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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

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Sechzehntes Kapitel: Danziger Episode.
hätte in einer Anwandlung dynastischen Gefühls gesprochen, um
ihn mit seinem Vater wieder in nähere Beziehung zu bringen, im
Interesse des Landes und der Dynastie, das durch die Entfremdung
geschädigt wäre; ich hätte im Juni gethan, was ich gekonnt, um
seinen Herrn Vater von Entschließungen ab irato abzuhalten, weil
ich im Interesse des Landes und im Kampfe gegen die Parlaments¬
herrschaft die Uebereinstimmung in der königlichen Familie zu er¬
halten wünschte. Ich sei ein treuer Diener seines Herrn Vaters
und wünschte ihm, daß er, wenn er den Thron bestiege, anstatt
meiner ebenso treue Diener finde, wie ich für seinen Vater gewesen.
Ich hoffte, er würde sich des Gedankens, als ob ich danach strebte,
einmal sein Minister zu werden, entschlagen; ich werde es niemals
sein. Ebenso rasch wie erregt, ebenso rasch wurde er weich und
schloß das Gespräch mit freundlichen Worten.

Das Verlangen, an den Sitzungen des Staatsministeriums
nicht weiter Theil zu nehmen, hielt er fest, und richtete noch im
Laufe des September eine vielleicht nicht ohne fremde Einwirkung
entstandene Denkschrift an den König, worin er seine Gründe in
einer Weise entwickelte, die zugleich als eine Art von Rechtfertigung
seines Verhaltens im Juni erschien. Es entstand darüber zwischen
Sr. Majestät und mir eine private Correspondenz, die mit folgendem
Billet abschloß:

"Babelsberg, den 7. November 1863.
Anliegend sende ich Ihnen meine Antwort an meinen Sohn
den Kronprinzen auf sein Memoir vom September. Zur besseren
Orientirung sende ich Ihnen das Memoir wiederum mit, sowie Ihre
Notizen, die ich bei meiner Antwort benutzte."

Von der Denkschrift habe ich eine Abschrift nicht entnommen;
der Inhalt wird aber erkennbar aus meinen Marginal-Notizen, die
hier folgen:

Seite 1. Der Anspruch, daß eine Warnung Sr. Königlichen
Hoheit die nach sehr ernster und sorgfältiger Erwägung gefaßten

Sechzehntes Kapitel: Danziger Epiſode.
hätte in einer Anwandlung dynaſtiſchen Gefühls geſprochen, um
ihn mit ſeinem Vater wieder in nähere Beziehung zu bringen, im
Intereſſe des Landes und der Dynaſtie, das durch die Entfremdung
geſchädigt wäre; ich hätte im Juni gethan, was ich gekonnt, um
ſeinen Herrn Vater von Entſchließungen ab irato abzuhalten, weil
ich im Intereſſe des Landes und im Kampfe gegen die Parlaments¬
herrſchaft die Uebereinſtimmung in der königlichen Familie zu er¬
halten wünſchte. Ich ſei ein treuer Diener ſeines Herrn Vaters
und wünſchte ihm, daß er, wenn er den Thron beſtiege, anſtatt
meiner ebenſo treue Diener finde, wie ich für ſeinen Vater geweſen.
Ich hoffte, er würde ſich des Gedankens, als ob ich danach ſtrebte,
einmal ſein Miniſter zu werden, entſchlagen; ich werde es niemals
ſein. Ebenſo raſch wie erregt, ebenſo raſch wurde er weich und
ſchloß das Geſpräch mit freundlichen Worten.

Das Verlangen, an den Sitzungen des Staatsminiſteriums
nicht weiter Theil zu nehmen, hielt er feſt, und richtete noch im
Laufe des September eine vielleicht nicht ohne fremde Einwirkung
entſtandene Denkſchrift an den König, worin er ſeine Gründe in
einer Weiſe entwickelte, die zugleich als eine Art von Rechtfertigung
ſeines Verhaltens im Juni erſchien. Es entſtand darüber zwiſchen
Sr. Majeſtät und mir eine private Correſpondenz, die mit folgendem
Billet abſchloß:

„Babelsberg, den 7. November 1863.
Anliegend ſende ich Ihnen meine Antwort an meinen Sohn
den Kronprinzen auf ſein Memoir vom September. Zur beſſeren
Orientirung ſende ich Ihnen das Memoir wiederum mit, ſowie Ihre
Notizen, die ich bei meiner Antwort benutzte.“

Von der Denkſchrift habe ich eine Abſchrift nicht entnommen;
der Inhalt wird aber erkennbar aus meinen Marginal-Notizen, die
hier folgen:

Seite 1. Der Anſpruch, daß eine Warnung Sr. Königlichen
Hoheit die nach ſehr ernſter und ſorgfältiger Erwägung gefaßten

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[324/0351] Sechzehntes Kapitel: Danziger Epiſode. hätte in einer Anwandlung dynaſtiſchen Gefühls geſprochen, um ihn mit ſeinem Vater wieder in nähere Beziehung zu bringen, im Intereſſe des Landes und der Dynaſtie, das durch die Entfremdung geſchädigt wäre; ich hätte im Juni gethan, was ich gekonnt, um ſeinen Herrn Vater von Entſchließungen ab irato abzuhalten, weil ich im Intereſſe des Landes und im Kampfe gegen die Parlaments¬ herrſchaft die Uebereinſtimmung in der königlichen Familie zu er¬ halten wünſchte. Ich ſei ein treuer Diener ſeines Herrn Vaters und wünſchte ihm, daß er, wenn er den Thron beſtiege, anſtatt meiner ebenſo treue Diener finde, wie ich für ſeinen Vater geweſen. Ich hoffte, er würde ſich des Gedankens, als ob ich danach ſtrebte, einmal ſein Miniſter zu werden, entſchlagen; ich werde es niemals ſein. Ebenſo raſch wie erregt, ebenſo raſch wurde er weich und ſchloß das Geſpräch mit freundlichen Worten. Das Verlangen, an den Sitzungen des Staatsminiſteriums nicht weiter Theil zu nehmen, hielt er feſt, und richtete noch im Laufe des September eine vielleicht nicht ohne fremde Einwirkung entſtandene Denkſchrift an den König, worin er ſeine Gründe in einer Weiſe entwickelte, die zugleich als eine Art von Rechtfertigung ſeines Verhaltens im Juni erſchien. Es entſtand darüber zwiſchen Sr. Majeſtät und mir eine private Correſpondenz, die mit folgendem Billet abſchloß: „Babelsberg, den 7. November 1863. Anliegend ſende ich Ihnen meine Antwort an meinen Sohn den Kronprinzen auf ſein Memoir vom September. Zur beſſeren Orientirung ſende ich Ihnen das Memoir wiederum mit, ſowie Ihre Notizen, die ich bei meiner Antwort benutzte.“ Von der Denkſchrift habe ich eine Abſchrift nicht entnommen; der Inhalt wird aber erkennbar aus meinen Marginal-Notizen, die hier folgen: Seite 1. Der Anſpruch, daß eine Warnung Sr. Königlichen Hoheit die nach ſehr ernſter und ſorgfältiger Erwägung gefaßten

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/351>, abgerufen am 22.11.2024.