Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite
Neuer Protest des Kronprinzen.

"Ungewiß, zu welcher Stunde Sie von Ihrer aus so trüber
Veranlassung *)unternommenen Reise zurückkehren und ob bald
nachher ich Sie sprechen kann, theile ich schriftlich mit, daß, nach
durch den Flügeladjutanten mir gewordener Weisung Sr. M., ich
dem Adjutanten Sr. K. H. des Kronprinzen in Ihrem Auftrage
Ihre schleunige Abreise und deren Grund mit dem Ersuchen mit¬
getheilt, Sr. K. H. für den Fall davon Kenntniß zu geben, daß
Ihre Bitte um Audienz bereits Sr. K. H. vorgetragen oder schon
über die Audienz Bestimmung getroffen sei. S. M. haben, wie
Prinz Hohenlohe mir sagte, nicht angemessen erachtet, Seinerseits
mit dem Kronprinzen über Ihre Abreise und die fragliche Audienz
zu reden."

Der König hatte sich dafür entschieden, daß der Kronprinz,
wie seit 1861 geschehn, auch ferner den Sitzungen des Staats¬
ministeriums beiwohnen solle, und mich beauftragt, ihn darüber zu
verständigen. Ich nehme an, daß es zu der zu diesem Zweck er¬
betenen Audienz nicht gekommen ist; denn ich erinnere mich, daß
ich das mißverständliche Erscheinen des Kronprinzen zu einer Minister¬
sitzung, die an dem betreffenden Tage nicht stattfand, dazu benutzte,
die Erörterung einzuleiten. Ich fragte ihn, weshalb er sich so fern
von der Regirung halte; in einigen Jahren werde sie doch die
seinige sein; wenn er etwa andre Prinzipien habe, so sollte er
lieber den Uebergang zu vermitteln suchen als opponiren. Er lehnte
das scharf ab, wie es schien in der Vermuthung, daß ich meinen
Uebergang in seine Dienste anbahnen wolle. Ich habe den feind¬
lichen Ausdruck olympischer Hoheit, mit dem das geschah, Jahre
hindurch nicht vergessen können und sehe noch heut den zurück¬
geworfenen Kopf, das geröthete Gesicht und den Blick über die
linke Schulter vor mir. Ich unterdrückte meine eigne Aufwallung,
dachte an Carlos und Alba (Act 2, Auftritt 5) und antwortete, ich

*) Tod meiner Schwiegermutter. Ich war vom 6. bis zum 11. von Berlin
abwesend.
Neuer Proteſt des Kronprinzen.

„Ungewiß, zu welcher Stunde Sie von Ihrer aus ſo trüber
Veranlaſſung *)unternommenen Reiſe zurückkehren und ob bald
nachher ich Sie ſprechen kann, theile ich ſchriftlich mit, daß, nach
durch den Flügeladjutanten mir gewordener Weiſung Sr. M., ich
dem Adjutanten Sr. K. H. des Kronprinzen in Ihrem Auftrage
Ihre ſchleunige Abreiſe und deren Grund mit dem Erſuchen mit¬
getheilt, Sr. K. H. für den Fall davon Kenntniß zu geben, daß
Ihre Bitte um Audienz bereits Sr. K. H. vorgetragen oder ſchon
über die Audienz Beſtimmung getroffen ſei. S. M. haben, wie
Prinz Hohenlohe mir ſagte, nicht angemeſſen erachtet, Seinerſeits
mit dem Kronprinzen über Ihre Abreiſe und die fragliche Audienz
zu reden.“

