Als Vertreter des öffentlichen Interesses gegen die Ressorts.
Was die Reichsämter betrifft, so habe ich mit dem Schatz¬ amte stets gute Fühlung gehabt, zur Zeit von Scholz wie von Maltzahn. Die Bestimmung dieses Amtes hatte keine größere Trag¬ weite als diejenige, dem Reichskanzler in seinen Erörterungen und Verständigungen mit dem preußischen Minister der Finanzen Bei¬ stand und technisch geschulte Arbeitskräfte zu stellen. Die entscheidende Stelle in Finanzfragen blieb der preußische Finanzminister und das Staatsministerium. Der Charakter beider Herrn gestattete, Mei¬ nungsverschiedenheiten in ehrlicher Erörterung und ohne Verstim¬ mung zu erledigen. Die neuerdings in der Presse vertretne und thatsächlich gehandhabte Auffassung von der Möglichkeit einer von einander unabhängigen Finanzpolitik des Reichskanzlers oder gar des ihm untergebnen Reichsschatzamtes einerseits und des preußi¬ schen Finanzministers andrerseits galt zu meiner Zeit als ver¬ fassungswidrig. Divergenzen beider Stellen fanden ihre Lösung in collegialischen Berathungen des Staatsministeriums, dem der Kanzler als auswärtiger Minister angehörte, und ohne dessen vor¬ ausgesetztes oder ausgesprochnes Einverständniß er nicht berechtigt ist, im Bundesrath die preußischen Stimmen abzugeben oder eine Gesetzesvorlage zu machen.
Weniger durchsichtig waren für mich die Beziehungen zu dem Reichspostamte. Während des französischen Krieges traten Erschei¬ nungen hervor, die mich hart an den Bruch mit Herrn von Stephan brachten, aber ich war schon damals von seiner ungewöhnlichen Begabung, nicht für sein Fach allein, so überzeugt, daß ich ihn gegen die Ungnade Sr. Majestät mit Erfolg vertrat. Herr von Stephan hatte an seine Untergebenen ein amtliches Circular gerichtet, in dem er die Besorgung von gewissen Blättern für alle Armeelazarethe in Frankreich anbefahl und zur Motivirung dieses Befehls auf Wünsche I. K. Hoheit der Kronprinzessin Bezug nahm. Wie weit er dazu berechtigt war, weiß ich nicht; wer aber den alten Herrn kannte, wird sich seine Stimmung denken können, als
Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. II. 14
Als Vertreter des öffentlichen Intereſſes gegen die Reſſorts.
Was die Reichsämter betrifft, ſo habe ich mit dem Schatz¬ amte ſtets gute Fühlung gehabt, zur Zeit von Scholz wie von Maltzahn. Die Beſtimmung dieſes Amtes hatte keine größere Trag¬ weite als diejenige, dem Reichskanzler in ſeinen Erörterungen und Verſtändigungen mit dem preußiſchen Miniſter der Finanzen Bei¬ ſtand und techniſch geſchulte Arbeitskräfte zu ſtellen. Die entſcheidende Stelle in Finanzfragen blieb der preußiſche Finanzminiſter und das Staatsminiſterium. Der Charakter beider Herrn geſtattete, Mei¬ nungsverſchiedenheiten in ehrlicher Erörterung und ohne Verſtim¬ mung zu erledigen. Die neuerdings in der Preſſe vertretne und thatſächlich gehandhabte Auffaſſung von der Möglichkeit einer von einander unabhängigen Finanzpolitik des Reichskanzlers oder gar des ihm untergebnen Reichsſchatzamtes einerſeits und des preußi¬ ſchen Finanzminiſters andrerſeits galt zu meiner Zeit als ver¬ faſſungswidrig. Divergenzen beider Stellen fanden ihre Löſung in collegialiſchen Berathungen des Staatsminiſteriums, dem der Kanzler als auswärtiger Miniſter angehörte, und ohne deſſen vor¬ ausgeſetztes oder ausgeſprochnes Einverſtändniß er nicht berechtigt iſt, im Bundesrath die preußiſchen Stimmen abzugeben oder eine Geſetzesvorlage zu machen.
