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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

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"Junkerthum." Vortheile und Nachtheile des Absolutismus.
Für letztre war allerdings auf dem Ersten Vereinigten Landtage
diese Autorität des Monarchen staatsrechtlich vorhanden, aber mit
dem Wunsche und dem Zukunftsgedanken, daß die unumschränkte
Macht des Königs selber ohne Ueberstürzung das Maß ihrer Be¬
schränkung zu bestimmen habe. Der Absolutismus bedarf in erster
Linie Unparteilichkeit, Ehrlichkeit, Pflichttreue, Arbeitskraft und
innere Demuth des Regirenden; sind sie vorhanden, so werden
doch männliche oder weibliche Günstlinge, im besten Falle die
legitime Frau, die eigne Eitelkeit und Empfänglichkeit für
Schmeicheleien dem Staate die Früchte des Königlichen Wohl¬
wollens verkürzen, da der Monarch nicht allwissend ist und nicht
für alle Zweige seiner Aufgabe gleiches Verständniß haben kann.
Ich bin schon 1847 dafür gewesen, daß die Möglichkeit öffentlicher
Kritik der Regirung im Parlamente und in der Presse erstrebt
werde, um den Monarchen vor der Gefahr zu behüten, daß Weiber,
Höflinge, Streber und Phantasten ihm Scheuklappen anlegten, die
ihn hinderten, seine monarchischen Aufgaben zu übersehn und
Mißgriffe zu vermeiden oder zu corrigiren. Diese meine Auffassung
hat sich um so schärfer ausgeprägt, je nachdem ich mit den Hof¬
kreisen mehr vertraut wurde und gegen ihre Strömungen und
gegen die Opposition des Ressortpatriotismus das Staatsinteresse
zu vertreten hatte. Letztres allein hat mich geleitet, und es ist
eine Verleumdung, wenn selbst wohlwollende Publizisten mich be¬
schuldigen, daß ich je für ein Adelsregiment eingetreten sei. Die
Geburt hat mir niemals als Ersatz für Mangel an Tüchtigkeit
gegolten; wenn ich für den Grundbesitz eingetreten bin, so habe
ich das nicht im Interesse besitzender Standesgenossen gethan,
sondern weil ich im Verfall der Landwirthschaft eine der größten
Gefahren für unsern staatlichen Bestand sehe. Mir hat immer
als Ideal eine monarchische Gewalt vorgeschwebt, welche durch eine
unabhängige, nach meiner Meinung ständische oder berufsgenossen¬
schaftliche Landesvertretung soweit controllirt wäre, daß Monarch
oder Parlament den bestehenden gesetzlichen Rechtszustand nicht

