Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.Als Vertreter des öffentlichen Interesses gegen die Ressorts. für einen von mir empfohlenen Candidaten verlangt habe, auchnicht für einen Briefträger. Nur der Neigung, neue eingreifende Gesetze oder Organisationen zu machen, der Neigung, vom grünen Tische aus zu reglementiren, bin ich bei meinen Collegen nicht selten entgegen getreten, weil ich wußte, daß, wenn nicht sie selbst, so doch ihre Räthe die Gesetzmacherei übertrieben, und daß so manche vortragende Räthe in den innern Ressorts seit dem Examen her Projecte in ihren Fächern haben, durch die sie die Unterthanen des Reiches zu beglücken suchen, sobald sie einen Chef finden, der darauf eingeht. Ungeachtet meiner Zurückhaltung ist nach meinem Ausscheiden Auf dem Gebiete der Finanzen war meine Zustimmung zu Als Vertreter des öffentlichen Intereſſes gegen die Reſſorts. für einen von mir empfohlenen Candidaten verlangt habe, auchnicht für einen Briefträger. Nur der Neigung, neue eingreifende Geſetze oder Organiſationen zu machen, der Neigung, vom grünen Tiſche aus zu reglementiren, bin ich bei meinen Collegen nicht ſelten entgegen getreten, weil ich wußte, daß, wenn nicht ſie ſelbſt, ſo doch ihre Räthe die Geſetzmacherei übertrieben, und daß ſo manche vortragende Räthe in den innern Reſſorts ſeit dem Examen her Projecte in ihren Fächern haben, durch die ſie die Unterthanen des Reiches zu beglücken ſuchen, ſobald ſie einen Chef finden, der darauf eingeht. Ungeachtet meiner Zurückhaltung iſt nach meinem Ausſcheiden Auf dem Gebiete der Finanzen war meine Zuſtimmung zu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0231" n="207"/><fw place="top" type="header">Als Vertreter des öffentlichen Intereſſes gegen die Reſſorts.<lb/></fw>für einen von mir empfohlenen Candidaten verlangt habe, auch<lb/> nicht für einen Briefträger. Nur der Neigung, neue eingreifende<lb/> Geſetze oder Organiſationen zu machen, der Neigung, vom grünen<lb/> Tiſche aus zu reglementiren, bin ich bei meinen Collegen nicht<lb/> ſelten entgegen getreten, weil ich wußte, daß, wenn nicht ſie ſelbſt,<lb/> ſo doch ihre Räthe die Geſetzmacherei übertrieben, und daß ſo<lb/> manche vortragende Räthe in den innern Reſſorts ſeit dem Examen<lb/> her Projecte in ihren Fächern haben, durch die ſie die Unterthanen<lb/> des Reiches zu beglücken ſuchen, ſobald ſie einen Chef finden, der<lb/> darauf eingeht.</p><lb/> <p>Ungeachtet meiner Zurückhaltung iſt nach meinem Ausſcheiden<lb/> bei der Mehrheit meiner Geſchäftsfreunde ein Gefühl wie der Er¬<lb/> leichterung von einem Drucke wahrgenommen worden, das in vielen<lb/> Fällen eben aus dem Widerſtande zu erklären iſt, den ich dem über¬<lb/> wuchernden Triebe zu unnöthigen Eingriffen in den Beſtand unſrer<lb/> Geſetzgebung geleiſtet hatte. Auf dem Gebiete der Schule hatte ich<lb/> dauernd, aber ohne Erfolg die Theorie bekämpft, daß der Unter¬<lb/> richtsminiſter ohne Geſetz und ohne ſich an das vorhandene Schul¬<lb/> vermögen zu binden, auf dem Verwaltungswege und ohne die<lb/> Leiſtungsfähigkeit zu beachten, beſtimmen könne, was jede Gemeinde<lb/> zur Schule beizutragen habe. Dieſe in keinem andern Verwaltungs¬<lb/> zweige vorhandene Machtvollkommenheit, deren Anwendung in<lb/> manchen Fällen ſo weit getrieben wurde, daß die Gemeinden exiſtenz¬<lb/> unfähig wurden, beruhte nicht auf Geſetz, ſondern auf einem Re¬<lb/> ſcript des frühern Cultusminiſters von Raumer, das das Schulbudget<lb/> von einer Verfügung der betreffenden Abtheilung der Regirungen,<lb/> in letzter Inſtanz des Miniſters, abhängig machte. Das Beſtreben,<lb/> dieſen Miniſterabſolutismus durch Geſetz zu conſolidiren, war für<lb/> mich ein Hinderniß, den gelegentlich mir vorgelegten Schulgeſetz¬<lb/> entwürfen meine Zuſtimmung zu geben.</p><lb/> <p>Auf dem Gebiete der Finanzen war meine Zuſtimmung zu<lb/> einer Steuerreform jederzeit dem Verlangen untergeordnet, die¬<lb/> jenigen directen Steuern, die von dem Vermögen des Zahlenden<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [207/0231]
Als Vertreter des öffentlichen Intereſſes gegen die Reſſorts.
für einen von mir empfohlenen Candidaten verlangt habe, auch
nicht für einen Briefträger. Nur der Neigung, neue eingreifende
Geſetze oder Organiſationen zu machen, der Neigung, vom grünen
Tiſche aus zu reglementiren, bin ich bei meinen Collegen nicht
ſelten entgegen getreten, weil ich wußte, daß, wenn nicht ſie ſelbſt,
ſo doch ihre Räthe die Geſetzmacherei übertrieben, und daß ſo
manche vortragende Räthe in den innern Reſſorts ſeit dem Examen
her Projecte in ihren Fächern haben, durch die ſie die Unterthanen
des Reiches zu beglücken ſuchen, ſobald ſie einen Chef finden, der
darauf eingeht.
Ungeachtet meiner Zurückhaltung iſt nach meinem Ausſcheiden
bei der Mehrheit meiner Geſchäftsfreunde ein Gefühl wie der Er¬
leichterung von einem Drucke wahrgenommen worden, das in vielen
Fällen eben aus dem Widerſtande zu erklären iſt, den ich dem über¬
wuchernden Triebe zu unnöthigen Eingriffen in den Beſtand unſrer
Geſetzgebung geleiſtet hatte. Auf dem Gebiete der Schule hatte ich
dauernd, aber ohne Erfolg die Theorie bekämpft, daß der Unter¬
richtsminiſter ohne Geſetz und ohne ſich an das vorhandene Schul¬
vermögen zu binden, auf dem Verwaltungswege und ohne die
Leiſtungsfähigkeit zu beachten, beſtimmen könne, was jede Gemeinde
zur Schule beizutragen habe. Dieſe in keinem andern Verwaltungs¬
zweige vorhandene Machtvollkommenheit, deren Anwendung in
manchen Fällen ſo weit getrieben wurde, daß die Gemeinden exiſtenz¬
unfähig wurden, beruhte nicht auf Geſetz, ſondern auf einem Re¬
ſcript des frühern Cultusminiſters von Raumer, das das Schulbudget
von einer Verfügung der betreffenden Abtheilung der Regirungen,
in letzter Inſtanz des Miniſters, abhängig machte. Das Beſtreben,
dieſen Miniſterabſolutismus durch Geſetz zu conſolidiren, war für
mich ein Hinderniß, den gelegentlich mir vorgelegten Schulgeſetz¬
entwürfen meine Zuſtimmung zu geben.
Auf dem Gebiete der Finanzen war meine Zuſtimmung zu
einer Steuerreform jederzeit dem Verlangen untergeordnet, die¬
jenigen directen Steuern, die von dem Vermögen des Zahlenden
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