Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

Siebentes Kapitel: Unterwegs zwischen Frankfurt und Berlin.
gebe, daß Quehl eine Art von Vertrag mit der Hollweg'schen
Partei geschlossen, wonach Manteuffel geschont, die andern mi߬
liebigen Minister Raumer, Westphalen, Bodelschwingh, rücksichtslos
angegriffen würden, wenn ich ferner beachte, daß Manteuffel über
sein Verhältniß zum Prinzen von Preußen ein böses Gewissen
gegen mich hat, daß er jetzt Niebuhr dichter an sein Herz schließt
als mich, während er sich sonst gegen mich oft über Niebuhr be¬
klagte, wenn ich endlich beachte, daß Quehl geradezu den Prinzen
von Preußen und seinen Herrn Sohn als mit sich und mit Man¬
teuffel übereinstimmend [darstellt] und sich demgemäß äußert, was ich
aus der zuverlässigsten Quelle weiß, wenn dies Alles auf Radowitz
sieht (sic), so fühle ich den Boden mir unter den Füßen schwanken,
obschon der König schwerlich für diese Wirthschaft zu gewinnen ist
und mir persönlich dies Alles Gott sei Dank ziemlich gleichgültig ist.
Sie aber, mein verehrter Freund, der Sie noch jung sind, müssen
sich rüsten und stärken, dies Lügengewebe zur passenden Zeit zur
Rettung des Landes zu zerreißen 1). ...

Sans-Souci, 17. Juli 1853.

... Q. wird jetzt schon der Hof gemacht und er hat Excellenzen
in seinem Vorzimmer und auf seinem Sopha. Auf der andern Seite
halte ich es nicht für unmöglich, daß Manteuffel eines Tags Quehl
darangibt, denn Dankbarkeit ist keine charakteristische Eigenschaft
dieses zweifelnden und daher oft desperirenden Staatsmannes.
Was soll aber werden, wenn Manteuffel geht? Es wäre ein Mini¬
sterium zu finden, aber schwerlich eines, was auch nur 4 Wochen
mit
S. M. sich hielte. Aus diesen Gründen und bei meiner auf¬
richtigen Achtung und Liebe, die ich für Manteuffel habe, möchte
ich es nicht auf mein Gewissen nehmen, seinen Sturz veranlaßt
zu haben. Denken Sie einmal über diese Dinge nach und schreiben
Sie mir" 2). .

1) Vgl. Briefwechsel S. 91 ff.
2) a. a. O. S. 99 ff.

Siebentes Kapitel: Unterwegs zwiſchen Frankfurt und Berlin.
gebe, daß Quehl eine Art von Vertrag mit der Hollweg'ſchen
Partei geſchloſſen, wonach Manteuffel geſchont, die andern mi߬
liebigen Miniſter Raumer, Weſtphalen, Bodelſchwingh, rückſichtslos
angegriffen würden, wenn ich ferner beachte, daß Manteuffel über
ſein Verhältniß zum Prinzen von Preußen ein böſes Gewiſſen
gegen mich hat, daß er jetzt Niebuhr dichter an ſein Herz ſchließt
als mich, während er ſich ſonſt gegen mich oft über Niebuhr be¬
klagte, wenn ich endlich beachte, daß Quehl geradezu den Prinzen
von Preußen und ſeinen Herrn Sohn als mit ſich und mit Man¬
teuffel übereinſtimmend [darſtellt] und ſich demgemäß äußert, was ich
aus der zuverläſſigſten Quelle weiß, wenn dies Alles auf Radowitz
ſieht (sic), ſo fühle ich den Boden mir unter den Füßen ſchwanken,
obſchon der König ſchwerlich für dieſe Wirthſchaft zu gewinnen iſt
und mir perſönlich dies Alles Gott ſei Dank ziemlich gleichgültig iſt.
Sie aber, mein verehrter Freund, der Sie noch jung ſind, müſſen
ſich rüſten und ſtärken, dies Lügengewebe zur paſſenden Zeit zur
Rettung des Landes zu zerreißen 1). ...

