Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.Viertes Kapitel: Diplomat. Unter dem 15. Juli erfolgte meine Ernennung zum Bundes¬ Ich fand in Frankfurt zwei preußische Commissarien aus der 1) Preußen im Bundestage 1851-1859. Documente der K. Preuß.
Bundestags-Gesandtschaft. Herausgegeben von Dr. Ritter v. Poschinger. 4 Bde. Lpz. 1882-1884. -- Bismarck's Briefe an den General Leopold v. Gerlach. Herausgegeben von H. Kohl. Berlin 1896. -- Bismarckbriefe. Herausgegeben von H. Kohl. 7. Auflage. Bielefeld 1898 S. 106 ff. Viertes Kapitel: Diplomat. Unter dem 15. Juli erfolgte meine Ernennung zum Bundes¬ Ich fand in Frankfurt zwei preußiſche Commiſſarien aus der 1) Preußen im Bundestage 1851–1859. Documente der K. Preuß.
Bundestags-Geſandtſchaft. Herausgegeben von Dr. Ritter v. Poſchinger. 4 Bde. Lpz. 1882–1884. — Bismarck's Briefe an den General Leopold v. Gerlach. Herausgegeben von H. Kohl. Berlin 1896. — Bismarckbriefe. Herausgegeben von H. Kohl. 7. Auflage. Bielefeld 1898 S. 106 ff. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0107" n="80"/> <fw place="top" type="header">Viertes Kapitel: Diplomat.<lb/></fw> <p>Unter dem 15. Juli erfolgte meine Ernennung zum Bundes¬<lb/> tagsgeſandten. Ungeachtet der Rückſicht, mit welcher er behandelt<lb/> wurde, war Herr von Rochow verſtimmt und ließ mich die Ver¬<lb/> eitelung ſeines Wunſches entgelten, indem er Frankfurt eines<lb/> Morgens früh verließ, ohne mich von ſeiner Abreiſe unterrichtet<lb/> und mir die Geſchäfte und die Akten übergeben zu haben. Von<lb/> andrer Seite benachrichtigt, kam ich zur rechten Zeit nach dem<lb/> Bahnhofe, um ihm meinen Dank für das mir bewieſene Wohl¬<lb/> wollen auszudrücken. — Ueber meine Thätigkeit und meine Wahr¬<lb/> nehmungen am Bundestage iſt ſo viel Amtliches und Privates ver¬<lb/> öffentlicht worden <note place="foot" n="1)"><lb/> Preußen im Bundestage 1851–1859. Documente der K. Preuß.<lb/> Bundestags-Geſandtſchaft. Herausgegeben von <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Ritter v. <hi rendition="#g">Poſchinger</hi>. 4 Bde.<lb/> Lpz. 1882–1884. — Bismarck's Briefe an den General Leopold v. Gerlach.<lb/> Herausgegeben von H. <hi rendition="#g">Kohl</hi>. Berlin 1896. — Bismarckbriefe. Herausgegeben<lb/> von H. <hi rendition="#g">Kohl</hi>. 7. Auflage. Bielefeld 1898 S. 106 ff.</note>, daß mir nur eine Nachleſe übrig bleibt.</p><lb/> <p>Ich fand in Frankfurt zwei preußiſche Commiſſarien aus der<lb/> Zeit des Interim, den Oberpräſidenten von Boetticher, deſſen Sohn<lb/> ſpäter als Staatsſekretär und Miniſter mein Beiſtand ſein ſollte,<lb/> und den General von Peucker, der mir Gelegenheit zu meinen<lb/> erſten Studien über das Ordensweſen gab. Er war ein geſcheidter,<lb/> tapferer Offizier von hoher wiſſenſchaftlicher Bildung, die er ſpäter<lb/> als Generalinſpecteur des Militär-Erziehungs- und Bildungsweſens<lb/> verwerthen konnte. Im Jahre 1812 in dem York'ſchen Corps<lb/> dienend, hatte er durch Diebſtahl ſeinen Mantel eingebüßt, den<lb/> Rückzug in der knappen Uniform machen müſſen, ſich die Zehen<lb/> erfroren und durch die Kälte anderweitige Schäden erlitten. Trotz<lb/> ſeiner äußerlichen Unſchönheit gewann dieſer kluge und tapfere<lb/> Offizier die Hand einer hübſchen Gräfin Schulenburg, durch welche<lb/> ſpäter das reiche Erbe des Hauſes Schenck von Flechtingen in der<lb/> Altmark an ſeinen Sohn gelangte. In merkwürdigem Contraſt<lb/> mit ſeiner geiſtigen Bedeutung ſtand ſeine Schwäche für Aeußer¬<lb/> lichkeiten, die den Berliner Jargon um einen Ausdruck bereicherte.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [80/0107]
Viertes Kapitel: Diplomat.
Unter dem 15. Juli erfolgte meine Ernennung zum Bundes¬
tagsgeſandten. Ungeachtet der Rückſicht, mit welcher er behandelt
wurde, war Herr von Rochow verſtimmt und ließ mich die Ver¬
eitelung ſeines Wunſches entgelten, indem er Frankfurt eines
Morgens früh verließ, ohne mich von ſeiner Abreiſe unterrichtet
und mir die Geſchäfte und die Akten übergeben zu haben. Von
andrer Seite benachrichtigt, kam ich zur rechten Zeit nach dem
Bahnhofe, um ihm meinen Dank für das mir bewieſene Wohl¬
wollen auszudrücken. — Ueber meine Thätigkeit und meine Wahr¬
nehmungen am Bundestage iſt ſo viel Amtliches und Privates ver¬
öffentlicht worden 1), daß mir nur eine Nachleſe übrig bleibt.
Ich fand in Frankfurt zwei preußiſche Commiſſarien aus der
Zeit des Interim, den Oberpräſidenten von Boetticher, deſſen Sohn
ſpäter als Staatsſekretär und Miniſter mein Beiſtand ſein ſollte,
und den General von Peucker, der mir Gelegenheit zu meinen
erſten Studien über das Ordensweſen gab. Er war ein geſcheidter,
tapferer Offizier von hoher wiſſenſchaftlicher Bildung, die er ſpäter
als Generalinſpecteur des Militär-Erziehungs- und Bildungsweſens
verwerthen konnte. Im Jahre 1812 in dem York'ſchen Corps
dienend, hatte er durch Diebſtahl ſeinen Mantel eingebüßt, den
Rückzug in der knappen Uniform machen müſſen, ſich die Zehen
erfroren und durch die Kälte anderweitige Schäden erlitten. Trotz
ſeiner äußerlichen Unſchönheit gewann dieſer kluge und tapfere
Offizier die Hand einer hübſchen Gräfin Schulenburg, durch welche
ſpäter das reiche Erbe des Hauſes Schenck von Flechtingen in der
Altmark an ſeinen Sohn gelangte. In merkwürdigem Contraſt
mit ſeiner geiſtigen Bedeutung ſtand ſeine Schwäche für Aeußer¬
lichkeiten, die den Berliner Jargon um einen Ausdruck bereicherte.
1)
Preußen im Bundestage 1851–1859. Documente der K. Preuß.
Bundestags-Geſandtſchaft. Herausgegeben von Dr. Ritter v. Poſchinger. 4 Bde.
Lpz. 1882–1884. — Bismarck's Briefe an den General Leopold v. Gerlach.
Herausgegeben von H. Kohl. Berlin 1896. — Bismarckbriefe. Herausgegeben
von H. Kohl. 7. Auflage. Bielefeld 1898 S. 106 ff.
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