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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

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Streit über Quehl. -- Graf Alvensleben als "Schreckbild".

Bald nach dem Datum des letzten Briefes war die Verstim¬
mung zwischen dem Könige und Manteuffel so acut geworden, daß
der letztere sich schmollend auf sein Gut Drahnsdorf zurückzog.
Um ihn zu einem "gehorsamen Minister" zu machen, benutzte der
König diesmal nicht meine Ministercandidatur als Schreckbild,
sondern beauftragte mich, den Grafen Albrecht von Alvensleben,
den "alten Lerchenfresser", wie er ihn nannte, in Erxleben auf¬
zusuchen und zu fragen, ob er den Vorsitz in einem neuen Mini¬
sterium übernehmen wolle, in dem ich das auswärtige Ressort
erhalten solle. Der Graf hatte kurz vorher mir unter sehr abfälligen
Aeußerungen über den König erklärt, daß er während der Regirung
Sr. Majestät unter keinen Umständen in irgend ein Cabinet treten
werde1). Ich sagte dies dem Könige, und meine Reise unterblieb.
Später aber, als dieselbe Combination wieder auftauchte, hat er
sich doch bereit erklärt, sie zu acceptiren; der König vertrug sich
dann aber mit Manteuffel, der inzwischen "Gehorsam" gelobt
hatte. Statt der Sendung nach Erxleben reiste ich aus eignem
Antriebe zu Manteuffel auf's Land und redete ihm zu, sich von Quehl
zu trennen und stillschweigend ohne Explication mit Sr. Majestät
seine amtliche Function wieder aufzunehmen. Er erwiderte in
dem Sinne seines Briefes vom 11. Juli 1851, daß er den fähigen,
ihm mit Hingebung dienenden Mann nicht fallen lassen könne.
Da ich heraus zu hören glaubte, daß Manteuffel wohl noch andre
Gründe habe, Quehl zu schonen, so sagte ich: "Vertrauen Sie
mir die Vollmacht an, Sie von Quehl zu erlösen, ohne daß es zu
einem Bruche zwischen Ihnen beiden kommt; wenn mir das ge¬
lingt, so bringen Sie dem Könige die Nachricht von Quehl's Ab¬
gange und führen die Geschäfte fort, als wenn kein Dissensus
zwischen Sr. Majestät und Ihnen vorgekommen wäre." Er ging
auf diesen Gedanken ein, und wir verabredeten, daß er Quehl, der
sich grade auf einer Reise in Frankreich befand, veranlassen werde,

1) S. o. S. 109.
Streit über Quehl. — Graf Alvensleben als „Schreckbild“.

Bald nach dem Datum des letzten Briefes war die Verſtim¬
mung zwiſchen dem Könige und Manteuffel ſo acut geworden, daß
der letztere ſich ſchmollend auf ſein Gut Drahnsdorf zurückzog.
Um ihn zu einem „gehorſamen Miniſter“ zu machen, benutzte der
König diesmal nicht meine Miniſtercandidatur als Schreckbild,
ſondern beauftragte mich, den Grafen Albrecht von Alvensleben,
den „alten Lerchenfreſſer“, wie er ihn nannte, in Erxleben auf¬
zuſuchen und zu fragen, ob er den Vorſitz in einem neuen Mini¬
ſterium übernehmen wolle, in dem ich das auswärtige Reſſort
erhalten ſolle. Der Graf hatte kurz vorher mir unter ſehr abfälligen
Aeußerungen über den König erklärt, daß er während der Regirung
Sr. Majeſtät unter keinen Umſtänden in irgend ein Cabinet treten
werde1). Ich ſagte dies dem Könige, und meine Reiſe unterblieb.
Später aber, als dieſelbe Combination wieder auftauchte, hat er
ſich doch bereit erklärt, ſie zu acceptiren; der König vertrug ſich
dann aber mit Manteuffel, der inzwiſchen „Gehorſam“ gelobt
hatte. Statt der Sendung nach Erxleben reiſte ich aus eignem
Antriebe zu Manteuffel auf's Land und redete ihm zu, ſich von Quehl
zu trennen und ſtillſchweigend ohne Explication mit Sr. Majeſtät
ſeine amtliche Function wieder aufzunehmen. Er erwiderte in
dem Sinne ſeines Briefes vom 11. Juli 1851, daß er den fähigen,
ihm mit Hingebung dienenden Mann nicht fallen laſſen könne.
Da ich heraus zu hören glaubte, daß Manteuffel wohl noch andre
Gründe habe, Quehl zu ſchonen, ſo ſagte ich: „Vertrauen Sie
mir die Vollmacht an, Sie von Quehl zu erlöſen, ohne daß es zu
einem Bruche zwiſchen Ihnen beiden kommt; wenn mir das ge¬
lingt, ſo bringen Sie dem Könige die Nachricht von Quehl's Ab¬
gange und führen die Geſchäfte fort, als wenn kein Diſſenſus
zwiſchen Sr. Majeſtät und Ihnen vorgekommen wäre.“ Er ging
auf dieſen Gedanken ein, und wir verabredeten, daß er Quehl, der
ſich grade auf einer Reiſe in Frankreich befand, veranlaſſen werde,