Der König hatte ſich dafür entſchieden, daß der Kronprinz,
wie ſeit 1861 geſchehn, auch ferner den Sitzungen des Staats¬
miniſteriums beiwohnen ſolle, und mich beauftragt, ihn darüber zu
verſtändigen. Ich nehme an, daß es zu der zu dieſem Zweck er¬
betenen Audienz nicht gekommen iſt; denn ich erinnere mich, daß
ich das mißverſtändliche Erſcheinen des Kronprinzen zu einer Miniſter¬
ſitzung, die an dem betreffenden Tage nicht ſtattfand, dazu benutzte,
die Erörterung einzuleiten. Ich fragte ihn, weshalb er ſich ſo fern
von der Regirung halte; in einigen Jahren werde ſie doch die
ſeinige ſein; wenn er etwa andre Prinzipien habe, ſo ſollte er
lieber den Uebergang zu vermitteln ſuchen als opponiren. Er lehnte
das ſcharf ab, wie es ſchien in der Vermuthung, daß ich meinen
Uebergang in ſeine Dienſte anbahnen wolle. Ich habe den feind¬
lichen Ausdruck olympiſcher Hoheit, mit dem das geſchah, Jahre
hindurch nicht vergeſſen können und ſehe noch heut den zurück¬
geworfenen Kopf, das geröthete Geſicht und den Blick über die
linke Schulter vor mir. Ich unterdrückte meine eigne Aufwallung,
dachte an Carlos und Alba (Act 2, Auftritt 5) und antwortete, ich

