Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.In Potsdam und Berlin. den Gedanken schließen, während der Minderjährigkeit ihres Sohnesdie Regentschaft zu führen. Um für diesen Zweck die Mitwirkung der Rechten in den Kammern zu gewinnen, sind mir formelle Eröffnungen durch Georg von Vincke gemacht worden. Da ich zum Prinzen von Preußen nicht gelangen konnte, machte ich einen Versuch mit dem Prinzen Friedrich Karl, stellte ihm vor, wie nöthig es sei, daß das Königshaus Fühlung mit der Armee behalte, und wenn Se. Majestät unfrei sei, auch ohne Befehl des Königs für die Sache desselben handle. Er erwiderte in lebhafter Gemüthsbewegung, so sehr ihm mein Gedanke zusage, so fühle er sich doch zu jung, ihn auszuführen, und könne dem Beispiel der Studenten, die sich in die Politik mischten, nicht folgen, er sei auch nicht älter als die. Ich entschloß mich dann zu dem Ver¬ suche, zu dem Könige zu gelangen. Prinz Karl gab mir im Potsdamer Schlosse als Legitimation Ueberbringer -- mir wohlbekannt -- hat den Auftrag, sich bei Potsdam 21. Maerz 1848 Carl Prinz v. Preußen. 1 Uhr N. M. Ich fuhr nach Berlin. Vom Vereinigten Landtage her vielen In Potsdam und Berlin. den Gedanken ſchließen, während der Minderjährigkeit ihres Sohnesdie Regentſchaft zu führen. Um für dieſen Zweck die Mitwirkung der Rechten in den Kammern zu gewinnen, ſind mir formelle Eröffnungen durch Georg von Vincke gemacht worden. Da ich zum Prinzen von Preußen nicht gelangen konnte, machte ich einen Verſuch mit dem Prinzen Friedrich Karl, ſtellte ihm vor, wie nöthig es ſei, daß das Königshaus Fühlung mit der Armee behalte, und wenn Se. Majeſtät unfrei ſei, auch ohne Befehl des Königs für die Sache deſſelben handle. Er erwiderte in lebhafter Gemüthsbewegung, ſo ſehr ihm mein Gedanke zuſage, ſo fühle er ſich doch zu jung, ihn auszuführen, und könne dem Beiſpiel der Studenten, die ſich in die Politik miſchten, nicht folgen, er ſei auch nicht älter als die. Ich entſchloß mich dann zu dem Ver¬ ſuche, zu dem Könige zu gelangen. Prinz Karl gab mir im Potsdamer Schloſſe als Legitimation Ueberbringer — mir wohlbekannt — hat den Auftrag, ſich bei Potsdam 21. Maerz 1848 Carl Prinz v. Preußen. 1 Uhr N. M. Ich fuhr nach Berlin. Vom Vereinigten Landtage her vielen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0050" n="23"/><fw place="top" type="header">In Potsdam und Berlin.<lb/></fw> den Gedanken ſchließen, während der Minderjährigkeit ihres Sohnes<lb/> die Regentſchaft zu führen. Um für dieſen Zweck die Mitwirkung<lb/> der Rechten in den Kammern zu gewinnen, ſind mir formelle<lb/> Eröffnungen durch Georg von Vincke gemacht worden. Da ich<lb/> zum Prinzen von Preußen nicht gelangen konnte, machte ich<lb/> einen Verſuch mit dem Prinzen Friedrich Karl, ſtellte ihm vor,<lb/> wie nöthig es ſei, daß das Königshaus Fühlung mit der Armee<lb/> behalte, und wenn Se. Majeſtät unfrei ſei, auch ohne Befehl des<lb/> Königs für die Sache deſſelben handle. Er erwiderte in lebhafter<lb/> Gemüthsbewegung, ſo ſehr ihm mein Gedanke zuſage, ſo fühle er<lb/> ſich doch zu jung, ihn auszuführen, und könne dem Beiſpiel der<lb/> Studenten, die ſich in die Politik miſchten, nicht folgen, er ſei<lb/> auch nicht älter als die. Ich entſchloß mich dann zu dem Ver¬<lb/> ſuche, zu dem Könige zu gelangen.