Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.Vierundzwanzigstes Kapitel: Culturkampf. gehende, daß bezüglich unsres Schicksals nach dem irdischen Todedie Bürgschaften für die Katholiken stärker seien, als für andre, weil, angenommen, daß die katholischen Dogmen irrthümlich seien, das Schicksal der katholischen Seele nicht schlimmer ausfalle, wenn der evangelische Glaube sich als der richtige erweisen sollte, im umgekehrten Falle aber die Zukunft der ketzerischen Seele eine ent¬ setzliche sei. Er knüpfte daran die Frage: "Glauben Sie etwa, daß ein Katholik nicht selig werden könne?" Ich antwortete: "Ein katholischer Laie unbedenklich; ob ein Geistlicher, ist mir zweifel¬ haft; in ihm steckt ,die Sünde wider den heiligen Geist', und der Wortlaut der Schrift steht ihm entgegen." Der Bischof beantwortete diese in scherzhaftem Tone gegebene Erwiderung lächelnd durch eine höflich ironische Verbeugung. Nachdem unsre Verhandlungen resultatlos abgelaufen waren, Vierundzwanzigſtes Kapitel: Culturkampf. gehende, daß bezüglich unſres Schickſals nach dem irdiſchen Todedie Bürgſchaften für die Katholiken ſtärker ſeien, als für andre, weil, angenommen, daß die katholiſchen Dogmen irrthümlich ſeien, das Schickſal der katholiſchen Seele nicht ſchlimmer ausfalle, wenn der evangeliſche Glaube ſich als der richtige erweiſen ſollte, im umgekehrten Falle aber die Zukunft der ketzeriſchen Seele eine ent¬ ſetzliche ſei. Er knüpfte daran die Frage: „Glauben Sie etwa, daß ein Katholik nicht ſelig werden könne?“ Ich antwortete: „Ein katholiſcher Laie unbedenklich; ob ein Geiſtlicher, iſt mir zweifel¬ haft; in ihm ſteckt ,die Sünde wider den heiligen Geiſt', und der Wortlaut der Schrift ſteht ihm entgegen.“ Der Biſchof beantwortete dieſe in ſcherzhaftem Tone gegebene Erwiderung lächelnd durch eine höflich ironiſche Verbeugung. Nachdem unſre Verhandlungen reſultatlos abgelaufen waren, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0150" n="126"/><fw place="top" type="header">Vierundzwanzigſtes Kapitel: Culturkampf.<lb/></fw> gehende, daß bezüglich unſres Schickſals nach dem irdiſchen Tode<lb/> die Bürgſchaften für die Katholiken ſtärker ſeien, als für andre,<lb/> weil, angenommen, daß die katholiſchen Dogmen irrthümlich ſeien,<lb/> das Schickſal der katholiſchen Seele nicht ſchlimmer ausfalle, wenn<lb/> der evangeliſche Glaube ſich als der richtige erweiſen ſollte, im<lb/> umgekehrten Falle aber die Zukunft der ketzeriſchen Seele eine ent¬<lb/> ſetzliche ſei. Er knüpfte daran die Frage: „Glauben Sie etwa,<lb/> daß ein Katholik nicht ſelig werden könne?“ Ich antwortete: „Ein<lb/> katholiſcher Laie unbedenklich; ob ein Geiſtlicher, iſt mir zweifel¬<lb/> haft; in ihm ſteckt ,die Sünde wider den heiligen Geiſt', und der<lb/> Wortlaut der Schrift ſteht ihm entgegen.“ Der Biſchof beantwortete<lb/> dieſe in ſcherzhaftem Tone gegebene Erwiderung lächelnd durch eine<lb/> höflich ironiſche Verbeugung.