Weniger durchſichtig waren für mich die Beziehungen zu dem Reichspoſtamte. Während des franzöſiſchen Krieges traten Erſchei¬ nungen hervor, die mich hart an den Bruch mit Herrn von Stephan brachten, aber ich war ſchon damals von ſeiner ungewöhnlichen Begabung, nicht für ſein Fach allein, ſo überzeugt, daß ich ihn gegen die Ungnade Sr. Majeſtät mit Erfolg vertrat. Herr von Stephan hatte an ſeine Untergebenen ein amtliches Circular gerichtet, in dem er die Beſorgung von gewiſſen Blättern für alle Armeelazarethe in Frankreich anbefahl und zur Motivirung dieſes Befehls auf Wünſche I. K. Hoheit der Kronprinzeſſin Bezug nahm. Wie weit er dazu berechtigt war, weiß ich nicht; wer aber den alten Herrn kannte, wird ſich ſeine Stimmung denken können, als
Otto Fürſt von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. II. 14
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Als Vertreter des öffentlichen Intereſſes gegen die Reſſorts.
Was die Reichsämter betrifft, ſo habe ich mit dem Schatz¬
amte ſtets gute Fühlung gehabt, zur Zeit von Scholz wie von
Maltzahn. Die Beſtimmung dieſes Amtes hatte keine größere Trag¬
weite als diejenige, dem Reichskanzler in ſeinen Erörterungen und
Verſtändigungen mit dem preußiſchen Miniſter der Finanzen Bei¬
ſtand und techniſch geſchulte Arbeitskräfte zu ſtellen. Die entſcheidende
Stelle in Finanzfragen blieb der preußiſche Finanzminiſter und das
Staatsminiſterium. Der Charakter beider Herrn geſtattete, Mei¬
nungsverſchiedenheiten in ehrlicher Erörterung und ohne Verſtim¬
mung zu erledigen. Die neuerdings in der Preſſe vertretne und
thatſächlich gehandhabte Auffaſſung von der Möglichkeit einer von
einander unabhängigen Finanzpolitik des Reichskanzlers oder gar
des ihm untergebnen Reichsſchatzamtes einerſeits und des preußi¬
ſchen Finanzminiſters andrerſeits galt zu meiner Zeit als ver¬
faſſungswidrig. Divergenzen beider Stellen fanden ihre Löſung
in collegialiſchen Berathungen des Staatsminiſteriums, dem der
Kanzler als auswärtiger Miniſter angehörte, und ohne deſſen vor¬
ausgeſetztes oder ausgeſprochnes Einverſtändniß er nicht berechtigt
iſt, im Bundesrath die preußiſchen Stimmen abzugeben oder eine
Geſetzesvorlage zu machen.
Weniger durchſichtig waren für mich die Beziehungen zu dem
Reichspoſtamte. Während des franzöſiſchen Krieges traten Erſchei¬
nungen hervor, die mich hart an den Bruch mit Herrn von Stephan
brachten, aber ich war ſchon damals von ſeiner ungewöhnlichen
Begabung, nicht für ſein Fach allein, ſo überzeugt, daß ich
ihn gegen die Ungnade Sr. Majeſtät mit Erfolg vertrat. Herr
von Stephan hatte an ſeine Untergebenen ein amtliches Circular
gerichtet, in dem er die Beſorgung von gewiſſen Blättern für alle
Armeelazarethe in Frankreich anbefahl und zur Motivirung dieſes
Befehls auf Wünſche I. K. Hoheit der Kronprinzeſſin Bezug nahm.
Wie weit er dazu berechtigt war, weiß ich nicht; wer aber den
alten Herrn kannte, wird ſich ſeine Stimmung denken können, als
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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/233>, abgerufen am 23.07.2024.
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