„Junkerthum.“ Vortheile und Nachtheile des Abſolutismus.
Für letztre war allerdings auf dem Erſten Vereinigten Landtage
dieſe Autorität des Monarchen ſtaatsrechtlich vorhanden, aber mit
dem Wunſche und dem Zukunftsgedanken, daß die unumſchränkte
Macht des Königs ſelber ohne Ueberſtürzung das Maß ihrer Be¬
ſchränkung zu beſtimmen habe. Der Abſolutismus bedarf in erſter
Linie Unparteilichkeit, Ehrlichkeit, Pflichttreue, Arbeitskraft und
innere Demuth des Regirenden; ſind ſie vorhanden, ſo werden
doch männliche oder weibliche Günſtlinge, im beſten Falle die
legitime Frau, die eigne Eitelkeit und Empfänglichkeit für
Schmeicheleien dem Staate die Früchte des Königlichen Wohl¬
wollens verkürzen, da der Monarch nicht allwiſſend iſt und nicht
für alle Zweige ſeiner Aufgabe gleiches Verſtändniß haben kann.
Ich bin ſchon 1847 dafür geweſen, daß die Möglichkeit öffentlicher
Kritik der Regirung im Parlamente und in der Preſſe erſtrebt
werde, um den Monarchen vor der Gefahr zu behüten, daß Weiber,
Höflinge, Streber und Phantaſten ihm Scheuklappen anlegten, die
ihn hinderten, ſeine monarchiſchen Aufgaben zu überſehn und
Mißgriffe zu vermeiden oder zu corrigiren. Dieſe meine Auffaſſung
hat ſich um ſo ſchärfer ausgeprägt, je nachdem ich mit den Hof¬
kreiſen mehr vertraut wurde und gegen ihre Strömungen und
gegen die Oppoſition des Reſſortpatriotismus das Staatsintereſſe
zu vertreten hatte. Letztres allein hat mich geleitet, und es iſt
eine Verleumdung, wenn ſelbſt wohlwollende Publiziſten mich be¬
ſchuldigen, daß ich je für ein Adelsregiment eingetreten ſei. Die
Geburt hat mir niemals als Erſatz für Mangel an Tüchtigkeit
gegolten; wenn ich für den Grundbeſitz eingetreten bin, ſo habe
ich das nicht im Intereſſe beſitzender Standesgenoſſen gethan,
ſondern weil ich im Verfall der Landwirthſchaft eine der größten
Gefahren für unſern ſtaatlichen Beſtand ſehe. Mir hat immer
als Ideal eine monarchiſche Gewalt vorgeſchwebt, welche durch eine
unabhängige, nach meiner Meinung ſtändiſche oder berufsgenoſſen¬
ſchaftliche Landesvertretung ſoweit controllirt wäre, daß Monarch
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[15/0042] „Junkerthum.“ Vortheile und Nachtheile des Abſolutismus. Für letztre war allerdings auf dem Erſten Vereinigten Landtage dieſe Autorität des Monarchen ſtaatsrechtlich vorhanden, aber mit dem Wunſche und dem Zukunftsgedanken, daß die unumſchränkte Macht des Königs ſelber ohne Ueberſtürzung das Maß ihrer Be¬ ſchränkung zu beſtimmen habe. Der Abſolutismus bedarf in erſter Linie Unparteilichkeit, Ehrlichkeit, Pflichttreue, Arbeitskraft und innere Demuth des Regirenden; ſind ſie vorhanden, ſo werden doch männliche oder weibliche Günſtlinge, im beſten Falle die legitime Frau, die eigne Eitelkeit und Empfänglichkeit für Schmeicheleien dem Staate die Früchte des Königlichen Wohl¬ wollens verkürzen, da der Monarch nicht allwiſſend iſt und nicht für alle Zweige ſeiner Aufgabe gleiches Verſtändniß haben kann. Ich bin ſchon 1847 dafür geweſen, daß die Möglichkeit öffentlicher Kritik der Regirung im Parlamente und in der Preſſe erſtrebt werde, um den Monarchen vor der Gefahr zu behüten, daß Weiber, Höflinge, Streber und Phantaſten ihm Scheuklappen anlegten, die ihn hinderten, ſeine monarchiſchen Aufgaben zu überſehn und Mißgriffe zu vermeiden oder zu corrigiren. Dieſe meine Auffaſſung hat ſich um ſo ſchärfer ausgeprägt, je nachdem ich mit den Hof¬ kreiſen mehr vertraut wurde und gegen ihre Strömungen und gegen die Oppoſition des Reſſortpatriotismus das Staatsintereſſe zu vertreten hatte. Letztres allein hat mich geleitet, und es iſt eine Verleumdung, wenn ſelbſt wohlwollende Publiziſten mich be¬ ſchuldigen, daß ich je für ein Adelsregiment eingetreten ſei. Die Geburt hat mir niemals als Erſatz für Mangel an Tüchtigkeit gegolten; wenn ich für den Grundbeſitz eingetreten bin, ſo habe ich das nicht im Intereſſe beſitzender Standesgenoſſen gethan, ſondern weil ich im Verfall der Landwirthſchaft eine der größten Gefahren für unſern ſtaatlichen Beſtand ſehe. Mir hat immer als Ideal eine monarchiſche Gewalt vorgeſchwebt, welche durch eine unabhängige, nach meiner Meinung ſtändiſche oder berufsgenoſſen¬ ſchaftliche Landesvertretung ſoweit controllirt wäre, daß Monarch oder Parlament den beſtehenden geſetzlichen Rechtszuſtand nicht

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/42>, abgerufen am 27.04.2024.