Sans-Souci, 17. Juli 1853.

... Q. wird jetzt ſchon der Hof gemacht und er hat Excellenzen
in ſeinem Vorzimmer und auf ſeinem Sopha. Auf der andern Seite
halte ich es nicht für unmöglich, daß Manteuffel eines Tags Quehl
darangibt, denn Dankbarkeit iſt keine charakteriſtiſche Eigenſchaft
dieſes zweifelnden und daher oft deſperirenden Staatsmannes.
Was ſoll aber werden, wenn Manteuffel geht? Es wäre ein Mini¬
ſterium zu finden, aber ſchwerlich eines, was auch nur 4 Wochen
mit
S. M. ſich hielte. Aus dieſen Gründen und bei meiner auf¬
richtigen Achtung und Liebe, die ich für Manteuffel habe, möchte
ich es nicht auf mein Gewiſſen nehmen, ſeinen Sturz veranlaßt
zu haben. Denken Sie einmal über dieſe Dinge nach und ſchreiben
Sie mir“ 2). .

1) Vgl. Briefwechſel S. 91 ff.
2) a. a. O. S. 99 ff.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0163" n="136"/><fw place="top" type="header">Siebentes Kapitel: Unterwegs zwi&#x017F;chen Frankfurt und Berlin.<lb/></fw>gebe, daß Quehl eine Art von Vertrag mit der Hollweg'&#x017F;chen<lb/>
Partei ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, wonach Manteuffel ge&#x017F;chont, die andern mi߬<lb/>
liebigen Mini&#x017F;ter Raumer, We&#x017F;tphalen, Bodel&#x017F;chwingh, rück&#x017F;ichtslos<lb/>
angegriffen würden, wenn ich ferner beachte, daß Manteuffel über<lb/>
&#x017F;ein Verhältniß zum Prinzen von Preußen ein bö&#x017F;es Gewi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
gegen mich hat, daß er jetzt Niebuhr dichter an &#x017F;ein Herz &#x017F;chließt<lb/>
als mich, während er &#x017F;ich &#x017F;on&#x017F;t gegen mich oft über Niebuhr be¬<lb/>
klagte, wenn ich endlich beachte, daß Quehl geradezu den Prinzen<lb/>
von Preußen und &#x017F;einen Herrn Sohn als mit &#x017F;ich und mit Man¬<lb/>
teuffel überein&#x017F;timmend [dar&#x017F;tellt] und &#x017F;ich demgemäß äußert, was ich<lb/>
aus der zuverlä&#x017F;&#x017F;ig&#x017F;ten Quelle weiß, wenn dies Alles auf Radowitz<lb/>
&#x017F;ieht (<hi rendition="#aq">sic</hi>), &#x017F;o fühle ich den Boden mir unter den Füßen &#x017F;chwanken,<lb/>
ob&#x017F;chon der König &#x017F;chwerlich für die&#x017F;e Wirth&#x017F;chaft zu gewinnen i&#x017F;t<lb/>
und mir per&#x017F;önlich dies Alles Gott &#x017F;ei Dank ziemlich gleichgültig i&#x017F;t.<lb/>
Sie aber, mein verehrter Freund, der Sie noch jung &#x017F;ind, mü&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ich rü&#x017F;ten und &#x017F;tärken, dies Lügengewebe zur pa&#x017F;&#x017F;enden Zeit zur<lb/>
Rettung des Landes zu zerreißen <note place="foot" n="1)"><lb/>
Vgl. Briefwech&#x017F;el S. 91 ff.</note>. ...</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#right">Sans-Souci, 17. Juli 1853.</hi> </p><lb/>
          <p>... Q. wird jetzt &#x017F;chon der Hof gemacht und er hat Excellenzen<lb/>
in &#x017F;einem Vorzimmer und auf &#x017F;einem Sopha. Auf der andern Seite<lb/>
halte ich es nicht für unmöglich, daß Manteuffel eines Tags Quehl<lb/>
