Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.Siebenundzwanzigstes Kapitel: Die Ressorts. unabhängig sind, nicht ferner als Maßstab für jährliche Zuschlägezu benutzen. Wenn auch die durch Auflegung der Grund- und Häusersteuer einmal begangene Ungerechtigkeit sich nicht ausgleichen ließ, so ist es deshalb doch nicht der Gerechtigkeit entsprechend, sie jährlich durch Zuschläge zu wiederholen. Mein letzter College im Finanzministerium, Scholz, mit dem ich jederzeit in freundlichen Beziehungen gelebt habe, theilte meine Ansicht, hatte jedoch mit den parlamentarischen und ministeriellen Schwierigkeiten der Remedur zu kämpfen; dagegen war die Streitmacht seiner Räthe ohne Zweifel der freiern Bewegung froh, die nach meinem Ausscheiden aus dem Staatsministerium eintrat. Eine Forderung, mit der ich Jahre lang im Finanzministerium keinen Anklang finden konnte, war neben der Selbsteinschätzung die, daß das Einkommen von aus¬ ländischen Werthen höher zu besteuern sei als von deutschen, gewissermaßen ein Schutzzoll für deutsche Werthe, und das von selbst flüssige höher als das durch Arbeit jährlich neu zu ge¬ winnende. Auf dem Gebiete der Landwirthschaft ist der Wegfall des von Siebenundzwanzigſtes Kapitel: Die Reſſorts. unabhängig ſind, nicht ferner als Maßſtab für jährliche Zuſchlägezu benutzen. Wenn auch die durch Auflegung der Grund- und Häuſerſteuer einmal begangene Ungerechtigkeit ſich nicht ausgleichen ließ, ſo iſt es deshalb doch nicht der Gerechtigkeit entſprechend, ſie jährlich durch Zuſchläge zu wiederholen. Mein letzter College im Finanzminiſterium, Scholz, mit dem ich jederzeit in freundlichen Beziehungen gelebt habe, theilte meine Anſicht, hatte jedoch mit den parlamentariſchen und miniſteriellen Schwierigkeiten der Remedur zu kämpfen; dagegen war die Streitmacht ſeiner Räthe ohne Zweifel der freiern Bewegung froh, die nach meinem Ausſcheiden aus dem Staatsminiſterium eintrat. Eine Forderung, mit der ich Jahre lang im Finanzminiſterium keinen Anklang finden konnte, war neben der Selbſteinſchätzung die, daß das Einkommen von aus¬ ländiſchen Werthen höher zu beſteuern ſei als von deutſchen, gewiſſermaßen ein Schutzzoll für deutſche Werthe, und das von ſelbſt flüſſige höher als das durch Arbeit jährlich neu zu ge¬ winnende. Auf dem Gebiete der Landwirthſchaft iſt der Wegfall des von <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0232" n="208"/><fw place="top" type="header">Siebenundzwanzigſtes Kapitel: Die Reſſorts.<lb/></fw>unabhängig ſind, nicht ferner als Maßſtab für jährliche Zuſchläge<lb/> zu benutzen. Wenn auch die durch Auflegung der Grund- und<lb/> Häuſerſteuer einmal begangene Ungerechtigkeit ſich nicht ausgleichen<lb/> ließ, ſo iſt es deshalb doch nicht der Gerechtigkeit entſprechend, ſie<lb/> jährlich durch Zuſchläge zu wiederholen. Mein letzter College im<lb/> Finanzminiſterium, Scholz, mit dem ich jederzeit in freundlichen<lb/> Beziehungen gelebt habe, theilte meine Anſicht, hatte jedoch mit<lb/> den parlamentariſchen und miniſteriellen Schwierigkeiten der Remedur<lb/> zu kämpfen; dagegen war die Streitmacht ſeiner Räthe ohne Zweifel<lb/> der freiern Bewegung froh, die nach meinem Ausſcheiden aus dem<lb/> Staatsminiſterium eintrat. Eine Forderung, mit der ich Jahre<lb/> lang im Finanzminiſterium keinen Anklang finden konnte, war<lb/> neben der Selbſteinſchätzung die, daß das Einkommen von aus¬<lb/> ländiſchen Werthen höher zu beſteuern ſei als von deutſchen,<lb/> gewiſſermaßen ein Schutzzoll für deutſche Werthe, und das<lb/> von ſelbſt flüſſige höher als das durch Arbeit jährlich neu zu ge¬<lb/> winnende.