Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Birken, Sigmund von: Pegnesische Gesprächspiel-Gesellschaft von Nymfen und Hirten. Nürnberg, 1665.

Bild:
<< vorherige Seite

der Augen und Zunge.
Threnen-Worte der Verliebten/ (un-
terredte Galathee/) fliessen meistteils/
nicht aus den Augen/ sondern aus dem
Dintenfaß: wer wolte solchen Lügen-
Zeugen trauen? Und wer solte/ (erläng-
erte Dorilis/) solche Schwätzer/ nicht
vielmehr verlachen/ als betauren/ die mit
erdichteten Klagen uns bereden wollen
zugläuben/ daß sie todt seyen? Man muß
nicht/ (versetzte Cleodor/) mit den Unge-
treuen/ zugleich die Treu-Verliebte ver-
dammen. Warm die Liebe nun wechsel-
flammet/ (vollführte Palämon/ diese
Unterredung/) so hat sie gleiche Kraft in
Mund und Augen/ und gleichsam ihre
Nahrung von beyden: indem der Ver-
liebte/ durch Blicke erquicket/ allermeist
aber/ durch freundlichen Gesprächwech-
sel getröstet wird. Aus welchem allem
erscheinet/ daß den Augen im Anfang/
und dem Mund/ im Fortgang der Liebe/
der Vorzug gebühre.

Nach diesem kehrte sich Sylvia zu
Cleodorn/ und sagte: Du wirst heute nicht
so leer ausgehen/ Schäfer! sondern uns

auch
F iiij

der Augen und Zunge.
Threnen-Worte der Verliebten/ (un-
terredte Galathee/) flieſſen meiſtteils/
nicht aus den Augen/ ſondern aus dem
Dintenfaß: wer wolte ſolchen Luͤgen-
Zeugen trauen? Und wer ſolte/ (erlaͤng-
erte Dorilis/) ſolche Schwaͤtzer/ nicht
vielmehr verlachen/ als betauren/ die mit
erdichteten Klagen uns bereden wollen
zuglaͤuben/ daß ſie todt ſeyen? Man muß
nicht/ (verſetzte Cleodor/) mit den Unge-
treuen/ zugleich die Treu-Verliebte ver-
dammen. Warm die Liebe nun wechſel-
flammet/ (vollfuͤhrte Palaͤmon/ dieſe
Unterredung/) ſo hat ſie gleiche Kraft in
Mund und Augen/ und gleichſam ihre
Nahrung von beyden: indem der Ver-
liebte/ durch Blicke erquicket/ allermeiſt
aber/ durch freundlichen Geſpraͤchwech-
ſel getroͤſtet wird. Aus welchem allem
erſcheinet/ daß den Augen im Anfang/
und dem Mund/ im Fortgang der Liebe/
der Vorzug gebuͤhre.

Nach dieſem kehrte ſich Sylvia zu
Cleodorn/ uñ ſagte: Du wirſt heute nicht
ſo leer ausgehen/ Schaͤfer! ſondern uns

auch
F iiij
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0131" n="119"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">der Augen und Zunge.</hi></fw><lb/>
Threnen-Worte der Verliebten/ (un-<lb/>
terredte Galathee/) flie&#x017F;&#x017F;en mei&#x017F;tteils/<lb/>
nicht aus den Augen/ &#x017F;ondern aus dem<lb/>
Dintenfaß: wer wolte &#x017F;olchen Lu&#x0364;gen-<lb/>
Zeugen trauen? Und wer &#x017F;olte/ (erla&#x0364;ng-<lb/>
erte Dorilis/) &#x017F;olche Schwa&#x0364;tzer/ nicht<lb/>
vielmehr verlachen/ als betauren/ die mit<lb/>
erdichteten Klagen uns bereden wollen<lb/>
zugla&#x0364;uben/ daß &#x017F;ie todt &#x017F;eyen? Man muß<lb/>
nicht/ (ver&#x017F;etzte Cleodor/) mit den Unge-<lb/>
treuen/ zugleich die Treu-Verliebte ver-<lb/>
dammen. Warm die Liebe nun wech&#x017F;el-<lb/>
flammet/ (vollfu&#x0364;hrte Pala&#x0364;mon/ die&#x017F;e<lb/>
Unterredung/) &#x017F;o hat &#x017F;ie gleiche Kraft in<lb/>
Mund und Augen/ und gleich&#x017F;am ihre<lb/>
Nahrung von beyden: indem der Ver-<lb/>
liebte/ durch Blicke erquicket/ allermei&#x017F;t<lb/>
aber/ durch freundlichen Ge&#x017F;pra&#x0364;chwech-<lb/>
&#x017F;el getro&#x0364;&#x017F;tet wird. Aus welchem allem<lb/>
er&#x017F;cheinet/ daß den Augen im Anfang/<lb/>
und dem Mund/ im Fortgang der Liebe/<lb/>
der Vorzug gebu&#x0364;hre.</p><lb/>
        <p>Nach die&#x017F;em kehrte &#x017F;ich Sylvia zu<lb/>
Cleodorn/ un&#x0303; &#x017F;agte: Du wir&#x017F;t heute nicht<lb/>
&#x017F;o leer ausgehen/ Scha&#x0364;fer! &#x017F;ondern uns<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F iiij</fw><fw place="bottom" type="catch">auch</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[119/0131] der Augen und Zunge. Threnen-Worte der Verliebten/ (un- terredte Galathee/) flieſſen meiſtteils/ nicht aus den Augen/ ſondern aus dem Dintenfaß: wer wolte ſolchen Luͤgen- Zeugen trauen? Und wer ſolte/ (erlaͤng- erte Dorilis/) ſolche Schwaͤtzer/ nicht vielmehr verlachen/ als betauren/ die mit erdichteten Klagen uns bereden wollen zuglaͤuben/ daß ſie todt ſeyen? Man muß nicht/ (verſetzte Cleodor/) mit den Unge- treuen/ zugleich die Treu-Verliebte ver- dammen. Warm die Liebe nun wechſel- flammet/ (vollfuͤhrte Palaͤmon/ dieſe Unterredung/) ſo hat ſie gleiche Kraft in Mund und Augen/ und gleichſam ihre Nahrung von beyden: indem der Ver- liebte/ durch Blicke erquicket/ allermeiſt aber/ durch freundlichen Geſpraͤchwech- ſel getroͤſtet wird. Aus welchem allem erſcheinet/ daß den Augen im Anfang/ und dem Mund/ im Fortgang der Liebe/ der Vorzug gebuͤhre. Nach dieſem kehrte ſich Sylvia zu Cleodorn/ uñ ſagte: Du wirſt heute nicht ſo leer ausgehen/ Schaͤfer! ſondern uns auch F iiij

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/birken_gespraechspiel_1665
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/birken_gespraechspiel_1665/131
Zitationshilfe: Birken, Sigmund von: Pegnesische Gesprächspiel-Gesellschaft von Nymfen und Hirten. Nürnberg, 1665, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/birken_gespraechspiel_1665/131>, abgerufen am 06.05.2024.