</p><lb/> <p>Nachdem unſre Verhandlungen reſultatlos abgelaufen waren,<lb/> wurde die Neubildung der 1860 gegründeten, jetzt Centrum ge¬<lb/> nannten katholiſchen Fraction mit ſteigendem Eifer beſonders von<lb/> Savigny und Mallinckrodt betrieben. An dieſer Fraction habe ich<lb/> die Beobachtung zu machen gehabt, daß, wie in Frankreich ſo auch<lb/> in Deutſchland, der Papſt ſchwächer iſt, als er erſcheint, jedenfalls<lb/> nicht ſo ſtark iſt, daß wir ſeinen Beiſtand in unſern Angelegen¬<lb/> heiten durch den Bruch mit den Sympathien andrer mächtiger Ele¬<lb/> mente erkaufen durften. Von dem <hi rendition="#aq">désaveu</hi> des Cardinals Antonelli<lb/> in dem Briefe an den Biſchof Ketteler vom 5. Juni 1871, von der<lb/> Centrumsmiſſion des Fürſten Löwenſtein-Wertheim, von der Unbot¬<lb/> mäßigkeit des Centrums bei Gelegenheit des Septennats habe ich<lb/> den Eindruck erhalten, daß der Partei- und Fractionsgeiſt, den<lb/> die Vorſehung dem Centrum an Stelle des Nationalſinnes andrer<lb/> Völker verliehn hat, ſtärker iſt als der Papſt, nicht auf einem<lb/> Concil, ohne Laien, aber auf dem Schlachtfelde parlamentariſcher<lb/> und publiciſtiſcher Kämpfe innerhalb Deutſchlands. Ob das auch<lb/> der Fall ſein würde, wenn der päpſtliche Einfluß ſich ohne Rückſicht<lb/> auf concurrirende Kräfte, namentlich den Jeſuitenorden, geltend<lb/> zu machen vermöchte, laſſe ich, ohne an den plötzlichen Tod des<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [126/0150]
Vierundzwanzigſtes Kapitel: Culturkampf.
gehende, daß bezüglich unſres Schickſals nach dem irdiſchen Tode
die Bürgſchaften für die Katholiken ſtärker ſeien, als für andre,
weil, angenommen, daß die katholiſchen Dogmen irrthümlich ſeien,
das Schickſal der katholiſchen Seele nicht ſchlimmer ausfalle, wenn
der evangeliſche Glaube ſich als der richtige erweiſen ſollte, im
umgekehrten Falle aber die Zukunft der ketzeriſchen Seele eine ent¬
ſetzliche ſei. Er knüpfte daran die Frage: „Glauben Sie etwa,
daß ein Katholik nicht ſelig werden könne?“ Ich antwortete: „Ein
katholiſcher Laie unbedenklich; ob ein Geiſtlicher, iſt mir zweifel¬
haft; in ihm ſteckt ,die Sünde wider den heiligen Geiſt', und der
Wortlaut der Schrift ſteht ihm entgegen.“ Der Biſchof beantwortete
dieſe in ſcherzhaftem Tone gegebene Erwiderung lächelnd durch eine
höflich ironiſche Verbeugung.
Nachdem unſre Verhandlungen reſultatlos abgelaufen waren,
wurde die Neubildung der 1860 gegründeten, jetzt Centrum ge¬
nannten katholiſchen Fraction mit ſteigendem Eifer beſonders von
Savigny und Mallinckrodt betrieben. An dieſer Fraction habe ich
die Beobachtung zu machen gehabt, daß, wie in Frankreich ſo auch
in Deutſchland, der Papſt ſchwächer iſt, als er erſcheint, jedenfalls
nicht ſo ſtark iſt, daß wir ſeinen Beiſtand in unſern Angelegen¬
heiten durch den Bruch mit den Sympathien andrer mächtiger Ele¬
mente erkaufen durften. Von dem désaveu des Cardinals Antonelli
in dem Briefe an den Biſchof Ketteler vom 5. Juni 1871, von der
Centrumsmiſſion des Fürſten Löwenſtein-Wertheim, von der Unbot¬
mäßigkeit des Centrums bei Gelegenheit des Septennats habe ich
den Eindruck erhalten, daß der Partei- und Fractionsgeiſt, den
die Vorſehung dem Centrum an Stelle des Nationalſinnes andrer
Völker verliehn hat, ſtärker iſt als der Papſt, nicht auf einem
Concil, ohne Laien, aber auf dem Schlachtfelde parlamentariſcher
und publiciſtiſcher Kämpfe innerhalb Deutſchlands. Ob das auch
der Fall ſein würde, wenn der päpſtliche Einfluß ſich ohne Rückſicht
auf concurrirende Kräfte, namentlich den Jeſuitenorden, geltend
zu machen vermöchte, laſſe ich, ohne an den plötzlichen Tod des
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |