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Birken, Sigmund von: Die Fried-erfreuete Teutonje. Nürnberg, 1652.

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" der auch Verzeihung liebt. Nicht wollen und doch
kunnen
" an Feinden üben Rach/ ist Königlicher Sinnen
" und dapfrer Hertzen Tuhn. Gott selbst spricht gerne
loß/
" sonst wär sein Himmel längst von Donnerkeilen bloß
Von unsrer Kaiserin ist dieses auch geschehen:
Ich kau je zürnen nicht/ noch Leute leidig sehen!
so dachte dieses Hertz/ so sagte deren Mund/
die weder schelten selbst noch schelten hören kund.
Ich sprach sie/ meynet ihr/ daß ich Gefallen habe
wie ihr/ an eurer Red/ an fremder Schand mich labe?
mir selbst redt ihr zu nah/ ja mehr als ihnen mir/
weil ihr meynt/ mir gefällt/ was jhr mir schwätzet für.
Nun/ Zeder/ du bist hin. Die Ros ist abgebrochen/
die beyden haben sich ins kalte Grab verkrochen/
worauff Zypressen stehn. Sie selbst Zypressenzweig
ist ihres Todes Tod/ füllt ihre Lebensneig
mit Leben wieder an. Das Volk der blinden Heiden
lies aus Zypressenholtz ihm seine Götter schneiden/
voraus der Juno Bild. Leopoldinen Seel/
die ich nun zu der Schaar der Sterngöttinen zähl/
ist solch ein Holtz gewest; aus deren Brunst verlangen
ein stäter Andachtsruch der Göttlichkeit gegangen;
die himmlisch war auf Erd. Gott war in sie verhüllt/
in ihrem Hertzen stund gebildet Gottes Bild/
geschrieben Gottes Lieb. Kein Götz war hie zu finden
der schnöden Eitelkeit/ kein Bildniß grober Sünden/
kein frecher Lustaltar. Wie oft hat sie gewacht
in jhre Betkapell mit kniehender Andacht;
das Beten war jhr Bett. O schöne Rahelsitten/
die auch das Götzenwerk verbarg in ihrer Hütten/
ans Lieb zum rechten Gott/ hieng ihrem Jacob an/
jhn als jhr liebstes Hertz von Hertzen lieb gewan.
Leopoldina gieng zu Rahel in die Lehre/
liebt jhren Ferdinand/ gab seiner Tugend Ehre/
und
G 3
„ der auch Verzeihung liebt. Nicht wollen und doch
kůnnen
„ an Feinden uͤben Rach/ iſt Koͤniglicher Sinnen
„ und dapfrer Hertzen Tuhn. Gott ſelbſt ſpricht gerne
loß/
„ ſonſt waͤr ſein Himmel laͤngſt von Donnerkeilen bloß
Von unsrer Kaiſerin iſt dieſes auch geſchehen:
Ich kau je zuͤrnen nicht/ noch Leute leidig ſehen!
ſo dachte dieſes Hertz/ ſo ſagte deren Mund/
die weder ſchelten ſelbſt noch ſchelten hoͤren kund.
Ich ſprach ſie/ meynet ihr/ daß ich Gefallen habe
wie ihr/ an eurer Red/ an fremder Schand mich labe?
mir ſelbſt redt ihr zu nah/ ja mehr als ihnen mir/
weil ihr meynt/ mir gefaͤllt/ was jhr mir ſchwaͤtzet fuͤr.