1) S. o. S. 109.
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[137/0164] Streit über Quehl. — Graf Alvensleben als „Schreckbild“. Bald nach dem Datum des letzten Briefes war die Verſtim¬ mung zwiſchen dem Könige und Manteuffel ſo acut geworden, daß der letztere ſich ſchmollend auf ſein Gut Drahnsdorf zurückzog. Um ihn zu einem „gehorſamen Miniſter“ zu machen, benutzte der König diesmal nicht meine Miniſtercandidatur als Schreckbild, ſondern beauftragte mich, den Grafen Albrecht von Alvensleben, den „alten Lerchenfreſſer“, wie er ihn nannte, in Erxleben auf¬ zuſuchen und zu fragen, ob er den Vorſitz in einem neuen Mini¬ ſterium übernehmen wolle, in dem ich das auswärtige Reſſort erhalten ſolle. Der Graf hatte kurz vorher mir unter ſehr abfälligen Aeußerungen über den König erklärt, daß er während der Regirung Sr. Majeſtät unter keinen Umſtänden in irgend ein Cabinet treten werde 1). Ich ſagte dies dem Könige, und meine Reiſe unterblieb. Später aber, als dieſelbe Combination wieder auftauchte, hat er ſich doch bereit erklärt, ſie zu acceptiren; der König vertrug ſich dann aber mit Manteuffel, der inzwiſchen „Gehorſam“ gelobt hatte. Statt der Sendung nach Erxleben reiſte ich aus eignem Antriebe zu Manteuffel auf's Land und redete ihm zu, ſich von Quehl zu trennen und ſtillſchweigend ohne Explication mit Sr. Majeſtät ſeine amtliche Function wieder aufzunehmen. Er erwiderte in dem Sinne ſeines Briefes vom 11. Juli 1851, daß er den fähigen, ihm mit Hingebung dienenden Mann nicht fallen laſſen könne. Da ich heraus zu hören glaubte, daß Manteuffel wohl noch andre Gründe habe, Quehl zu ſchonen, ſo ſagte ich: „Vertrauen Sie mir die Vollmacht an, Sie von Quehl zu erlöſen, ohne daß es zu einem Bruche zwiſchen Ihnen beiden kommt; wenn mir das ge¬ lingt, ſo bringen Sie dem Könige die Nachricht von Quehl's Ab¬ gange und führen die Geſchäfte fort, als wenn kein Diſſenſus zwiſchen Sr. Majeſtät und Ihnen vorgekommen wäre.“ Er ging auf dieſen Gedanken ein, und wir verabredeten, daß er Quehl, der ſich grade auf einer Reiſe in Frankreich befand, veranlaſſen werde, 1) S. o. S. 109.

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/164>, abgerufen am 26.11.2024.