Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.Prinzessin Augusta, Sympathien und Antipathien. einer erwachsenen und zur Uebernahme der Führung in ihrem Kreisegeneigten Tochter; vielleicht auch die Vermuthung einer Idiosynkrasie gegen die präpotente Persönlichkeit des Kaisers Nicolaus. Gewiß ist, daß der antirussische Einfluß dieser hohen Frau auch in den Zeiten, wo sie Königin und Kaiserin war, mir die Durchführung der von mir für nothwendig erkannten Politik bei Sr. Majestät häufig erschwert hat. Wesentliche Hülfe leistete der Bethmann-Hollwegschen Fraction Beim Frühstück -- und diese Gewohnheit des Prinzen wurde Ich habe es nie für die Aufgabe eines Gesandten bei befreun¬ Prinzeſſin Auguſta, Sympathien und Antipathien. einer erwachſenen und zur Uebernahme der Führung in ihrem Kreiſegeneigten Tochter; vielleicht auch die Vermuthung einer Idioſynkraſie gegen die präpotente Perſönlichkeit des Kaiſers Nicolaus. Gewiß iſt, daß der antiruſſiſche Einfluß dieſer hohen Frau auch in den Zeiten, wo ſie Königin und Kaiſerin war, mir die Durchführung der von mir für nothwendig erkannten Politik bei Sr. Majeſtät häufig erſchwert hat. Weſentliche Hülfe leiſtete der Bethmann-Hollwegſchen Fraction Beim Frühſtück — und dieſe Gewohnheit des Prinzen wurde Ich habe es nie für die Aufgabe eines Geſandten bei befreun¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0150" n="123"/><fw place="top" type="header">Prinzeſſin Auguſta, Sympathien und Antipathien.<lb/></fw>einer erwachſenen und zur Uebernahme der Führung in ihrem Kreiſe<lb/> geneigten Tochter; vielleicht auch die Vermuthung einer Idioſynkraſie<lb/> gegen die präpotente Perſönlichkeit des Kaiſers Nicolaus. Gewiß<lb/> iſt, daß der antiruſſiſche Einfluß dieſer hohen Frau auch in den<lb/> Zeiten, wo ſie Königin und Kaiſerin war, mir die Durchführung<lb/> der von mir für nothwendig erkannten Politik bei Sr. Majeſtät<lb/> häufig erſchwert hat.</p><lb/> <p>Weſentliche Hülfe leiſtete der Bethmann-Hollwegſchen Fraction<lb/> Herr von Schleinitz, der Specialpolitiker der Prinzeſſin, der auch<lb/> ſeinerſeits zum Kampfe gegen Manteuffel dadurch veranlaßt war,<lb/> daß er aus dem gutſituirten, aber nicht ſehr fleißig beſorgten Poſten<lb/> von Hanover aus dienſtlichen Gründen unter Umſtänden der Art<lb/> entlaſſen war, daß ihm das Wartegeld als Geſandter erſt, nachdem<lb/> er Miniſter geworden, nachträglich ausgezahlt wurde. Als Sohn<lb/> eines braunſchweigiſchen Miniſters und als gewerbsmäßiger Diplo¬<lb/> mat an das Hofleben und die äußern Vorzüge des auswärtigen<lb/> Dienſtes gewöhnt, ohne Vermögen, dienſtlich verſtimmt, bei der<lb/> Prinzeſſin aber in Gnaden ſtehend, wurde er natürlich von den<lb/> Gegnern Manteuffel's geſucht und ſchloß ſich ihnen bereitwillig an.<lb/> Er wurde der erſte auswärtige Miniſter der neuen Aera und ſtarb<lb/> als Hausminiſter der Kaiſerin Auguſta.</p><lb/> <p>Beim Frühſtück — und dieſe Gewohnheit des <hi rendition="#g">Prinzen</hi> wurde<lb/> auch vom <hi rendition="#g">Kaiſer</hi> Wilhelm beibehalten — hielt die Prinzeſſin ihrem<lb/> Gemal Vortrag unter Vorlegung von Briefen und Zeitungsartikeln,<lb/> die zuweilen <hi rendition="#aq">ad hoc</hi> redigirt worden waren. Andeutungen, die ich<lb/> mir gelegentlich geſtattete, daß gewiſſe Briefe auf Veranſtaltung<lb/> der Königin durch Herrn von Schleinitz hergeſtellt und beſchafft<lb/> ſein könnten, trugen mir eine ſehr ſcharfe Zurückweiſung zu. Der<lb/> König trat mit ſeinem ritterlichen Sinne unbedingt für ſeine Ge¬<lb/> malin ein, auch wenn der Anſchein einleuchtend gegen ſie war.<lb/> Er wollte gewiſſermaßen verbieten, dergleichen zu glauben, auch<lb/> wenn es wahr wäre.</p><lb/> <p>Ich habe es nie für die Aufgabe eines Geſandten bei befreun¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [123/0150]
Prinzeſſin Auguſta, Sympathien und Antipathien.
einer erwachſenen und zur Uebernahme der Führung in ihrem Kreiſe
geneigten Tochter; vielleicht auch die Vermuthung einer Idioſynkraſie
gegen die präpotente Perſönlichkeit des Kaiſers Nicolaus. Gewiß
iſt, daß der antiruſſiſche Einfluß dieſer hohen Frau auch in den
Zeiten, wo ſie Königin und Kaiſerin war, mir die Durchführung
der von mir für nothwendig erkannten Politik bei Sr. Majeſtät
häufig erſchwert hat.
Weſentliche Hülfe leiſtete der Bethmann-Hollwegſchen Fraction
Herr von Schleinitz, der Specialpolitiker der Prinzeſſin, der auch
ſeinerſeits zum Kampfe gegen Manteuffel dadurch veranlaßt war,
daß er aus dem gutſituirten, aber nicht ſehr fleißig beſorgten Poſten
von Hanover aus dienſtlichen Gründen unter Umſtänden der Art
entlaſſen war, daß ihm das Wartegeld als Geſandter erſt, nachdem
er Miniſter geworden, nachträglich ausgezahlt wurde. Als Sohn
eines braunſchweigiſchen Miniſters und als gewerbsmäßiger Diplo¬
mat an das Hofleben und die äußern Vorzüge des auswärtigen
Dienſtes gewöhnt, ohne Vermögen, dienſtlich verſtimmt, bei der
Prinzeſſin aber in Gnaden ſtehend, wurde er natürlich von den
Gegnern Manteuffel's geſucht und ſchloß ſich ihnen bereitwillig an.
Er wurde der erſte auswärtige Miniſter der neuen Aera und ſtarb
als Hausminiſter der Kaiſerin Auguſta.
Beim Frühſtück — und dieſe Gewohnheit des Prinzen wurde
auch vom Kaiſer Wilhelm beibehalten — hielt die Prinzeſſin ihrem
Gemal Vortrag unter Vorlegung von Briefen und Zeitungsartikeln,
die zuweilen ad hoc redigirt worden waren. Andeutungen, die ich
mir gelegentlich geſtattete, daß gewiſſe Briefe auf Veranſtaltung
der Königin durch Herrn von Schleinitz hergeſtellt und beſchafft
ſein könnten, trugen mir eine ſehr ſcharfe Zurückweiſung zu. Der
König trat mit ſeinem ritterlichen Sinne unbedingt für ſeine Ge¬
malin ein, auch wenn der Anſchein einleuchtend gegen ſie war.
Er wollte gewiſſermaßen verbieten, dergleichen zu glauben, auch
wenn es wahr wäre.
Ich habe es nie für die Aufgabe eines Geſandten bei befreun¬
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