Nun/ Zeder/ du biſt hin. Die Roſ iſt abgebrochen/
die beyden haben ſich ins kalte Grab verkrochen/
worauff Zypreſſen ſtehn. Sie ſelbſt Zypreſſenzweig
iſt ihres Todes Tod/ fuͤllt ihre Lebensneig
mit Leben wieder an. Das Volk der blinden Heiden
lies aus Zypreſſenholtz ihm ſeine Goͤtter ſchneiden/
voraus der Juno Bild. Leopoldinen Seel/
die ich nun zu der Schaar der Sterngoͤttinen zaͤhl/
iſt ſolch ein Holtz geweſt; aus deren Brunſt verlangen
ein ſtaͤter Andachtsruch der Goͤttlichkeit gegangen;
die himmliſch war auf Erd. Gott war in ſie verhuͤllt/
in ihrem Hertzen ſtund gebildet Gottes Bild/
geſchrieben Gottes Lieb. Kein Goͤtz war hie zu finden
der ſchnoͤden Eitelkeit/ kein Bildniß grober Suͤnden/
kein frecher Luſtaltar. Wie oft hat ſie gewacht
in jhre Betkapell mit kniehender Andacht;
das Beten war jhr Bett. O ſchoͤne Rahelſitten/
die auch das Goͤtzenwerk verbarg in ihrer Huͤtten/
ans Lieb zum rechten Gott/ hieng ihrem Jacob an/
jhn als jhr liebſtes Hertz von Hertzen lieb gewan.
Leopoldina gieng zu Rahel in die Lehre/
liebt jhren Ferdinand/ gab ſeiner Tugend Ehre/
und
G 3
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[45/0095] „ der auch Verzeihung liebt. Nicht wollen und doch kůnnen „ an Feinden uͤben Rach/ iſt Koͤniglicher Sinnen „ und dapfrer Hertzen Tuhn. Gott ſelbſt ſpricht gerne loß/ „ ſonſt waͤr ſein Himmel laͤngſt von Donnerkeilen bloß Von unsrer Kaiſerin iſt dieſes auch geſchehen: Ich kau je zuͤrnen nicht/ noch Leute leidig ſehen! ſo dachte dieſes Hertz/ ſo ſagte deren Mund/ die weder ſchelten ſelbſt noch ſchelten hoͤren kund. Ich ſprach ſie/ meynet ihr/ daß ich Gefallen habe wie ihr/ an eurer Red/ an fremder Schand mich labe? mir ſelbſt redt ihr zu nah/ ja mehr als ihnen mir/ weil ihr meynt/ mir gefaͤllt/ was jhr mir ſchwaͤtzet fuͤr. Nun/ Zeder/ du biſt hin. Die Roſ iſt abgebrochen/ die beyden haben ſich ins kalte Grab verkrochen/ worauff Zypreſſen ſtehn. Sie ſelbſt Zypreſſenzweig iſt ihres Todes Tod/ fuͤllt ihre Lebensneig mit Leben wieder an. Das Volk der blinden Heiden lies aus Zypreſſenholtz ihm ſeine Goͤtter ſchneiden/ voraus der Juno Bild. Leopoldinen Seel/ die ich nun zu der Schaar der Sterngoͤttinen zaͤhl/ iſt ſolch ein Holtz geweſt; aus deren Brunſt verlangen ein ſtaͤter Andachtsruch der Goͤttlichkeit gegangen; die himmliſch war auf Erd. Gott war in ſie verhuͤllt/ in ihrem Hertzen ſtund gebildet Gottes Bild/ geſchrieben Gottes Lieb. Kein Goͤtz war hie zu finden der ſchnoͤden Eitelkeit/ kein Bildniß grober Suͤnden/ kein frecher Luſtaltar. Wie oft hat ſie gewacht in jhre Betkapell mit kniehender Andacht; das Beten war jhr Bett. O ſchoͤne Rahelſitten/ die auch das Goͤtzenwerk verbarg in ihrer Huͤtten/ ans Lieb zum rechten Gott/ hieng ihrem Jacob an/ jhn als jhr liebſtes Hertz von Hertzen lieb gewan. Leopoldina gieng zu Rahel in die Lehre/ liebt jhren Ferdinand/ gab ſeiner Tugend Ehre/ und G 3

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Zitationshilfe: Birken, Sigmund von: Die Fried-erfreuete Teutonje. Nürnberg, 1652, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/birken_friedensvergleich_1652/95>, abgerufen am 01.05.2024.