darangibt, denn Dankbarkeit i&#x017F;t keine charakteri&#x017F;ti&#x017F;che Eigen&#x017F;chaft<lb/>
die&#x017F;es zweifelnden und daher oft de&#x017F;perirenden Staatsmannes.<lb/>
Was &#x017F;oll aber werden, wenn Manteuffel geht? Es wäre ein Mini¬<lb/>
&#x017F;terium zu finden, aber &#x017F;chwerlich eines, was auch <hi rendition="#g">nur 4 Wochen<lb/>
mit</hi> S. M. &#x017F;ich hielte. Aus die&#x017F;en Gründen und bei meiner auf¬<lb/>
richtigen Achtung und Liebe, die ich für Manteuffel habe, möchte<lb/>
ich es nicht auf mein Gewi&#x017F;&#x017F;en nehmen, &#x017F;einen Sturz veranlaßt<lb/>
zu haben. Denken Sie einmal über die&#x017F;e Dinge nach und &#x017F;chreiben<lb/>
Sie mir&#x201C; <note place="foot" n="2)"><lb/>
a. a. O. S. 99 ff.</note>. .</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[136/0163] Siebentes Kapitel: Unterwegs zwiſchen Frankfurt und Berlin. gebe, daß Quehl eine Art von Vertrag mit der Hollweg'ſchen Partei geſchloſſen, wonach Manteuffel geſchont, die andern mi߬ liebigen Miniſter Raumer, Weſtphalen, Bodelſchwingh, rückſichtslos angegriffen würden, wenn ich ferner beachte, daß Manteuffel über ſein Verhältniß zum Prinzen von Preußen ein böſes Gewiſſen gegen mich hat, daß er jetzt Niebuhr dichter an ſein Herz ſchließt als mich, während er ſich ſonſt gegen mich oft über Niebuhr be¬ klagte, wenn ich endlich beachte, daß Quehl geradezu den Prinzen von Preußen und ſeinen Herrn Sohn als mit ſich und mit Man¬ teuffel übereinſtimmend [darſtellt] und ſich demgemäß äußert, was ich aus der zuverläſſigſten Quelle weiß, wenn dies Alles auf Radowitz ſieht (sic), ſo fühle ich den Boden mir unter den Füßen ſchwanken, obſchon der König ſchwerlich für dieſe Wirthſchaft zu gewinnen iſt und mir perſönlich dies Alles Gott ſei Dank ziemlich gleichgültig iſt. Sie aber, mein verehrter Freund, der Sie noch jung ſind, müſſen ſich rüſten und ſtärken, dies Lügengewebe zur paſſenden Zeit zur Rettung des Landes zu zerreißen 1). ... Sans-Souci, 17. Juli 1853. ... Q. wird jetzt ſchon der Hof gemacht und er hat Excellenzen in ſeinem Vorzimmer und auf ſeinem Sopha. Auf der andern Seite halte ich es nicht für unmöglich, daß Manteuffel eines Tags Quehl darangibt, denn Dankbarkeit iſt keine charakteriſtiſche Eigenſchaft dieſes zweifelnden und daher oft deſperirenden Staatsmannes. Was ſoll aber werden, wenn Manteuffel geht? Es wäre ein Mini¬ ſterium zu finden, aber ſchwerlich eines, was auch nur 4 Wochen mit S. M. ſich hielte. Aus dieſen Gründen und bei meiner auf¬ richtigen Achtung und Liebe, die ich für Manteuffel habe, möchte ich es nicht auf mein Gewiſſen nehmen, ſeinen Sturz veranlaßt zu haben. Denken Sie einmal über dieſe Dinge nach und ſchreiben Sie mir“ 2). . 1) Vgl. Briefwechſel S. 91 ff. 2) a. a. O. S. 99 ff.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/163
Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/163>, abgerufen am 13.05.2024.