Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.Zweites Kapitel: Das Jahr 1848. war, zog die Börse. "Du wirst doch für die Mörder nichts geben,"sagte ich, und auf einen warnenden Blick, den er mir zuwarf, "und Dich vor dem Kuhfuß nicht fürchten?" Ich hatte in dem Posten schon den mir befreundeten Kammergerichtsrath Meier er¬ kannt, der sich auf den "Kuhfuß" zornig umwandte und dann ausrief: "I Jotte doch, Bismarck! wie sehn Sie aus! Schöne Schweinerei hier!" Die Bürgerwache im Schlosse fragte mich, was ich dort wolle. Auf meinen Gängen durch die Straßen, um die Spuren des Zweites Kapitel: Das Jahr 1848. war, zog die Börſe. „Du wirſt doch für die Mörder nichts geben,“ſagte ich, und auf einen warnenden Blick, den er mir zuwarf, „und Dich vor dem Kuhfuß nicht fürchten?“ Ich hatte in dem Poſten ſchon den mir befreundeten Kammergerichtsrath Meier er¬ kannt, der ſich auf den „Kuhfuß“ zornig umwandte und dann ausrief: „I Jotte doch, Bismarck! wie ſehn Sie aus! Schöne Schweinerei hier!“ Die Bürgerwache im Schloſſe fragte mich, was ich dort wolle. Auf meinen Gängen durch die Straßen, um die Spuren des <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0051" n="24"/><fw place="top" type="header">Zweites Kapitel: Das Jahr 1848.<lb/></fw>war, zog die Börſe. „Du wirſt doch für die Mörder nichts geben,“<lb/> ſagte ich, und auf einen warnenden Blick, den er mir zuwarf,<lb/> „und Dich vor dem Kuhfuß nicht fürchten?“ Ich hatte in dem<lb/> Poſten ſchon den mir befreundeten Kammergerichtsrath Meier er¬<lb/> kannt, der ſich auf den „Kuhfuß“ zornig umwandte und dann<lb/> ausrief: „I Jotte doch, Bismarck! wie ſehn Sie aus! Schöne<lb/> Schweinerei hier!“</p><lb/> <p>Die Bürgerwache im Schloſſe fragte mich, was ich dort wolle.<lb/> Auf meine Antwort, ich hätte einen Brief des Prinzen Karl an<lb/> den König abzugeben, ſagte der Poſten, mich mit mißtrauiſchen<lb/> Blicken betrachtend, das könne nicht ſein; der Prinz befinde ſich<lb/> eben beim Könige. Erſtrer mußte alſo noch vor mir von Pots¬<lb/> dam abgereiſt ſein. Die Wache verlangte den Brief zu ſehn, den<lb/> ich hätte; ich zeigte ihn, da er offen und der Inhalt unverfänglich<lb/> war, und man ließ mich gehn, aber nicht in's Schloß. Im Gaſthof<lb/> Meinhard, parterre, lag ein mir bekannter Arzt im Fenſter, zu<lb/> dem ich eintrat. Dort ſchrieb ich dem Könige, was ich ihm zu<lb/> ſagen beabſichtigt hatte. Ich ging mit dem Briefe zum Fürſten<lb/> Boguslaw Radziwill, der freien Verkehr hatte und ihn dem Könige<lb/> übergeben konnte. Es ſtand darin u. A., die Revolution beſchränke<lb/> ſich auf die großen Städte, und der König ſei Herr im Lande, ſobald<lb/> er Berlin verlaſſe. Der König antwortete nicht, hat mir aber<lb/> ſpäter geſagt, er habe den auf ſchlechtem Papier ſchlecht geſchrie¬<lb/> benen Brief als das erſte Zeichen von Sympathie, das er damals<lb/> erhalten, ſorgfältig aufbewahrt.</p><lb/> <p>Auf meinen Gängen durch die Straßen, um die Spuren des<lb/> Kampfes anzuſehn, raunte ein Unbekannter mir zu: „Wiſſen Sie,<lb/> daß Sie verfolgt werden?“ Ein andrer Unbekannter flüſterte mir<lb/> unter den Linden zu: „Kommen Sie mit“; ich folgte ihm in die<lb/> Kleine Mauerſtraße, wo er ſagte: „Reiſen Sie ab, oder Sie werden<lb/> verhaftet.“ „Kennen Sie mich?“ fragte ich. „Ja,“ antwortete er, „Sie<lb/> ſind Herr von Bismarck.“ Von welcher Seite mir die Gefahr drohen<lb/> ſollte, von welcher die Warnung kam, habe ich nie erfahren. Der<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [24/0051]
Zweites Kapitel: Das Jahr 1848.
war, zog die Börſe. „Du wirſt doch für die Mörder nichts geben,“
ſagte ich, und auf einen warnenden Blick, den er mir zuwarf,
„und Dich vor dem Kuhfuß nicht fürchten?“ Ich hatte in dem
Poſten ſchon den mir befreundeten Kammergerichtsrath Meier er¬
kannt, der ſich auf den „Kuhfuß“ zornig umwandte und dann
ausrief: „I Jotte doch, Bismarck! wie ſehn Sie aus! Schöne
Schweinerei hier!“
Die Bürgerwache im Schloſſe fragte mich, was ich dort wolle.
Auf meine Antwort, ich hätte einen Brief des Prinzen Karl an
den König abzugeben, ſagte der Poſten, mich mit mißtrauiſchen
Blicken betrachtend, das könne nicht ſein; der Prinz befinde ſich
eben beim Könige. Erſtrer mußte alſo noch vor mir von Pots¬
dam abgereiſt ſein. Die Wache verlangte den Brief zu ſehn, den
ich hätte; ich zeigte ihn, da er offen und der Inhalt unverfänglich
war, und man ließ mich gehn, aber nicht in's Schloß. Im Gaſthof
Meinhard, parterre, lag ein mir bekannter Arzt im Fenſter, zu
dem ich eintrat. Dort ſchrieb ich dem Könige, was ich ihm zu
ſagen beabſichtigt hatte. Ich ging mit dem Briefe zum Fürſten
Boguslaw Radziwill, der freien Verkehr hatte und ihn dem Könige
übergeben konnte. Es ſtand darin u. A., die Revolution beſchränke
ſich auf die großen Städte, und der König ſei Herr im Lande, ſobald
er Berlin verlaſſe. Der König antwortete nicht, hat mir aber
ſpäter geſagt, er habe den auf ſchlechtem Papier ſchlecht geſchrie¬
benen Brief als das erſte Zeichen von Sympathie, das er damals
erhalten, ſorgfältig aufbewahrt.
Auf meinen Gängen durch die Straßen, um die Spuren des
Kampfes anzuſehn, raunte ein Unbekannter mir zu: „Wiſſen Sie,
daß Sie verfolgt werden?“ Ein andrer Unbekannter flüſterte mir
unter den Linden zu: „Kommen Sie mit“; ich folgte ihm in die
Kleine Mauerſtraße, wo er ſagte: „Reiſen Sie ab, oder Sie werden
verhaftet.“ „Kennen Sie mich?“ fragte ich. „Ja,“ antwortete er, „Sie
ſind Herr von Bismarck.“ Von welcher Seite mir die Gefahr drohen
ſollte, von welcher die Warnung kam, habe ich nie erfahren. Der
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