</p><lb/> <p>Auf dem Gebiete der Landwirthſchaft iſt der Wegfall des von<lb/> mir angeblich ausgeübten agrariſchen Druckes hauptſächlich den<lb/> kranken Schweinen und den Viehſeuchen zu Gute gekommen, des¬<lb/> gleichen den höhern und niedern Beamten, denen die Aufgabe zu¬<lb/> fiel, vor dem Parlamente und dem Lande die Agitationslüge von<lb/> der Vertheuerung der Lebensmittel zu bekämpfen. In der Nach¬<lb/> giebigkeit auf dieſem Gebiete und in der, nach unangenehmen Er¬<lb/> fahrungen im Februar 1891 wieder zurückgenommnen, Erleichterung<lb/> des franzöſiſchen Verkehrs mit dem Elſaß ſehe ich den gemeinſchaft¬<lb/> lichen Ausdruck der Kampfesſcheu, die die Zukunft für etwas mehr<lb/> Bequemlichkeit in der Gegenwart zu opfern bereit iſt. Der Zweck,<lb/> wohlfeiles Schweinefleiſch zu haben, wird durch laxe Behandlung<lb/> der Anſteckungsgefahr auf die Dauer ebenſo wenig gefördert werden,<lb/> wie die Loslöſung des Elſaß von Frankreich durch die beifalls¬<lb/> bedürftige Weichlichkeit gegen locale Beſchwerden und Grenz¬<lb/> ſchwierigkeiten.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [208/0232]
Siebenundzwanzigſtes Kapitel: Die Reſſorts.
unabhängig ſind, nicht ferner als Maßſtab für jährliche Zuſchläge
zu benutzen. Wenn auch die durch Auflegung der Grund- und
Häuſerſteuer einmal begangene Ungerechtigkeit ſich nicht ausgleichen
ließ, ſo iſt es deshalb doch nicht der Gerechtigkeit entſprechend, ſie
jährlich durch Zuſchläge zu wiederholen. Mein letzter College im
Finanzminiſterium, Scholz, mit dem ich jederzeit in freundlichen
Beziehungen gelebt habe, theilte meine Anſicht, hatte jedoch mit
den parlamentariſchen und miniſteriellen Schwierigkeiten der Remedur
zu kämpfen; dagegen war die Streitmacht ſeiner Räthe ohne Zweifel
der freiern Bewegung froh, die nach meinem Ausſcheiden aus dem
Staatsminiſterium eintrat. Eine Forderung, mit der ich Jahre
lang im Finanzminiſterium keinen Anklang finden konnte, war
neben der Selbſteinſchätzung die, daß das Einkommen von aus¬
ländiſchen Werthen höher zu beſteuern ſei als von deutſchen,
gewiſſermaßen ein Schutzzoll für deutſche Werthe, und das
von ſelbſt flüſſige höher als das durch Arbeit jährlich neu zu ge¬
winnende.
Auf dem Gebiete der Landwirthſchaft iſt der Wegfall des von
mir angeblich ausgeübten agrariſchen Druckes hauptſächlich den
kranken Schweinen und den Viehſeuchen zu Gute gekommen, des¬
gleichen den höhern und niedern Beamten, denen die Aufgabe zu¬
fiel, vor dem Parlamente und dem Lande die Agitationslüge von
der Vertheuerung der Lebensmittel zu bekämpfen. In der Nach¬
giebigkeit auf dieſem Gebiete und in der, nach unangenehmen Er¬
fahrungen im Februar 1891 wieder zurückgenommnen, Erleichterung
des franzöſiſchen Verkehrs mit dem Elſaß ſehe ich den gemeinſchaft¬
lichen Ausdruck der Kampfesſcheu, die die Zukunft für etwas mehr
Bequemlichkeit in der Gegenwart zu opfern bereit iſt. Der Zweck,
wohlfeiles Schweinefleiſch zu haben, wird durch laxe Behandlung
der Anſteckungsgefahr auf die Dauer ebenſo wenig gefördert werden,
wie die Loslöſung des Elſaß von Frankreich durch die beifalls¬
bedürftige Weichlichkeit gegen locale Beſchwerden und Grenz¬
ſchwierigkeiten.
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