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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

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Rede vom 3. December 1850.

Es ist leicht für einen Staatsmann, sei es in dem Cabinete
oder in der Kammer, mit dem populären Winde in die Kriegs¬
trompete zu stoßen und sich dabei an seinem Kaminfeuer zu wärmen
oder von dieser Tribüne donnernde Reden zu halten, und es dem
Musketier, der auf dem Schnee verblutet, zu überlassen, ob sein
System Sieg und Ruhm erwirbt oder nicht. Es ist nichts leichter
als das, aber wehe dem Staatsmann, der sich in dieser Zeit nicht
nach einem Grunde zum Kriege umsieht, der auch nach dem Kriege
noch stichhaltig ist. ...

Die preußische Ehre besteht nach meiner Ueberzeugung nicht
darin, daß Preußen überall in Deutschland den Don Quixote spiele
für gekränkte Kammer-Celebritäten, welche ihre locale Verfassung
für gefährdet halten. Ich suche die preußische Ehre darin, daß
Preußen vor Allem sich von jeder schmachvollen Verbindung mit
der Demokratie entfernt halte, daß Preußen in der vorliegenden
wie in allen andern Fragen nicht zugebe, daß in Deutschland
etwas geschehe ohne Preußens Einwilligung, daß dasjenige, was
Preußen und Oestreich nach gemeinschaftlicher unabhängiger Er¬
wägung für vernünftig und politisch richtig halten, durch die beiden
gleichberechtigten Schutzmächte Deutschlands gemeinschaftlich aus¬
geführt werde. ...

Die Hauptfrage, die Krieg und Frieden birgt, die Gestaltung
Deutschlands, die Regelung der Verhältnisse zwischen Preußen und
Oestreich und der Verhältnisse von Preußen und Oestreich zu
den kleinern Staaten, soll in wenigen Tagen der Gegenstand der
freien Conferenzen werden, kann also jetzt nicht Gegenstand eines
Krieges sein. Wer den Krieg durchaus will, den vertröste ich
darauf, daß er in den freien Conferenzen jederzeit zu finden
ist: in vier oder sechs Wochen, wenn man ihn haben will. Ich
bin weit davon entfernt, in einem so wichtigen Augenblicke, wie
dieser ist, die Handlungsweise der Regirung durch Rathgeben
hemmen zu wollen. Wenn ich dem Ministerium gegenüber einen
Wunsch aussprechen wollte, so wäre es der, daß wir nicht eher

Rede vom 3. December 1850.

Es iſt leicht für einen Staatsmann, ſei es in dem Cabinete
oder in der Kammer, mit dem populären Winde in die Kriegs¬
trompete zu ſtoßen und ſich dabei an ſeinem Kaminfeuer zu wärmen
oder von dieſer Tribüne donnernde Reden zu halten, und es dem
Musketier, der auf dem Schnee verblutet, zu überlaſſen, ob ſein
Syſtem Sieg und Ruhm erwirbt oder nicht. Es iſt nichts leichter
als das, aber wehe dem Staatsmann, der ſich in dieſer Zeit nicht
nach einem Grunde zum Kriege umſieht, der auch nach dem Kriege
noch ſtichhaltig iſt. ...

Die preußiſche Ehre beſteht nach meiner Ueberzeugung nicht
darin, daß Preußen überall in Deutſchland den Don Quixote ſpiele
für gekränkte Kammer-Celebritäten, welche ihre locale Verfaſſung
für gefährdet halten. Ich ſuche die preußiſche Ehre darin, daß
Preußen vor Allem ſich von jeder ſchmachvollen Verbindung mit
der Demokratie entfernt halte, daß Preußen in der vorliegenden
wie in allen andern Fragen nicht zugebe, daß in Deutſchland
etwas geſchehe ohne Preußens Einwilligung, daß dasjenige, was
Preußen und Oeſtreich nach gemeinſchaftlicher unabhängiger Er¬
wägung für vernünftig und politiſch richtig halten, durch die beiden
gleichberechtigten Schutzmächte Deutſchlands gemeinſchaftlich aus¬
geführt werde. ...

Die Hauptfrage, die Krieg und Frieden birgt, die Geſtaltung
Deutſchlands, die Regelung der Verhältniſſe zwiſchen Preußen und
Oeſtreich und der Verhältniſſe von Preußen und Oeſtreich zu
den kleinern Staaten, ſoll in wenigen Tagen der Gegenſtand der
freien Conferenzen werden, kann alſo jetzt nicht Gegenſtand eines
Krieges ſein. Wer den Krieg durchaus will, den vertröſte ich
darauf, daß er in den freien Conferenzen jederzeit zu finden
iſt: in vier oder ſechs Wochen, wenn man ihn haben will. Ich
bin weit davon entfernt, in einem ſo wichtigen Augenblicke, wie
dieſer iſt, die Handlungsweiſe der Regirung durch Rathgeben
hemmen zu wollen. Wenn ich dem Miniſterium gegenüber einen
Wunſch ausſprechen wollte, ſo wäre es der, daß wir nicht eher

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[73/0100] Rede vom 3. December 1850. Es iſt leicht für einen Staatsmann, ſei es in dem Cabinete oder in der Kammer, mit dem populären Winde in die Kriegs¬ trompete zu ſtoßen und ſich dabei an ſeinem Kaminfeuer zu wärmen oder von dieſer Tribüne donnernde Reden zu halten, und es dem Musketier, der auf dem Schnee verblutet, zu überlaſſen, ob ſein Syſtem Sieg und Ruhm erwirbt oder nicht. Es iſt nichts leichter als das, aber wehe dem Staatsmann, der ſich in dieſer Zeit nicht nach einem Grunde zum Kriege umſieht, der auch nach dem Kriege noch ſtichhaltig iſt. ... Die preußiſche Ehre beſteht nach meiner Ueberzeugung nicht darin, daß Preußen überall in Deutſchland den Don Quixote ſpiele für gekränkte Kammer-Celebritäten, welche ihre locale Verfaſſung für gefährdet halten. Ich ſuche die preußiſche Ehre darin, daß Preußen vor Allem ſich von jeder ſchmachvollen Verbindung mit der Demokratie entfernt halte, daß Preußen in der vorliegenden wie in allen andern Fragen nicht zugebe, daß in Deutſchland etwas geſchehe ohne Preußens Einwilligung, daß dasjenige, was Preußen und Oeſtreich nach gemeinſchaftlicher unabhängiger Er¬ wägung für vernünftig und politiſch richtig halten, durch die beiden gleichberechtigten Schutzmächte Deutſchlands gemeinſchaftlich aus¬ geführt werde. ... Die Hauptfrage, die Krieg und Frieden birgt, die Geſtaltung Deutſchlands, die Regelung der Verhältniſſe zwiſchen Preußen und Oeſtreich und der Verhältniſſe von Preußen und Oeſtreich zu den kleinern Staaten, ſoll in wenigen Tagen der Gegenſtand der freien Conferenzen werden, kann alſo jetzt nicht Gegenſtand eines Krieges ſein. Wer den Krieg durchaus will, den vertröſte ich darauf, daß er in den freien Conferenzen jederzeit zu finden iſt: in vier oder ſechs Wochen, wenn man ihn haben will. Ich bin weit davon entfernt, in einem ſo wichtigen Augenblicke, wie dieſer iſt, die Handlungsweiſe der Regirung durch Rathgeben hemmen zu wollen. Wenn ich dem Miniſterium gegenüber einen Wunſch ausſprechen wollte, ſo wäre es der, daß wir nicht eher

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/100>, abgerufen am 23.11.2024.