüſſe zu halten. Dieſes Ziel war bis zu dem nach menſchlicher Unvollkommenheit überhaupt erreichbaren Grade annähernd erreicht unter der Regirung Wilhelms I.
IV.
Die Eröffnung des Landtags ſtand unmittelbar nach unſrer Ankunft in Berlin bevor, und die Thronrede kam in Prag zur Berathung. Dort trafen Abgeordnete der conſervativen Fraction ein, die während des Conflicts zeitweiſe bis auf elf Mitglieder herabgegangen war und durch die Wahlen am 3. Juli unter dem Eindruck der erſten Siege vor Königgrätz ſich auf mehr als
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Preſſe und Parlament als Corrective der Monarchie.
ſchädlich werden ſoll, bedarf der Kritik, an deren Stacheln er ſich
zurechtfindet, wenn er den Weg zu verlieren Gefahr läuft. Joſeph II.
iſt ein warnendes Beiſpiel.
Die Kritik kann nur geübt werden durch eine freie Preſſe
und durch Parlamente im modernen Sinne. Beide Corrective
können ihre Wirkung durch Mißbrauch abſtumpfen und ſchließlich
verlieren. Dies zu verhüten, iſt eine der Aufgaben erhaltender
Politik, die ſich ohne Bekämpfung von Parlament und Preſſe nicht
löſen läßt. Das Abmeſſen der Schranken, die in dieſem Kampfe
innegehalten werden müſſen, um die dem Lande unentbehrliche
Controlle der Regirung weder zu hindern, noch zur Herrſchaft
werden zu laſſen, iſt eine Sache des politiſchen Tactes und
Augenmaßes.
Wenn ein Monarch dafür das hinreichende Augenmaß beſitzt,
ſo iſt das ein Glück für ſein Land, freilich ein vergängliches, wie
alles menſchliche Glück. Die Möglichkeit, Miniſter an's Ruder zu
bringen, welche die entſprechenden Eigenſchaften beſitzen, muß in
dem Verfaſſungsleben gegeben werden, aber auch die Möglichkeit,
Miniſter, die dieſem Bedürfniß genügen, ſowohl gegen gelegent¬
liche Majoritäts-Abſtimmungen als auch gegen Hof- und Camarilla-
Einflüſſe zu halten. Dieſes Ziel war bis zu dem nach menſchlicher
Unvollkommenheit überhaupt erreichbaren Grade annähernd erreicht
unter der Regirung Wilhelms I.
IV.
Die Eröffnung des Landtags ſtand unmittelbar nach unſrer
Ankunft in Berlin bevor, und die Thronrede kam in Prag zur
Berathung. Dort trafen Abgeordnete der conſervativen Fraction
ein, die während des Conflicts zeitweiſe bis auf elf Mitglieder
herabgegangen war und durch die Wahlen am 3. Juli unter dem
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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/85>, abgerufen am 23.07.2024.
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