*) Tod meiner Schwiegermutter. Ich war vom 6. bis zum 11. von Berlin
abweſend.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0350" n="323"/>
          <fw place="top" type="header">Neuer Prote&#x017F;t des Kronprinzen.<lb/></fw>
          <p>&#x201E;Ungewiß, zu welcher Stunde Sie von Ihrer aus &#x017F;o trüber<lb/>
Veranla&#x017F;&#x017F;ung <note place="foot" n="*)"><lb/>
Tod meiner Schwiegermutter. Ich war vom 6. bis zum 11. von Berlin<lb/>
abwe&#x017F;end.</note>unternommenen Rei&#x017F;e zurückkehren und ob bald<lb/>
nachher ich Sie &#x017F;prechen kann, theile ich &#x017F;chriftlich mit, daß, nach<lb/>
durch den Flügeladjutanten mir gewordener Wei&#x017F;ung Sr. M., ich<lb/>
dem Adjutanten Sr. K. H. des Kronprinzen in <hi rendition="#g">Ihrem Auftrage</hi><lb/>
Ihre &#x017F;chleunige Abrei&#x017F;e und deren Grund mit dem Er&#x017F;uchen mit¬<lb/>
getheilt, Sr. K. H. für den Fall davon Kenntniß zu geben, daß<lb/>
Ihre Bitte um Audienz bereits Sr. K. H. vorgetragen oder &#x017F;chon<lb/>
über die Audienz Be&#x017F;timmung getroffen &#x017F;ei. S. M. haben, wie<lb/>
Prinz Hohenlohe mir &#x017F;agte, nicht angeme&#x017F;&#x017F;en erachtet, Seiner&#x017F;eits<lb/>
mit dem Kronprinzen über Ihre Abrei&#x017F;e und die fragliche Audienz<lb/>
zu reden.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Der König hatte &#x017F;ich dafür ent&#x017F;chieden, daß der Kronprinz,<lb/>
wie &#x017F;eit 1861 ge&#x017F;chehn, auch ferner den Sitzungen des Staats¬<lb/>
mini&#x017F;teriums beiwohnen &#x017F;olle, und mich beauftragt, ihn darüber zu<lb/>
ver&#x017F;tändigen. Ich nehme an, daß es zu der zu die&#x017F;em Zweck er¬<lb/>
betenen Audienz nicht gekommen i&#x017F;t; denn ich erinnere mich, daß<lb/>
ich das mißver&#x017F;tändliche Er&#x017F;cheinen des Kronprinzen zu einer Mini&#x017F;ter¬<lb/>
&#x017F;itzung, die an dem betreffenden Tage nicht &#x017F;tattfand, dazu benutzte,<lb/>
die Erörterung einzuleiten. Ich fragte ihn, weshalb er &#x017F;ich &#x017F;o fern<lb/>
von der Regirung halte; in einigen Jahren werde &#x017F;ie doch die<lb/>
&#x017F;einige &#x017F;ein; wenn er etwa andre Prinzipien habe, &#x017F;o &#x017F;ollte er<lb/>
lieber den Uebergang zu vermitteln &#x017F;uchen als opponiren. Er lehnte<lb/>
das &#x017F;charf ab, wie es &#x017F;chien in der Vermuthung, daß ich meinen<lb/>
Uebergang in &#x017F;eine Dien&#x017F;te anbahnen wolle. Ich habe den feind¬<lb/>
lichen Ausdruck olympi&#x017F;cher Hoheit, mit dem das ge&#x017F;chah, Jahre<lb/>
hindurch nicht verge&#x017F;&#x017F;en können und &#x017F;ehe noch heut den zurück¬<lb/>
geworfenen Kopf, das geröthete Ge&#x017F;icht und den Blick über die<lb/>
linke Schulter vor mir. Ich unterdrückte meine eigne Aufwallung,<lb/>
dachte an Carlos und Alba (Act 2, Auftritt 5) und antwortete, ich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[323/0350] Neuer Proteſt des Kronprinzen. „Ungewiß, zu welcher Stunde Sie von Ihrer aus ſo trüber Veranlaſſung *)unternommenen Reiſe zurückkehren und ob bald nachher ich Sie ſprechen kann, theile ich ſchriftlich mit, daß, nach durch den Flügeladjutanten mir gewordener Weiſung Sr. M., ich dem Adjutanten Sr. K. H. des Kronprinzen in Ihrem Auftrage Ihre ſchleunige Abreiſe und deren Grund mit dem Erſuchen mit¬ getheilt, Sr. K. H. für den Fall davon Kenntniß zu geben, daß Ihre Bitte um Audienz bereits Sr. K. H. vorgetragen oder ſchon über die Audienz Beſtimmung getroffen ſei. S. M. haben, wie Prinz Hohenlohe mir ſagte, nicht angemeſſen erachtet, Seinerſeits mit dem Kronprinzen über Ihre Abreiſe und die fragliche Audienz zu reden.“ Der König hatte ſich dafür entſchieden, daß der Kronprinz, wie ſeit 1861 geſchehn, auch ferner den Sitzungen des Staats¬ miniſteriums beiwohnen ſolle, und mich beauftragt, ihn darüber zu verſtändigen. Ich nehme an, daß es zu der zu dieſem Zweck er¬ betenen Audienz nicht gekommen iſt; denn ich erinnere mich, daß ich das mißverſtändliche Erſcheinen des Kronprinzen zu einer Miniſter¬ ſitzung, die an dem betreffenden Tage nicht ſtattfand, dazu benutzte, die Erörterung einzuleiten. Ich fragte ihn, weshalb er ſich ſo fern von der Regirung halte; in einigen Jahren werde ſie doch die ſeinige ſein; wenn er etwa andre Prinzipien habe, ſo ſollte er lieber den Uebergang zu vermitteln ſuchen als opponiren. Er lehnte das ſcharf ab, wie es ſchien in der Vermuthung, daß ich meinen Uebergang in ſeine Dienſte anbahnen wolle. Ich habe den feind¬ lichen Ausdruck olympiſcher Hoheit, mit dem das geſchah, Jahre hindurch nicht vergeſſen können und ſehe noch heut den zurück¬ geworfenen Kopf, das geröthete Geſicht und den Blick über die linke Schulter vor mir. Ich unterdrückte meine eigne Aufwallung, dachte an Carlos und Alba (Act 2, Auftritt 5) und antwortete, ich *) Tod meiner Schwiegermutter. Ich war vom 6. bis zum 11. von Berlin abweſend.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/350
Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/350>, abgerufen am 23.11.2024.