</p><lb/> <p>Prinz Karl gab mir im Potsdamer Schloſſe als Legitimation<lb/> und Paß das nachſtehende offene Schreiben:</p><lb/> <p>Ueberbringer — mir wohlbekannt — hat den Auftrag, ſich bei<lb/> Sr. Majeſtät meinem Allergnädigſten Bruder <hi rendition="#g">perſönlich</hi> nach<lb/> Höchſtdeſſen Geſundheit zu erkundigen und mir Nachricht zu bringen,<lb/> aus welchem Grunde mir ſeit 30 Stunden auf meine wiederholten<lb/> eigenh. Anfragen „ob ich nicht nach Berlin kommen dürfe“ <hi rendition="#g">keine</hi><lb/> Antwort ward.</p><lb/> <p>Potsdam 21. Maerz 1848 Carl Prinz v. Preußen.</p><lb/> <p>1 Uhr N. M.</p><lb/> <p>Ich fuhr nach Berlin. Vom Vereinigten Landtage her vielen<lb/> Leuten von Anſehn bekannt, hatte ich für rathſam gehalten, meinen<lb/> Bart abzuſcheeren und einen breiten Hut mit bunter Kokarde auf¬<lb/> zuſetzen. Wegen der gehofften Audienz war ich im Frack. Am<lb/> Ausgange des Bahnhofes war eine Schüſſel mit einer Aufforderung<lb/> zu Spenden für die Barrikadenkämpfer aufgeſtellt, daneben ein baum¬<lb/> langer Bürgerwehrmann mit der Muskete auf der Schulter. Ein<lb/> Vetter von mir, mit dem ich beim Ausſteigen zuſammengetroffen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [23/0050]
In Potsdam und Berlin.
den Gedanken ſchließen, während der Minderjährigkeit ihres Sohnes
die Regentſchaft zu führen. Um für dieſen Zweck die Mitwirkung
der Rechten in den Kammern zu gewinnen, ſind mir formelle
Eröffnungen durch Georg von Vincke gemacht worden. Da ich
zum Prinzen von Preußen nicht gelangen konnte, machte ich
einen Verſuch mit dem Prinzen Friedrich Karl, ſtellte ihm vor,
wie nöthig es ſei, daß das Königshaus Fühlung mit der Armee
behalte, und wenn Se. Majeſtät unfrei ſei, auch ohne Befehl des
Königs für die Sache deſſelben handle. Er erwiderte in lebhafter
Gemüthsbewegung, ſo ſehr ihm mein Gedanke zuſage, ſo fühle er
ſich doch zu jung, ihn auszuführen, und könne dem Beiſpiel der
Studenten, die ſich in die Politik miſchten, nicht folgen, er ſei
auch nicht älter als die. Ich entſchloß mich dann zu dem Ver¬
ſuche, zu dem Könige zu gelangen.
Prinz Karl gab mir im Potsdamer Schloſſe als Legitimation
und Paß das nachſtehende offene Schreiben:
Ueberbringer — mir wohlbekannt — hat den Auftrag, ſich bei
Sr. Majeſtät meinem Allergnädigſten Bruder perſönlich nach
Höchſtdeſſen Geſundheit zu erkundigen und mir Nachricht zu bringen,
aus welchem Grunde mir ſeit 30 Stunden auf meine wiederholten
eigenh. Anfragen „ob ich nicht nach Berlin kommen dürfe“ keine
Antwort ward.
Potsdam 21. Maerz 1848 Carl Prinz v. Preußen.
1 Uhr N. M.
Ich fuhr nach Berlin. Vom Vereinigten Landtage her vielen
Leuten von Anſehn bekannt, hatte ich für rathſam gehalten, meinen
Bart abzuſcheeren und einen breiten Hut mit bunter Kokarde auf¬
zuſetzen. Wegen der gehofften Audienz war ich im Frack. Am
Ausgange des Bahnhofes war eine Schüſſel mit einer Aufforderung
zu Spenden für die Barrikadenkämpfer aufgeſtellt, daneben ein baum¬
langer Bürgerwehrmann mit der Muskete auf der Schulter. Ein
Vetter von mir, mit dem ich beim Ausſteigen zuſammengetroffen
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